Leitsatz (amtlich)

›Das tatsächliche Vorbringen einer Partei kann nicht deshalb als verspätet zurückgewiesen werden, weil diese es nicht innerhalb der in § 132 ZPO bestimmten Frist schriftsätzlich angekündigt hat.‹

 

Verfahrensgang

LG München I

OLG München

 

Tatbestand

Der Kläger leitete von 1972 bis 1980 die Niederlassung der X-Lebensversicherungsgesellschaftaft AG (X) in M. als Filialdirektor. In der Mitte der 7Oer Jahre kam der Beklagte als freiberuflicher Mitarbeiter hinzu. Er baute in der Folgezeit eine eigene Vertriebsorganisation auf, die er unter der Firma V GmbH in M. und deren Zweigniederlassung in A., N. und S. zusammenfaßte, und die für die X immer größere Umsätze machte (im August 1979 brachte die Organisation des Beklagten der X Neugeschäfte in der Größenordnung von rund 56.000.000 DM).

Im September 1979 kündigte die X fristlos das Agenturverhältnis mit dem Beklagten. Auf dessen Widerspruch gegen die Kündigung kam es am 17./18. Oktober 1979 zu einer Vereinbarung zwischen der X und dem Beklagten, durch welche die Kündigung aufgehoben und die vertraglichen Beziehungen neu gestaltet wurden. Ab November 1979 bemühte sich der Kläger, ein anderes Versicherungsunternehmen für die Organisation des Beklagten zu interessieren. Im Dezember 1979 ergab sich, daß die Y-Lebensversicherung (Y) zu einer Zusammenarbeit mit dem Beklagten bereit sei. Für die Zuführung seiner Organisation zur Y versprach der Beklagte dem Kläger im Dezember 1979 mündlich, eine Provision von 2%o aus dem policierten Lebensversicherungsneugeschäft zu bezahlen.

Am 10. Januar 1980 vereinbarte der Beklagte mit der X die Beendigung des aktiven Vermittlungsverhältnisses zum 15. April 1980. Unter Ziffer 5 dieser Vereinbarung erklärte sich die X damit einverstanden, daß der Beklagte mit sofortiger Wirkung im Bereich ... an weitere Lebensversicherungsunternehmen Lebensversicherungsgeschäfte vermittelt. Bezüglich anderer Gebiete bestanden ohnehin keine Einschränkungen.

Dem Kläger kündigte die X mit Schreiben vom 6. März 1980 fristlos, weil er versucht hatte, einen ihrer Mitarbeiter zum Ausscheiden aus der Gesellschaft zu veranlassen.

Durch eine erfolgreiche Feststellungsklage erreichte der Kläger zunächst die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der X. Er wechselte jedoch dann zur Y.

Am 16. März 1980 wurden die vertraglichen Beziehungen des Beklagten zur Y, die der Kläger hergestellt hatte, schriftlich geregelt. Dabei wurden die Vermittler der V GmbH auf mehrere neugegrundete Gesellschaften verteilt. Die V-GmbH war ab Ende März 1980 werbend nicht mehr tätig. Um dem Beklagten die Fortbeherrschung seines Vermittlerstabes zu sichern, wurden diese sogenannten Nachfolgegesellschaften durch Sonder- und Treuhandvereinbarungen mit dem Beklagten und den von ihm beherrschten Gesellschaften verknüpt. Die Firmen S. GmbH, Fo. GmbH und Vo. GmbH stellten im Verlauf des Jahres 1981 ihre Vermittlungstätigkeiten ein. Neu gegründet wurde auch eine Firma A. GmbH, auf die der Beklagte beherrschenden Einfluß hatte.

Am 3. September 1980 trafen die Parteien schriftlich folgende Vereinbarung:

"Im Dezember 1979 wurde zwischen Herrn K. (Beklagten) und Herrn F. (Kläger) folgendes vereinbart:

Für die Zuführung der V GmbH bzw. Nachfolgegesellschaften, in die die Mitarbeiter der V GmbH integriert worden sind, zur Y erhält Herr F. eine Provision in Höhe von 2%o aus dem policierten Lebensversicherungsneugeschäft.

Diese Zuführung ist inzwischen vollzogen, die Mitarbeiter wurde in der Geschäftsstelle 146 der Y zusammengefaßt. Aufgrund der in der Anlaufphase sehr ungünstigen Kostenentwicklung der Geschäftsstelle 146 hat Herr F. vorübergehend auf einen Teil der ihm zustehenden Superprovision verzichtet. Herr F. erhält z. Zt. 1%o aus dem policierten Neugeschäft.

