Gesetzestext

 

Steht der Aufnahme des Beweises ein Hindernis von ungewisser Dauer entgegen, so ist durch Beschluss eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablauf das Beweismittel nur benutzt werden kann, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts dadurch das Verfahren nicht verzögert wird.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Mit der Möglichkeit der Fristsetzung soll verhindert werden, dass das Verfahren auf unabsehbare Zeit hinausgezögert wird, was bei Beweisangeboten droht, deren Erledigung nicht sicher behebbare oder wegfallende Hindernisse entgegenstehen. Andererseits können der beweisführenden Partei dadurch entscheidungserhebliche Beweise genommen werden. Dies berührt ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Bei der Auslegung der im Grundsatz verfassungsgemäßen Vorschrift ist deshalb das Spannungsverhältnis zum Grundrecht auf rechtliches Gehör zu beachten, nach dem den Parteien jedenfalls ausreichend Gelegenheit zu geben ist, zur Sache vorzutragen (BVerfG NJW 85, 3005; NJW-RR 94, 700 [BVerfG 19.01.1994 - 1 BvR 1919/92]).

B. Voraussetzungen.

I. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

Die Bestimmung ist grds auch in Verfahren mit Amtsermittlung anwendbar (Hamm FamRZ 03, 616, 617; anders bei reiner Amtstätigkeit etwa des Vollstreckungsgerichts in nicht kontradiktorischen Verfahren, zB der Wertfestsetzung im Zwangsversteigerungsverfahren, BGH NJW-RR 18, 201 [BGH 24.11.2017 - LwZR 5/16] Rz 13) und betrifft grds alle Beweismittel. Für die Vorlage von Augenscheinsobjekten, die sich im Besitz Dritter befinden, oder Urkunden gehen aber §§ 371 II, 429 und § 431 in ihrem Anwendungsbereich als Spezialvorschriften vor. Können die beweisbedürftigen Tatsachen mittels einer gleichwertigen anderen Beweismöglichkeit festgestellt werden, ist diese zu wählen. Bspw muss bei Verhinderung eines SV ein anderer beauftragt werden (BGH NJW 72, 1133, 1134 [BGH 01.02.1972 - VI ZR 134/70]; s.a. NJW 07, 2122 [BGH 20.03.2007 - VI ZR 254/05]). Ehe das Gericht die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlässt, weil sich kein geeigneter SV habe finden lassen, muss es alle bekannten Erkenntnisquellen ausschöpfen und sein Vorgehen im Urteil dokumentieren. Namentlich muss es bei den einschlägigen Kammern, Berufsverbänden oder Instituten nachfragen und die Parteien um die Benennung geeigneter SV bitten (BGH NJW 17, 2354 Rz 13 m Anm Huber). Entsprechend wird das Gericht bei Augenscheinsobjekten oder Urkunden, die sich im Besitz Dritter befinden, eine Vorlageanordnung gem §§ 142 I 2, 144 I 2 zu erwägen haben, § 273 II Nr 5. Selbst wenn § 356 für den angeforderten Auslagenvorschuss nicht vollständig durch § 379 verdrängt würde (so Zö/Greger Rz 2, Musielak/Voit/Stadler Rz 4; offengelassen in BGH GrundE 16, 1207 Rz 19), ist jedenfalls keine weitere Fristsetzung nach § 356 erforderlich, wenn die nach § 379 angeordnete Frist versäumt wurde (BGH NJW 98, 761, 762 [BGH 27.11.1997 - III ZR 246/96]; BVerfG NJW-RR 04, 1150, 1151 [BVerfG 08.04.2004 - 2 BvR 743/03]; aA Schneider ZZP 76, 188, 192f). Das Gericht kann die Beweiserhebung deshalb verweigern, sofern die Voraussetzungen des § 296 II vorliegen (BGH GrundE 16, 1207 Rz 11; § 379 Rn 9). Der BGH (NJW-RR 88, 1405; NJW 94, 587, 588 [BGH 15.10.1993 - V ZR 19/92]) lässt eine Fristsetzung entspr § 356 auch zu, wenn die zu beweisende Tatsache – etwa die Höhe einer Entschädigungsforderung – kraft einer Schiedsvereinbarung durch ein Schiedsgutachten festgestellt werden soll, dieses aber noch nicht vorliegt. Die Gegenauffassung, nach der die Klage als derzeit unbegründet oder unzulässig abzuweisen ist, weil sie den Zweck der Schiedsabrede, einen Rechtsstreit zu vermeiden, in Frage stelle (etwa MüKoZPO/Heinrich Rz 9 mwN) übersieht, dass der Gegner dadurch keinen Nachteil erleidet: Eine spätere Klage bleibt trotz sofortiger Klagabweisung möglich (St/J/Berger Rz 3).

II. Zulässiger und erheblicher Beweisantrag.

 

Rn 3

Der Beweisantrag darf nicht schon gem §§ 282, 296 verspätet sein. Die unter Beweis gestellte Tatsache muss auch für die Entscheidung erheblich sein bzw eines Beweises bedürfen. Außerdem darf kein Verwertungsverbot entgegenstehen. In diesen Fällen ist eine weitere Verzögerung der Entscheidung nicht gerechtfertigt.

III. Hindernis.

 

Rn 4

Es muss sich um ein für die beweisführende Partei behebbares Hindernis handeln. Ist das Beweismittel auf Dauer unerreichbar, wäre eine Fristsetzung und weiteres Zuwarten nutzlos. Der Beweisantrag kann dann wegen Nichterreichbarkeit zurückgewiesen werden (§ 284 Rn 49). Steht die Nichterreichbarkeit nicht von vornherein fest, wird das Gericht in der Regel die beweisführende Partei auf seine Bedenken hinweisen müssen, damit diese zur Behebbarkeit der hindernden Umstände und dem hierfür notwendigen Zeitraum vortragen kann. Steht dagegen fest, wann das Hindernis behoben sein wird, ist eine Fristsetzung ebenfalls nicht zielführend. Das Gericht muss vielmehr entscheiden, ob ein Zuwarten bis zum Wegfall des Hindernisses für den Prozessgegner zumutbar ist. Ist dies der Fall, hat es den Beweis frühestmöglich zu erheben. Anderenfalls ist der Beweisantrag wegen Unerreichbarkeit des Beweismittels abzulehnen.

 

Rn 5

Ein Versch...

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