Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluß von Parteivorbringen gemäß § 296 Abs. 1 ZPO ist nicht vertretbar, wenn der betroffenen Partei nicht gleichzeitig mit der Fristsetzung völlig klar gemacht wird, in welche prekäre Lage sie durch die Fristsetzung gerät. Die Mitteilung des Wortlauts des § 296 Abs. 1 ZPO genügt als Belehrung hierüber nicht; die Fristsetzung ist dann unwirksam.

 

Verfahrensgang

OLG München (Entscheidung vom 26.05.1981)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. Mai 1981 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Tatbestand

Auf telefonische Antrage der Beklagten vom 7. Februar 1980 schickte der klagende Immobilienmakler der Beklagten Unterlagen über eine Eigentumswohnungsanlage in M. Am 6. März 1980 kaufte der Ehemann der Beklagten eine Wohnung in dieser Anlage für 192.500,- EM. Aufgrund dessen nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 6.625,13 DM Maklerlohn nebst Zinsen in Anspruch. Dabei stützt der Kläger sich auf ein Anschreiben, das er der Beklagten mit den Unterlagen übersandt und in dem er 3,39 % Provision verlangt habe.

Das Landgericht hat am 5. Dezember 1980 frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16. Januar 1981 bestimmt. Gleichzeitig hat der Vorsitzende der Zivilkammer verfügt, der Beklagten die Terminsladung mit der "Aufforderung gemäß §§ 271, 275 ZPO" zuzustellen, "auf das Klagevorbringen innerhalb von drei Wochen schriftlich zu erwidern (Vordruck ZP M 225)". Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Beklagten "diese Verfügung" gleichzeitig mit der Ladung am 17. Dezember 1980 zugestellt worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat sich mit Schriftsatz vom 9. Januar 1981 bestellt. Seine Klageerwiderung vom 12. Januar 1981 ist am Dienstag, dem 13. Januar 1981, bei Gericht eingegangen. Mit diesem Schriftsatz hat die Beklagte bestritten, das Anschreiben des Klägers mit dessen Provisionsverlangen erhalten zu haben. Im übrigen habe ihr Ehemann unabhängig von der Information durch den Kläger Kenntnis von dem Kaufgegenstand erlangt; von ihrem Ehemann lebe sie getrennt.

In dem frühen ersten Termin hat das Landgericht darauf hingewiesen, daß dieser Vortrag der Beklagten verspätet sei. Eine Entschuldigung für die Verspätung der schriftlichen Klageerwiderung hat der Vertreter der Beklagten vor dem Landgericht nicht vorgebracht. Darauf hat das Landgericht der Klage allein auf der Grundlage des Klagevortrages stattgegeben. Das Vorbringen der Beklagten könne gemäß § 296 Abs. 1 ZPO wegen der - nicht entschuldigten - Überschreitung der Klageerwiderungsfrist nicht mehr berücksichtigt werden. Andernfalls werde der Rechtsstreit verzögert, weil dann Zeugenbeweis über den Zugang des Anschreibens und über die anderweitige Kenntnis des Ehemannes der Beklagten erhoben werden müsse.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts aufgehoben und hat die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Landgericht habe die §§ 275, 277, 296 ZPO nicht richtig angewendet und habe die Beklagte zu Unrecht mit ihrem Vorbringen ausgeschlossen.

Die Frist zur Klageerwiderung sei nicht wirksam gesetzt worden. Der Wortlaut des der Beklagten zugesandten Formulars ("drei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung") bestimme zwar eindeutig, wann die gesetzte Frist beginnen solle (nämlich mit der Zustellung); nicht genügend klar sei dagegen für den mit dem Prozeß überzogenen Laien, ob es nicht ausreiche, wenn die Klageerwiderung innerhalb der Frist abgesendet werde, und ob nicht etwa das Datum des Poststempels maßgebend sei.