Herr K. und Herr F. haben sich daraufhin geeinigt, daß spätestens ab 1. April 1982 Herr F. die ihm zustehenden 2%o für die Zukunft erhalten soll. Herr F. ist bestrebt, die Superprovision möglichst ab diesem Zeitpunkt von der Y direkt zu erhalten, ohne daß die 40%o der Geschäftsstelle 146 reduziert werden müssen.

Eine zeitgemäße Veränderung dieser Konditionen ist frühestens nach drei Jahren möglich und hat mit einer Frist von sechs Monaten zum jeweiligen Abrechnungsjahresende schriftlich zu erfolgen (1. April 1985). Abrechnung erfolgt monatlich."

Im Mai 1981 sah sich der Beklagte dazu veranlaßt, seinen unmittelbaren Einfluß auf die Nachfolge-Gesellschaften C. GmbH, Co. GmbH und M. GmbH aufzugeben. Er verkaufte diese Firmen mit Verträgen vom 29. Mai 1981 an die jeweiligen früheren Verkaufsleiter. Es wurde ein umfangreiches Vertragssystem aufgebaut mit sog. Grundlagen- und Beratungsverträgen. Vereinbart wurde die Bezahlung eines sog. Beratungshonorars an die vom Beklagten noch direkt beherrschte A. GmbH in Höhe von 5%o der von der jeweiligen Gesellschaft erbrachten Umsätze bis zum 30. Juni 1985. Dieses Beratungshonorar stellte die eigentliche Gegenleistung an den Beklagten für die Überlassung der Unternehmen dar. Bei der Ausgestaltung dieser Verträge, die zum 10. Juni 1981 wirksam wurden, hatte der Kläger mitgewirkt. Er hatte sich u.a. auch dafür eingesetzt, daß der Beklagte von seiner ursprünglichen Forderung nach einer sofortigen Bezahlung einer Abgeltung abgegangen war und sich mit einer nach monatlichen Abrechnungen bis zum 30. Juni 1985 zu leistenden Abfindung zufrieden gab.

Als weitere Vertriebgruppen wurden von früheren Mitarbeitern des Beklagten nach dem 3. März 1980 mehrere Gesellschaften mit beschränkter Haftung neu gegründet. Mit diesen Firmen schloß die A. GmbH Beratungsverträge mit den gleichen Bedingungen wie mit den vorher gegründeten Nachfolgegesellschaften ab. Alle aufgeführten Vertriebsgesellschaften wurden bei der Y nunmehr unter der Geschäftsstellenbezeichnung 126 zusammengefaßt; die frühere Bezeichnung 146 wurde nicht mehr fortgeführt.

Der Kläger ist über die von ihm gegründete V GmbH selbst im Vermittlungsgeschäft für die Y tätig. Insoweit ist eine Provision von mindestens 40%o vereinbart. Aufgrund einer vom 5. November 1981 datierenden Vereinbarung erhält der Kläger über die genannte Gesellschaft aus dem Versicherungs-Neugeschäft der Geschäftsstelle 126 von der Y mindestens 1%o Provision.

Für den Zeitraum bis zum 1. Juni 1981 erstellte der Beklagte eine Abrechnung unter dem 10. März 1982, die insbesondere auch die bis zu dem genannten Zeitpunkt angefallenen Provisionsansprüche betraf. Das danach errechnete Guthaben des Klägers in Höhe von 33.883,84 DM bezahlte der Beklagte. Mit der Klage hatte der Kläger 2%o Provision aus den von der Organisation des Beklagten nach seiner Darstellung der Y beigebrachten Umsätzen für die Zeit vom 1. Juni 1981 bis 1. April 1985 geltend gemacht und zwar teils in Form eines Zahlungs-, teils in Form eines Feststellungsantrags.

Hiervon hat das Landgericht einen Teilbetrag von 166.136,37 DM (1%o der Umsätze aus der Zeit vom 1. Juni 1981 bis 31. März 1982) durch Teilurteil rechtskräftig abgewiesen. Der Kläger begehrte daraufhin nur noch 1%o aus den Umsätzen vom 1. Juni 1981 bis 31. März 1982, die er mit 93.549.955,75 DM bezifferte, und 2%o aus den Umsätzen vom 1. April 1982 bis 31. August 1982, die er mit 46.705.738,62 DM angab, insgesamt also die Zahlung von 317.882, 37 DM nebst Zinsen, ferner die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihm aus dem neupolicierten Lebensversicherungsgeschäft bei der Y, das dieser über die Geschäftsstelle 146 bzw. 126 vermittelt wurde, 2%o zu bezahlen.

