Keine IfSG-Entschädigung nach Quarantäne eines Arbeitnehmers

Muss ein Arbeitnehmer bei Corona-Verdacht auf behördliche Anordnung in die 14-tägige Quarantäne, zahlt der Arbeitgeber den Lohn i.d.R. fort. § 56 IfSG sieht eine Erstattung vor. Wenn es nach den Behörden und dem VG Koblenz geht, muss der Arbeitgeber aber nur entschädigt werden, wenn er § 616 BGB im Arbeitsvertrag abbedungen hat.

Quarantäne auf behördliche Anweisung

Der Sachverhalt ist übersichtlich und seit Beginn der Covid-19-Pandemie zu Hauf vorgekommen: Angestellte wurden aufgrund behördlicher Bescheide in die häusliche Absonderung geschickt, weil sie ansteckungsgefährdet waren (§ 30 IfSG). So auch eine Mitarbeiterin einer Bäckerei, die dort seit ca. 2 ½ Jahren beschäftigt war (3 K 107/21).

Erstattung der Lohnfortzahlung nach §§ 56 ff. IfSG beantragt

Nach den zwei Wochen Quarantäne ging die Angestellte wieder arbeiten. Der Arbeitgeber, der Lohnfortzahlung geleistet hatte, beantragte die Erstattung nach dem IfSG. Die Behörde stellte sich teilweise quer; sie zahlte erst ab dem 6. Tag und verwies wegen der ersten fünf Tage auf den Lohnanspruch nach § 616 BGB.

VG Koblenz lässt Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu

Um es gleich vorwegzuschicken: Die vor vom VG Koblenz zu Lasten des Arbeitgebers entschiedenen Rechtsfragen werden noch von höherer Stelle entschieden. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache wurde die Berufung zugelassen.

Lohnfortzahlungsansprüche gegenüber Arbeitgeber haben Vorrang vor Erstattung nach IfSG

Im Verhältnis zu § 616 BGB ist § 56 IfSG subsidiär, denn letzterer setzt den Verdienstausfall voraus. Sobald also andere Entgeltansprüche des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bestehen, gehen diese vor und tritt § 56 IfSG dahinter zurück.

Sind zwei Wochen Arbeitsverhinderung verhältnismäßig kurz oder lang?

Die Frage, um die sich alles dreht ist, ob es sich bei 14 Tagen Quarantäne um eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ i.S.v. § 616 BGB handelt. Dies wird heiß und kontrovers diskutiert. Zwischen wenigen Tagen bis sechs Wochen wird alles vertreten. Betroffen sind all die Arbeitgeber, die § 616 BGB in den Arbeitsverträgen mit ihren Mitarbeitern nicht abbedungen haben.

Über den Erstattungsanspruch ist einheitlich zu entscheiden

Die Frage kann nur hopp oder top beantwortet werden. So wie es die Behörde in diesem Fall getan hat, den Zeitraum aufzuteilen, die ersten fünf Tage nicht, dann aber doch zu zahlen, geht eigentlich nicht. Entweder die 14 Tage sind verhältnismäßig erheblich, dann müssen sie vollständig erstattet werden oder eben nicht, dann muss die Behörde gar nichts erstatten.

Erheblichkeit richtet sich danach, wie lange das Arbeitsverhältnis schon besteht

Das VG Koblenz stellt auf das Verhältnis zwischen Dauer des Arbeitsverhältnisses und Dauer der der Verhinderung ab. Bei einem mindestens ein Jahr bestehenden Beschäftigungsverhältnis hält es eine maximal zwei Wochen andauernde Arbeitsverhinderung noch für unerheblich. Diese Zeit der Lohnfortzahlung ohne Gegenleistung sei für den Arbeitgeber noch kalkulierbar.

Praxistipp für Arbeitgeber: § 616 BGB im Arbeitsvertrag abbedingen

Egal wie der Rechtsstreit am Ende ausgeht, eines ist aus Arbeitgebersicht klar: Die Abbedingung des § 616 BGB schützt vor Lohnzahlungen, für die es keine Gegenleistung gibt. Dies ist abzuwägen mit der Tatsache, dass dem finanziell meist schwächer gestellten Arbeitnehmer für diese Fälle Lohnausfall droht, ohne dass er die Situation persönlich steuern kann.

(VG Koblenz, Urteile v. 10.5.2021, 3 K 107/21 und 3 K 108/21).

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Schlagworte zum Thema:  Coronavirus, Arbeitgeber, Infektionsschutzgesetz