Weitere Zweifel an der Dauer der gesetzten Frist ergäben sich aus den besonderen Umständen. Der Kläger habe seine Ausführungen nämlich auf einen Hinweis des Landgerichts mit einem weiteren Schriftsatz nicht unbedeutend ergänzt. Dieser Schriftsatz sei der Beklagten am 30. Dezember 1981 zugestellt worden. Dabei sei nicht klargestellt worden, wie es sich angesichts dieser Ergänzung mit der laufenden Klageerwiderungsfrist verhalten solle. Deshalb habe die Beklagte möglicherweise der Meinung sein können, die Klageerwiderungsfrist beginne mit dem 30. Dezember 1981 neu zu laufen oder sei sogar gegenstandslos geworden.

Bedenklich sei auch, wenn es in dem Formular heiße, die Beklagte habe ihre "Verteidigungsmittel" vorzubringen. Der Juristisch nicht vorgebildete Bürger könne der Meinung sein, bei einem "Verteidigungsmittel" handele es sich um einen besonderen Gegenstand, etwa eine Urkunde, ein einfaches Bestreiten sei hier gar nicht gemeint.

Grundsätzlich bezweifelt das Berufungsgericht auch, ob das hier verwendete Formular hinreichend deutlich über die Folgen einer Versäumung der gesetzten Frist belehrt. Die Vorderseite "fordere" den Beklagten lediglich zur Klageerwiderung innerhalb von drei Wochen "auf" und "bitte" um Beachtung der auf der Rückseite abgedruckten Hinweise. Diese gäben insoweit lediglich den Wortlaut des § 296 Abs. 1 ZPO wieder. Die Vorderseite des Formulars erwecke den Eindruck einer mehr oder weniger freundlichen Empfehlung, der Empfänger "solle" auf die Klage innerhalb von drei Wochen antworten und die Rückseite des Formulars beachten. Damit bleibe die wahre prozessuale Lage im unklaren; denn der Beklagte "solle" nicht innerhalb von drei Wochen antworten, sondern er dürfe nach drei Wochen nicht mehr antworten. Dem Beklagten müsse deshalb klar gemacht werden, daß er sich gegen die Klage grundsätzlich nur innerhalb von drei Wochen verteidigen könne und sonst mit dem Ausschluß jeglicher Verteidigung und mit dem völligen Verlust des Prozesses rechnen müsse.

Darüberhinaus sei die gesetzte Frist im Hinblick auf die zahlreichen Feiertage um die Jahreswende (Weihnachten, Neujahr, Dreikönigstag) unangemessen kurz; ihre Überschreitung sei daher unschädlich.

Überdies habe die Berücksichtigung der Klageerwiderung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens führen müssen. Denn das Landgericht habe den Parteivertretern noch am 13., 14. oder 15. Januar 1981 telefonisch anheim geben können (und müssen), jede Seite solle ihren (einzigen) Zeugen mitbringen.

Das Landgericht habe in dem frühen ersten Termin aber auch sofort einen Haupttermin bestimmen können. Die dadurch eintretende Verzögerung sei unschädlich, weil der frühe erste Termin nicht auf endgültige Prozeßerledigung angelegt sei, sondern nur der Vorbereitung des Haupttermins diene.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.

Für die Frage, ob das Verfahren des Landgerichts an einem wesentlichen Mangel leidet und ob das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil aus diesem Grunde aufheben kann (§ 539 ZPO), ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 18, 107, 109; 31, 358, 362) der materiell-rechtliche Standpunkt des ersten Richters zugrunde zu legen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er zutrifft oder nicht. Deshalb kam es für das Berufungsgericht nur darauf an, ob sich das Landgericht ausschließlich auf den von ihm für schlüssig gehaltenen Klagevortrag stützen durfte, oder ob es außerdem auch die Beklagte mit ihrem davon abweichenden Vorbringen hätte hören müssen. Das Berufungsgericht hat diese Frage zutreffend entschieden.