Der Beklagte hält die Provisionsvereinbarung für sittenwidrig. Er meint, daß auf jeden Fall die Provisionspflicht in dem Zeitpunkt geendet habe, in dem er seine Gesellschaften verkauft habe. Im übrigen behauptet er, daß der Kläger von Y eine Provision von 2%o auf die Geschäfte erhalte, für die er von ihm, dem Beklagten, Provision verlange.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 88.813,35 DM nebst 4% Zinsen hieraus seit 4. Januar 1983 an den Kläger verurteilt. Es stellte ferner fest, daß der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger ab 1. September 1982 bis 1. April 1985 ein Promille aus dem im Antrag des Klägers bezeichneten Lebensversicherungsneugeschäft zu zahlen, und daß unter diesem der erzielte Bruttoumsatz bei der Y der Geschäftsstelle 146/126 abzüglich abschlußprovisionsrückbelastungspflichtiger Storni auf der Basis der jeweiligen provisionspflichtigen Versicherungssumme zu verstehen sei. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Soweit der Kläger ursprünglich Feststellung der Provisionszahlungspflicht beantragt hatte, ist er in der Berufungsinstanz zur Leistungsklage übergegangen; er hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 1.871.966,85 DM (nebst Zinsen) über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus begehrt. Der Beklagte hat Widerklage erhoben und mit ihr die Rückzahlung der 22.863,25 DM gefordert, die er dem Kläger als Provision gezahlt hatte; bei dieser Zahlung sei ihm, dem Beklagten, noch nicht bekannt gewesen, daß der Kläger von der Y Provision erhalte.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, ihn mit seiner Widerklage abgewiesen und auf die Berufung des Klägers der Zahlungsklage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seine früheren Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hält die unstreitig zwischen den Parteien zustandegekommene Provisionsvereinbarung nicht für nichtig. Dem Senat erscheint diese rechtliche Beurteilung im Ergebnis zutreffend, auch wenn er sich der dafür im Berufungsurteil gegebenen Begründung nicht in allen Punkten anschließen kann.

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß ein Vertrag nicht schon deshalb sittenwidrig ist, weil durch dessen Abschluß eine der beiden Parteien die ihr gegenüber einem Dritten obliegenden vertraglichen Verpflichtungen verletzt. Es hat auch nicht verkannt, daß diese Regel nicht ausnahmslos gilt, daß sie insbesondere auf sog. treubruchfördernde Geschäfte keine Anwendung findet. In Rechtsprechung und Schriftum ist anerkannt, daß Rechtsgeschäfte, die im bewußten und gewollten Zusammenwirken zu Umgehung oder Schädigung fremder schuldrechtlicher oder dinglicher Rechte vorgenommen werden, nach § 138 BGB nichtig sind (Krüger-Nieland/Zöller in BGB-RGRK 12. Aufl. § 138 Rdn. 183 m.w.N.).

Das Berufungsgericht bemerkt auch mit Recht, daß die Schranken der guten Sitten überschritten werden, wenn eine Abrede darauf gerichtet ist, jemand zum Vertragsbruch anzuhalten (im Anschluß an Dilcher bei Staudinger BGB 12. Aufl. § 138 Rdn. 53). Ob es diesen Grundsatz auf den vorliegenden Sachverhalt richtig angewandt hat, erscheint zweifelhaft.

Es meint zunächst, daß durch die zwischen den Parteien getroffene Provisionsvereinbarung der Kläger nicht zu einer Vertragsverletzung für die X veranlaßt, sondern für eine bereits in der Vergangenheit liegende Vermittlungstätigkeit entlohnt wurde. Hierbei übersieht das Berufungsgericht, daß die Provisionsvereinbarung nicht erst am 3. September 1980, sondern bereits im Dezember 1979 getroffen wurde. Die Verhandlungen über die Zuführung der Organisation des Beklagten an die Y haben jedoch erst im Dezember 1979 stattgefunden; daß sie bereits abgeschlossen gewesen wären, als der Beklagte im Dezember 1979 sein mündliches Provisionsversprechen abgab, ist den Umständen nach unwahrscheinlich, wird von keiner der Parteien behauptet und auch vom Berufungsgericht nicht festgestellt.

