Talent Management: Die sieben Todsünden der Talente

Talent Manager sollen Talente zur Höchstleistung bringen. Doch sollten sie neben der Performance nicht auch die Persönlichkeit der gelobten Talente interessieren? Talent-Management-Experte Martin Claßen gibt in seiner heutigen Kolumne Stoff zum Nachdenken – für das neue Jahr.

Maik ist sein Name. Ich kenne ihn flüchtig. Da Sie ihn nicht kennen, möchte ich ihn kurz vorstellen: Maik ist Anfang 40. In seinem Unternehmen gilt er als Talent, eigentlich sogar als Star. Steht er doch seit Jahren mit Topwerten rechts oben in der Talent-Matrix:  rechts im "Performance Management", oben in der "Potential Evaluation".

Noch weiter nach oben soll Maiks künftiger Weg gehen. Viele sagen, sogar ganz nach oben. Nur einer stellt sich im Unternehmen dagegen, der Moralapostel. Der behauptet, Maik würde gegen sechs der sieben Todsünden verstoßen.

Moralapostolische Einzelmeinung zur Persönlichkeit des Talents

Maik fröne der Völlerei, meint der Moralapostel, würde das Arbeitsleben als Egozentrik ohne Rücksichtnahme verstehen. Maik weise Habsucht auf, könne niemals genug bekommen- an Geld, an Macht, an Status. Maik wäre voller Zorn, findet der Moralaposte. Er ließe die Mitarbeiter seine Launen überdeutlich spüren. Maik folge der Hoffart ; schwebe vor lauter Arroganz über dem Rest der Menschheit. Der Moralapostel denkt auch, Maik stecke voller Neid, mache die Leistungen anderer grundsätzlich schlecht. Maik sei unkeusch; was sich in der langen Liste von Geliebten neben seiner Familie zeige.

Lediglich Trägheit, die siebte Todsünde, konnte selbst der Moralapostel nicht in einen Vorwurf kleiden. Denn Maik rackerte für die Firma. Was sich überdeutlich in seinen glanzvollen Resultaten und beeindruckenden Kennzahlen zeigte. Und was ihm bei den jährlichen Beurteilungsrunden höchstes Lob eintrug. Und Bonus. Und Karriere. Und Prestige. Maik galt als Rollenmodell für die gesamte Organisation.

Mehr davon im der Talent-Matrix

Der erhobene Zeigefinger des Moralapostels und dessen Verweis auf Unternehmenswerte, Führungsleitbild und Vorbildfunktion hielten die Diskussion nur auf. Es war klar, die Firma würde infolge ambitionierter Wachstumspläne eigentlich noch viel mehr von Maiks Sorte benötigen. Der Bezug auf längst überholte katholische Normen sei – da war sich der Vorstand einig – nur hinderlich. Im Privatleben mag jeder gerne seinen eigenen Weg gehen, so der Tenor im Management Review, und katapultierte Maik erneut nach rechts oben.

Die Moral im Talent Management: Pustekuchen!

Diese Geschichte ist nicht wahr. Maik ist erfunden.

Hätten Sie, falls die Story doch real gewesen wäre, das "Happy End" gut gefunden? Zugegeben, sechs von sieben Todsünden wie im Fall Maik wirken ziemlich krass. Aber drei, vier, fünf davon gehen bei "High Performern" und "Top Potentials" vielerorts durch. Kann man gut finden. Oder auch nicht.

Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.