Nach dem Urteil des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 2. Dezember 1982 - VII ZR 71/82 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt - gestattet § 296 Abs. 1 ZPO in den Fällen des § 275 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Zurückweisung verspäteten Vorbringens auch im frühen ersten Termin. Dennoch hätte der Vortrag der Beklagten hier nicht zurückgewiesen werden dürfen. Denn die der Beklagten gesetzte Frist für die Klageerwiderung war nicht wirksam, weil die Belehrung über die Folgen der Versäumung der gesetzten Frist, die das Landgericht der Beklagten gemäß § 277 Abs. 2 ZPO erteilt hat, den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt.

1.

Auszugehen ist für die Prüfung dieser Frage von dem in Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Anspruch jedermanns auf rechtliches Gehör. Dieser Anspruch auf rechtliches Gehör gibt den Parteien eines Zivilprozesses grundsätzlich ein Recht auf die Gelegenheit, sich zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, derartige Erklärungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in die Erwägungen einzubeziehen. Indessen sind den Möglichkeiten der Parteien zur Rechtsverfolgung einerseits und zur Rechtsverteidigung andererseits durch die Verfahrensvorschriften Grenzen gesetzt. Auch die Präklusionsvorschriften, die auf eine Verfahrensbeschleunigung hinwirken sollen, schränken die Gelegenheit der Parteien, zur Sache vorzutragen, ein. Gleichwohl sind derartige Vorschriften in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes bislang - auch unter dem Blickpunkt des Art. 103 Abs. 1 GG - als verfassungsmäßig beurteilt worden (BVerfGE 36, 92, 98; 51, 188, 191; 55, 72, 93 f.). Das gilt auch für die hier einschlägige Norm des § 296 Abs. 1 ZPO (vgl. BVerfGE 54, 117, 123 f.). Dabei ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, § 296 Abs. 1 ZPO gewährleiste allen Verfahrensbeteiligten hinreichend Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern.

Allerdings ist die Ausschließung von Parteivortrag, die als Sanktion an die Nichteinhaltung der Beschleunigungsvorschriften geknüpft wird, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt als hart (BGH, Urteil vom 12. Februar 1981 - VII ZR 208/80 = NJW 1981, 1218 und Urteil vom 16. Dezember 1981 - IVa ZR 282/80 - NJW 1982, 1533 f.), als schwerwiegend (BVerfG, Beschluß vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 1379/80 = NJW 1982, 1453) der als einschneidend (BVerfGE 59, 330, 334) bezeichnet worden. Diese und andere Äußerungen in Rechtsprechung und Schrifttum können als Anzeichen dafür verstanden werden, in welche Spannung der Zivilprozeß durch die Präklusionsvorschriften und deren erhebliche Verschärfung (vgl. BGHZ 76, 236, 239) gestellt ist: Einerseits sollen die Parteien zu beschleunigtem Vorbringen veranlaßt werden, und zwar unter dem Druck andernfalls drohenden Ausschlusses ihrer Angriffs- und Verteidigungsmittel und des daraus folgenden völligen oder teilweisen Prozeßverlustes. Andererseits ist es ein an den Richter gerichtetes Gebot nicht nur der Rechtstaatlichkeit, sondern auch des allgemeinen Gleichheitssatzes und des rechtlichen Gehörs, Verfahrensvorschriften so anzuwenden, daß das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel des Verfahrensrechts, nämlich gesetzmäßige (und in diesem Sinne richtige) und darüberhinaus (in diesem Rahmen auch) gerechte Entscheidungen herbeizuführen, in jedem Einzelfall in ausreichendem Maße verwirklicht werden kann (BVerfGE 55, 72, 93).

2.