Das Berufungsgericht verweist weiterhin darauf, daß die X das Vertragsverhältnis mit dem Beklagten bereits im September 1979 gekündigt habe. Dieser Hinweis geht schon deshalb fehl, weil diese Kündigung unstreitig im beiderseitigen Einvernehmen wieder rückgängig gemacht wurde. Im übrigen trägt der Kläger selbst vor, daß diese Kündigung damals ausgesprochen wurde, weil die X davon ausging, daß der Beklagte keine andere Lebensversicherungsgesellschaft finden würde, die bereit wäre, seine Organisation in Dienst zu nehmen; sie hoffte, daß sie durch die Kündigung zwar den Beklagten loswerden würde, daß aber dessen Mitarbeiter gezwungen wären, weiterhin für sie, die X, zu arbeiten (Klageschrift S. 9 -Bl. 9 d. A. - i.V. mit dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils S. 9 Abs. 3 und dem des Berufungsurteils S. 19 Abs. 4). Wenn dem aber so war, dann entsprach das Verhalten des Klägers im Dezember 1979 nicht den Interessen seiner Arbeitgeberin; es war vielmehr geeignet, deren Absichten zu durchkreuzen.

Der Umstand, daß die X den Beklagten am 10. Januar 1980 aus seinen vertraglichen Verpflichtungen entlassen und ihm ausdrücklich eine sofortige Tätigkeit für ein anderes Versicherungsunternehmen gestattet hatte, durfte bei der Prüfung des Verhaltens der Parteien im Dezember 1979 nicht berücksichtigt werden; ob ein Vertrag sittenwidrig ist, ist aufgrund der Sachlage zu beurteilen, die beim Abschluß des Vertrages bestanden hat (vgl. Jauernig BGB 4. Aufl. § 138 Anm. lc aa; Krüger/Nieland/Zöller BGB-RGRK 12. Aufl. § 138 Rdn 24; Dilcher bei Staudinger 12. Aufl. § 138 Rdn 18; Heinrichs bei Palandt BGB 47. Aufl. § 138 Anm. ld; vgl. auch BGHZ 7, 111; 20, 71).

2. Einer abschließenden Entscheidung dieses Punktes bedarf es jedoch nicht; denn die Parteien haben jedenfalls nach Wegfall der möglicherweise die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände ihre Provisionsvereinbarung in rechtswirksamer Weise bestätigt.

Wie sich aus § 141 BGB ergibt, kann ein nichtiges Rechtsgeschäft von den Beteiligten bestätigt werden. Die Bestätigung ist als Neuvornahme zu beurteilen; sie ist rechtswirksam, wenn dem bestätigenden Rechtsgeschäft der Mangel, der zur Nichtigkeit der ursprünglichen Vereinbarung geführt hat, nicht mehr anhaftet. Eine Bestätigung ist auch bei Rechtsgeschäften möglich, die nach § 138 BGB nichtig sind; sie ist jedoch nur dann wirksam, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Bestätigung vorgenommen wird, die Umstände, die das ursprüngliche Geschäft sittenwidrig erscheinen ließen, nicht mehr vorliegen (BGHZ 60, 102, 108; BGH Urteil vom 6. Mai 1982 - III ZR 11/81 - NJW 1982, 1981). In diesem Zusammenhang kommt dem vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand, daß die X den Beklagten am 10. Januar 1980 nicht nur aus seinen vertraglichen Verpflichtungen entlassen, sondern ihm ausdrücklich eine sofortige Tätigkeit für ein anderes Versicherungsunternehmen gestattet hatte, Bedeutung zu. Nach Ziffer 1 dieser Vereinbarung sollte sich der Beklagte bemühen, "umgehend das Volumen des von ihm an die X vermittelten Geschäfts deutlich zu reduzieren bzw. auslaufen zu lassen". Diese Formulierung zeigt, daß die X kein Interesse an der Vermittlung von weiteren Lebensversicherungsverträgen durch die Organisation des Beklagten hatte, sondern Wert darauf legte, daß der Beklagte seine Vermittlungstätigkeit für sie reduzierte und möglichst bald einstellte. Bei rückschauender Betrachtung konnten daher die Parteien am 3. September 1980 davon ausgehen, daß die Zuführung der Organisation des Beklagten objektiv keine so schwerwiegende Verletzung der vertraglichen Treuepflicht des Klägers enthielt, wie dies im Dezember 1979 den Anschein haben mußte. Mit der Bestätigung eines Rechtsgeschäfts kann seine Abänderung verbunden werden (BHGZ 7, 161, 163; BGH Urteil vom 6. Mai 1982 - III ZR 11/81 - NJW 1982, 1981); die Annahme, daß die Parteien am 3. September 1980 die im Dezember 1979 getroffene Vereinbarung bestätigt hatten, wird also nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie in der zweiten Vereinbarung den Provisionssatz für einen bestimmten Zeitraum reduzierten.

II. Das Berufungsurteil muß jedoch aus einem anderen Grund aufgehoben werden.

1. Nach Absatz 4 Satz 2 der Vereinbarung vom 3. September 1980 wollte der Kläger sich bemühen, "die Superprovision möglichst ab diesem Zeitpunkt (1. April 1982) von der Y direkt zu erhalten, ohne daß die 40%o der Geschäftsstelle 146 reduziert werden müssen". Daß die Provisionspflicht des Beklagten entfallen soll, soweit die Bemühungen des Klägers um Zahlung einer Superprovision durch die Y Erfolg haben, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, ist aber nach dem Zusammenhang offensichtlich; in diesem Sinne wird die Vereinbarung auch von beiden Parteien und dem Tatrichter verstanden. Streit herrscht lediglich darüber, ob die Zahlungen, die die Y an eine vom Kläger beherrschte Gesellschaft leistet, als Superprovision im Sinne der Vereinbarung vom. 3. September 1980 anzusehen sind.

Den auf diese Vertragsbestimmung gestützten Einwand hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts (Berufungsurteil S. 44 Mitte) schlüssig begründet.

Bereits in der Klageerwiderungsschrift (S. 20, Bl. 44 d. A.) hatte er sich darauf berufen, daß der Klageanspruch schon deshalb unbegründet sei, weil der Kläger direkt von der Y eine Provision von 2%o erhalte; erläuternd bemerkte er dazu, daß der Kläger in "Abs. 3 Satz 2" (gemeint ist offenbar: Abs. 4 Satz 2) des Textes vom 3. September 1980 erklärt habe, daß er bestrebt sei, die "gegenständliche Superprovision" direkt von der Y zu erhalten. Damit wollte der Beklagte ersichtlich behaupten, der Kläger erhalte von der Y die "Superprovision", um die er sich nach Abs. 4 Satz 2 der schriftlichen Vereinbarung bemühen wollte, d.h. also die Provision für die Zuführung der Organisation des Beklagten. In diesem Sinne ist sein Sachvortrag auch vom Kläger verstanden worden; er bemerkt in seinem Schriftsatz vom 1. April 1985 (S. 4, Bl. 376 der Akten), der Beklagte habe die Behauptung aufgestellt, "der Kläger erhielte die Zuführungsprovision von der Y-Lebensversicherung direkt". Das Landgericht war offenbar derselben Ansicht; denn es hat die Behauptung als schlüssig angesehen, über sie Beweis erhoben und die späteren Beweisantritte nicht als unerheblich behandelt, sondern lediglich als verspätet zurückgewiesen. Auch in der Berufungsinstanz hat der Beklagte an seinem Vorbringen festgehalten; er ist insbesondere ausdrücklich der Behauptung des Klägers entgegengetreten, die Beweisaufnahme hätte ergeben, daß eine Zuführungsprovision im Sinne der Vereinbarung vom 12/79 (3.9.1980) niemals bezahlt wurde (Schriftsatz vom 5. Juni 1985 S. 2 f., Bl. 410 f. der Akten). Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nicht behauptet, daß es sich bei den 2%o, die die Y nach seiner Sachdarstellung dem Kläger gezahlt haben soll, um eine Zuführungsprovision im Sinne der Vereinbarung vom 3. September 1980 gehandelt habe (Berufungsurteil S. 44, 1. Absatz a.E.), läßt sich daher mit dem Sach- und Streitstand, so wie er sich aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und den in ihm enthaltenen Verweisungen (§§ 314, 561 ZPO) ergibt, nicht vereinbaren.