Überspannt der Richter das Bestreben nach beschleunigter Erledigung eines vor ihm anhängigen Verfahrens - wie es der Rechtsprechung seit der Vereinfachungsnovelle vielfach vorgeworfen wird - oder nimmt eine Partei die ihr obliegenden Akte zur Förderung des Verfahrens nicht so frühzeitig vor, wie das von ihr erwartet wird, dann geraten die dem "kurzen Prozeß" dienenden Sanktionen in Widerstreit mit der Suche nach der materiell richtigen Entscheidung, können den Weg zu ihr u.U. sogar endgültig verstellen. Das hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen (BGHZ 75, 138, 142). Deshalb hat der Bundesgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, daß das Gericht, bevor es verspätetes Vorbringen wegen Verzögerung des Rechtsstreits ausschließt, alle ihm möglichen Maßnahmen gemäß § 273 ZPO ergreifen muß, soweit sie zumutbar und geeignet sind, die drohende Verzögerung des Verfahrens zu verhindern (BGHZ 75, 138, 142 f.; 76, 133, 136 f.; 76, 173, 178; Urteil vom 13. Februar 1980 - VII ZR 61/79 = LM ZPO § 273 Nr. 3 Bl. 2 R; Urteil vom 13. Februar 1980 - VIII ZR 146/79 - offenbar unveröffentlicht; Urteil vom 25. März 1980 - KZR 10/79 = LM ZPO § 273 Nr. 2). Darüberhinaus hat er schon mehrfach betont, daß das Ziel einer materiell gerechten Entscheidung nicht stärker eingeschränkt werden darf, als im Interesse der Verfahrenskonzentration notwendig ist (BGHZ 75, 138, 142; 76, 133, 136; vgl. auch BVerfGE 55, 72, 85), daß der säumigen Partei die nachteiligen Folgen einer Präklusion nur dann zugemutet werden können, wenn deren gesetzliche Voraussetzungen strikt erfüllt sind (Urteil vom 17. Oktober 1979 - VIII ZR 221/78 = LM ZPO § 528 Nr. 13; Urteil vom 12. Februar 1981. - VII ZR 112/80 = LM ZPO § 528 Nr. 19 Bl. 2; Urteil vom 12. Februar 1981 - VII ZR 208/80 = LM ZPO § 528 Nr. 20 Bl. 2), und daß eine Ausdehnung von Präklusionsvorschriften auf andere, gesetzlich nicht geregelte Fälle grundsätzlich nicht zulässig ist (LM ZPO § 528 Nr. 19, 20; Senatsurteil vom 16. Dezember 1981 - IVa ZR 282/80 = NJW 1982, 1533; ebenso BVerfGE 59, 330, 334). Dementsprechend muß der Richter seine Verfahrensführung darauf ausrichten, daß es der Rechtsordnung im ganzen nur um sowohl gerechte als auch schleunige Entscheidungen (vgl. BGHZ 77, 306, 308) gehen kann.

Geraten beide Zielsetzungen miteinander in Konflikt und kann der Richter dem nicht ausweichen, dann stellt sich die in der Rechtsprechung bisher kaum behandelte Frage nach dem verfassungsrechtlichen Rang beider Güter, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen (Art. 20 GG) Übermaßverbot (vgl. BGHZ 76, 173, 178 einerseits und Senatsurteil NJW 1982, 1533 andererseits; aus dem Schrifttum vgl. z.B. Leipold ZZP 93 (1980), 237, 242 ff.).

3.