2. Die Revision beanstandet mit Recht, daß das Berufungsgericht die zu diesem Beweisthema erstmals in der Berufungsbegründung benannten Zeugen K., B. und S. (S. 32, Bl. 352 der Akten) nicht gehört hat. Zu Unrecht stützt es sich dabei auf § 528 Abs. 3 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist eine Partei in der Berufungsinstanz nur mit solchen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ausgeschlossen, die im ersten Rechtszug zu Recht als verspätet zurückgewiesen worden sind. Die Behauptung, daß der Kläger von der Y eine Zuführungsprovision von 2%o erhalte, hatte jedoch der Beklagte rechtzeitig, nämlich in der Klageerwiderungsschrift, aufgestellt; sie ist auch vom Landgericht nicht zurückgewiesen, sondern bei der Entscheidung berücksichtigt worden. Als verspätet hat das Landgericht lediglich die im Schriftsatz vom 4. Juli 1984 unter Ziffer 6 (Bl. 189 f. der Akten) enthaltenen Beweisantritte angesehen. Nur diese Beweisantritte waren Gegenstand der Zurückweisung nach § 296 ZPO. Soweit der Beklagte in seiner Berufungsbegründung für die rechtzeitig aufgestellte Behauptung neue Zeugen benannte, war die Zulässigkeit dieses Beweisantritts nicht nach § 528 Abs. 3, sondern nach § 528 Abs. 1 ZPO zu beurteilen. Eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits wäre aber bei einer Erhebung der in der Berufungsbegründung angebotenen Beweise nicht zu befürchten gewesen: Der Rechtsstreit ist in dieser Instanz zunächst vor dem Einzelrichter in mehreren Terminen verhandelt worden, der auch durch Vernehmung anderer Zeugen Beweis erhoben hat. Es wäre unschwer möglich gewesen, zu dem im Beschluß vom 10. Februar 1986 anberaumten Beweistermin auch die drei in der Berufungsbegründung benannten Zeugen zu laden.

3. Die Revision macht auch mit Recht geltend, daß das Landgericht die im Schriftsatz vom 4. Juli 1984 enthaltenen Beweisantritte nicht gemäß § 296 Abs. 2 ZPO hätte zurückweisen dürfen. Diese Vorschrift setzt voraus, daß Angriffs- und Verteidigungsmittel entweder entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind. Ob das Landgericht einen Verstoß gegen § 282 Abs. 1 oder gegen § 282 Abs. 2 ZPO angenommen hat, ist aus seinem Urteil nicht zu entnehmen; auch das Oberlandesgericht spricht sich dazu nicht aus. Beides wäre fehlerhaft gewesen:

a) Ein Verstoß gegen § 282 Abs. 1 ZPO läge nur dann vor, wenn es dem Beklagten zur groben Nachlässigkeit gereichen würde, daß er die Beweisanträge nicht bereits in einer früheren Verhandlung - hier also im Termin vom 17. Februar 1983 - gestellt hatte. Das ist jedoch zu verneinen. Er hatte sich zum Beweis für seine Behauptung auf vier Zeugen, darunter den Vorstandsvorsitzenden und das zuständige Vorstandsmitglied der Y bezogen. Da die Übernahme der Organisation des Beklagten durch die Y für diese Gesellschaft ein bedeutsames Ereignis war, durfte der Beklagte davon ausgehen, daß die genannten Vorstandsmitglieder über die aus diesem Anlaß getroffenen Vereinbarungen unterrichtet waren und über sie am zuverlässigsten Auskunft geben konnten; tatsächlich hat ja auch der Zeuge Fe. bekundet, daß über die Provisionszahlungen an die vom Kläger beherrschte Gesellschaft im Vorstand der Y beraten wurde ( Aussage vom 13. März 1986 Bl. 617 d. A. Abs. 3 Satz 2). Es wäre deshalb prozeßwirtschaftlich wenig sinnvoll gewesen, wenn er darüber hinaus noch weitere sieben oder zehn Zeugen zum gleichen Thema benannt hätte. Auf jeden Fall kann ihm nicht der Vorwurf der groben Nachlässigkeit gemacht werden, wenn er aus den genannten Gründen versucht hat, zunächst den Umfang der Beweisaufnahme zu diesem Thema zu beschränken. Daß die Beweisfrage vom Vorstandsvorsitzenden überhaupt nicht und vom anderen Vorstandsmitglied nur unvollkommen beantwortet werden konnte, konnte er nicht voraussehen.

b) Die Angriffs- und Verteidigungsmittel können nach § 296 Abs. 2 ZPO auch dann zurückgewiesen werden, wenn sie zwar in der mündlichen Verhandlung rechtzeitig vorgebracht, entgegen § 282 Abs. 2 ZPO aber nicht rechtzeitig angekündigt waren. Voraussetzung der Zurückweisung ist demnach eine Verletzung des § 282 Abs. 2 ZPO; die bloße Nichteinhaltung der Schriftsatzfrist, also ein Verstoß gegen § 132 ZPO, genügt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht. § 282 Abs. 2 ZPO verlangt, daß Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann,vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitgeteilt werden, daß der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Diese Vorschrift hat vor allem Bedeutung für neue Tatsachenbehauptungen. Auf diese hat sich der Gegner gemäß § 138 ZPO substantiiert und der Wahrheit gemäß zu erklären. Hierzu wird vielfach nicht nur eine Rückfrage des Anwalts beim Mandanten, sondern auch eine Erkundigung an dritter Stelle erforderlich sein. Anders ist es dagegen, wenn für eine bereits früher aufgestellte und streitig gewordene Behauptung neue Beweise angeboten werden. Diese sind, soweit sie eine materiell-rechtlich erhebliche Behauptung betreffen und keine prozessualen Hindernisse entgegenstehen, auch dann zu erheben, wenn der Gegner sein Bestreiten nicht wiederholt. Ausnahmen von dieser Regel sind denkbar. Im vorliegenden Fall ist es jedoch unerfindlich, welche Erkundigungen der Anwalt des Klägers noch einzuholen gehabt hätte. Zu der Frage, ob sein Mandant von der Y die in der Vereinbarung vom 3. September 1980 erwähnte Superprovision erhielt, hatte er bereits die erforderlichen Informationen erhalten und auch schriftsätzlich verwertet. Für den Klägervertreter konnte allenfalls Anlaß bestehen, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die neuen Beweisantritte verspätet waren; hierzu konnte er sich jedoch ohne vorherige Rückfrage beim Mandanten allein aufgrund seiner Handakten äußern und hat dies auch noch vor der mündlichen Verhandlung in seinem Schriftsatz vom 9. Februar 1984 getan. Daß noch weitere Erkundigungen erforderlich gewesen wären, wird von ihm nicht behauptet.

Daß neues Vorbringen so rechtzeitig schriftsätzlich anzukündigen sei, daß das Gericht noch vorbereitende Maßnahmen nach § 273 ZPO treffen könne, verlangt § 282 Abs. 2 ZPO nicht. Diese Gesetzesvorschrift geht auf den früheren § 272 ZPO zurück. Dessen Zweck war es, dem Gegner eine sachgemäße mündliche Verhandlung zu ermöglichen (vgl. Stein/Jonas/Schönke/Pohle ZPO 18. Aufl. § 272 Anm. II). Dagegen war es nicht der Sinn der Gesetzesvorschrift, dem Richter eine möglichst frühzeitige Kenntnis von dem beabsichtigten mündlichen Parteivortrag zu geben und ihm dadurch die Möglichkeit zu vorbereitenden Maßnahmen zu geben (die im Zeitpunkt des Erlasses des § 272 ZPO vom Gesetz noch nicht vorgesehen waren). Bei der Reform des Zivilprozeßrechts hat man diese Vorschrift sachlich unverändert gelassen. Auch nach der jetzigen Fassung dient die Vorschrift nicht dem Zweck, dem Richter die rechtzeitige Terminsvorbereitung zu ermöglichen (Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 282 Rdn. 27). Wenn das Gericht sicherstellen will, daß die Schriftsätze der Parteien bereits in einem Zeitpunkt bei Gericht eingehen, in dem noch die Ladung von Zeugen und andere vorbereitende Maßnahmen angeordnet werden können, bleibt ihm nur daher die Möglichkeit, gemäß den §§ 273 Abs. 2 Nr. 1, 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, 277 ZPO Fristen zu setzen.

III. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß die Provisionspflicht des Beklagten nicht durch den Firmenverkauf im Mai 1981 beendet worden sei. Auch insoweit ist sein Urteil durch materielle Rechtsfehler beeinflußt.

1. Nach dem Verständnis des Berufungsgerichts stellt die zwischen den Parteien getroffene Provisionsvereinbarung nicht auf eine andauernde Inhaberschaft des Beklagten an seinen Firmen, sondern auf das "Zustandekommen der aus der (ehemaligen) Geschäftsstelle 146 der Versicherungsgesellschaft beigebrachten Neugeschäfte" ab. Diese tatrichterliche Auslegung des Vertrages läßt keinen Rechtsfehler erkennen; ein solcher wird auch von der Revision nicht behauptet.