Unabhängig davon, wie die angedeutete Frage nach dem Vorrang der genannten Prozeßziele zu entscheiden sein wird, zeigt schon allein die verfassungsrechtliche Dimension des Problems, daß und warum die ordentlichen Gerichte darauf bedacht sein müssen, die sachgerechte Entscheidung eines Streitfalles nur in Grenzen an Fristversäumnissen scheitern zu lassen (vgl. auch BVerfGE 55, 72, 85). So legt die höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Anwendung der Präklusionsvorshriften besonderen Wert auf den Gesichtspunkt der Rechtsklarheit (BGHZ 76, 236, 239 f.; Urteil vom 7. Juli 1980 - II ZR 233/79 - WM 1980, 1191; Urteil vom 9. März 1981 - VIII ZR 38/80 - LM ZPO § 296 Nr. 11) und läßt auch z.B. bei der Verwendung irreführender Ladungsformulare (OLG Oldenburg NJW 1980, 295) oder bei einem Verstoß gegen die aus § 277 Abs. 2 ZPO folgende Belehrungspflicht (OLG Düsseldorf NJW 1978, 2203) eine Ausschließung von Parteivorbringen gemäß § 296 Abs. 1 ZPO nicht zu, Das Bundesverfassungsgericht hat diese Tendenz der Rechtsprechung ausdrücklich gebilligt (BVerfGE 59, 330). Es hat auch seinerseits wiederholt in diesem Sinne in die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte eingegriffen (vgl. z.B. BVerfGE 36, 92, 97; 51, 188; 54, 117; 59, 330; Beschluß vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 1379/80 - NJW 1982, 1453). Dabei hat es sogar ausgesprochen, daß bei mehreren möglichen Auslegungen einer Präklusionsvorschrift im Zweifel diejenige zu wählen ist, die der Grundrechtsnorm (hier Art. 103 Abs. 1 GG) - nach Art einer benigna interpretatio - die stärkste Wirkung verleiht (BVerfGE 59, 330, 334).

4.

Dieser Linie ist zu folgen. Deshalb hat das Oberlandesgericht München recht, an die Belehrung, die dem Beklagten gemäß § 277 Abs. 2 ZPO bei der Fristsetzung gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erteilen ist, hohe Anforderungen zu stellen. In der Tat ist es verfassungsrechtlich nicht vertretbar, den Beklagten der harten Sanktion des § 296 Abs. 1 ZPO auszusetzen, wenn ihm nicht gleichzeitig gemäß § 277 Abs. 2 ZPO klar gemacht wird, welcher Nachteil ihm bei Nichteinhaltung der gesetzten Frist bevorsteht. Davon hängt die Wirksamkeit der Fristsetzung ab (vgl. auch BVerfG NJW 1982, 1453, 1454). Zutreffend hebt das Berufungsgericht auch hervor, daß es hier nicht damit getan ist, dem Beklagten formularmäßig lediglich den Wortlaut des § 296 Abs. 1 ZPO mitzuteilen. Die abstrakte Sprache des Gesetzes ist dem juristisch nicht vorgebildeten Bürger, um den es hier geht, erfahrungsgemäß oft nur schwer verständlich. Das zeigt auch der vorliegende Fall. Sinn der in § 277 Abs. 2 ZPO angeordneten Belehrung ist es mindestens, dem Beklagten sinnfällig vor Augen zu führen und ihm völlig klar zu machen, daß er sich gegen die Klage grundsätzlich nur innerhalb der gesetzten Frist verteidigen kann, daß ihm bei Versäumung dieser Frist im allgemeinen jegliche Verteidigung abgeschnitten und er den Prozeß vollständig verlieren wird. Daß die Beklagte die ihr gesetzte Frist auch dann versäumt und sich nicht wenigstens ausreichend entschuldigt haben würde, wenn ihr die prekäre prozessuale Lage, in der sie sich befand, solchermaßen klar gemacht worden wäre, ist nicht ersichtlich und auch wenig wahrscheinlich.

Die Verfahrensrüge, die die Revision in diesem Zusammenhang erhoben hat, hat der Senat geprüft; sie ist jedoch nicht begründet (§ 565 a ZPO).

III.

Unter diesen Umständen ist die Revision des Klägers zurückzuweisen, ohne daß es darauf ankommt, ob auch die übrigen Bedenken des Berufungsgerichts gegen die Wirksamkeit der der Beklagten gesetzten Frist durchgreifen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018826

BGHZ 86, 218 - 226

BGHZ, 218

NJW 1983, 822-824 (Volltext mit amtl. LS)

ZIP 1983, 364

ZIP 1983, 364-366

MDR 1983, 383-384 (Volltext mit amtl. LS)

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