2. Das Berufungsgericht prüft mit Recht, ob die Veräußerung der Firmen zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage geführt hat. Es verneint diese Frage jedoch mit einer unzureichenden Begründung.

Nach seiner Auffassung baute zwar der Geschäftswille der Parteien auch darauf auf, daß sich der Vorteil, den der Beklagte durch die Zuführung zur Y erlangt hatte, in Form von eigenen Einnahmen über die Tätigkeit seiner Organisation niederschlug (Berufungsurteil S. 29 unten, S. 30 oben). Aus der Zuführung seiner Organisation zur Y habe er jedoch nicht nur dann Nutzen ziehen können, wenn er an den Erträgen der Umsätze in Form von Provisionszahlungen unmittelbar beteiligt gewesen sei; auch über einen Verkauf oder eine sonstige Umstrukturierung des gesellschaftlichen Verbundes habe er den Vorteil, der in der erreichten dauerhaften Beziehung zu einem Versicherungsunternehmen und in dem hierauf fußenden Fortbestand der von ihm aufgebauten Organisation bestand, verwirklichen können. Tatsächlich habe er nach dem 29. Mai 1981 Nutzen aus der Vermittlungstätigkeit des Klägers gezogen, und zwar dadurch, daß er über die A. GmbH langjährig in Form des sog. Beratungshonorars eine Umsatzbeteiligung bezog. Das Berufungsgericht stellt es also entscheidend darauf ab, ob der Beklagte auch nach Mai 1981 weiterhin Vorteile aus der Vermittlungstätigkeit des Klägers hatte. Gegen diesen gedanklichen Ansatz ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden.

Es ist jedoch nicht folgerichtig, wenn das Berufungsgericht es dann für unerheblich erklärt, ob die Einnahmen, die der Beklagte über die A. GmbH bezogen hat, ein angemessenes Äquivalent für den durch den Firmenverkauf entstandenen Verlust an direkten Provisionseinnahmen darstellen. Mangels gegenteiliger Feststellung des Berufungsgerichts muß für die Revisionsinstanz davon ausgegangen werden, daß die Bezüge, die der Beklagte über die A. GmbH erhält, nur geringfügig sind und in keinem Verhältnis zu den Provisionseinnahmen stehen, die er vorher aus dem unmittelbaren Vermittlungsgeschäft gezogen hat. Wenn man es aber entscheidend darauf abstellt, ob der Beklagte auch nach Mai 1981 Nutzen aus der Zuführung zur Y zog, dann kann eine Anpassung der Provisionsvereinbarung an die veränderten Umstände nicht nur dann geboten sein, wenn die erlangten Vorteile völlig wegfallen, sondern auch dann, wenn sie auf einen verhältnismäßig geringen Betrag zusammenschmelzen.

Die Revision beanstandet auch mit Recht die Ansicht des Berufungsgerichts, die weitere Entwicklung der vom Beklagten aufgebauten Verkaufsgruppe fiele "naturgemäß" in die Risikosphäre des Beklagten. Der Beklagte hatte dem Kläger keine feste Geldrente versprochen, sondern eine Provision, deren Höhe von dem Ergebnis der Vermittlungstätigkeit der Organisation des Beklagten - und damit indirekt von der Höhe der Einnahmen des Beklagten - abhängig war; die geschäftlichen Erfolge und Mißerfolge dieser Organisation mußten sich daher zwangsläufig auf die Höhe des Anspruchs des Klägers auswirken.

Das Berufungsgericht hätte daher tatrichterlich prüfen müssen, wie sich die Veräußerung der Gesellschaften auf die Einkommensverhältnisse des Beklagten ausgewirkt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992956

BB 1989, 658

NJW 1989, 716

BGHR BGB § 138 Abs. 1 Treubruchförderung 1

BGHR BGB § 141 Abs. 1 Sittenwidrigkeit 1

BGHR ZPO § 282 Abs. 2 Beweisantritt 1

BGHR ZPO § 296 Abs. 2 Beweisantritt 2

BGHR ZPO § 528 Abs. 3 Unanwendbarkeit 2

WM 1988, 1867

MDR 1989, 49

VersR 1989, 107

Warn 1988, 244

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