Wichtige BAG-Urteile im Jahr 2021

Auch im Jahr 2021 gab es wieder etliche Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, die für die tägliche Praxis von großer Bedeutung sind - sei es zum Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit, dem Betriebsrisiko bei Corona oder dem Beweiswert einer Krankmeldung nach bereits erfolgter Kündigung. Unsere Online-Redaktion hat einen Überblick über die wichtigsten Urteile des Jahres und ihre Auswirkungen zusammengestellt.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Rechtsprechungsjahr 2021 eine Reihe wichtiger Urteile gefällt, die für all diejenigen interessant sind, die sich täglich mit Personalthemen beschäftigen. Viele Entscheidungen gehen in ihrer Bedeutung weit über die entschiedenen Einzelfälle hinaus und haben hohe Relevanz für die Praxis. Das zeigt dieser Überblick.

Kein Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit Null

Fallen aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs mindernd zu berücksichtigen, so das BAG. Von der Kürzungsmöglichkeit werden sowohl der gesetzliche Mindesturlaub als auch der vertragliche Mehrurlaub erfasst, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021, Az. 9 AZR 225/21

Betriebsrisiko im Lockdown: Kein Entgelt für Minijobber

Wird von staatlicher Seite ein allgemeiner Lockdown zur Bekämpfung der Coronapandemie verfügt und ein Betrieb muss vorübergehend schließen, so trägt der Arbeitgeber nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Minijobbern, die keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, ihr Entgelt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs weiterzuzahlen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2021, Az. 5 AZR 211/21

Beweiswert einer Krankschreibung direkt nach der Kündigung

Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird anschließend noch am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, und zwar genau bis zum Ende der Kündigungsfrist, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. In einem solchen Fall darf der Arbeitgeber berechtigte Zweifel haben und es ist Sache des Arbeitnehmers, das tatsächliche Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021, Az. 5 AZR 149/21

Fahrradkuriere haben Anspruch auf Smartphone und Fahrrad

Fahrradlieferanten, die Speisen und Getränke ausliefern und ihre Aufträge über eine Smartphone-App erhalten, haben Anspruch darauf, von ihrem Arbeitgeber die für die Ausübung ihrer Tätigkeit essenziellen Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt zu bekommen. Zu stellen sind insbesondere ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein Mobiltelefon. Zwar kann der Arbeitgeber von diesem Grundsatz abweichende vertragliche Regelungen treffen, aber diese sind nur dann wirksam, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung des eigenen Fahrrads und des eigenen Mobiltelefons eine angemessene finanzielle Kompensation gewährt wird.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. November 2021, Az. 5 AZR 334/21

Anspruch auf Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte

Werden ausländische Pflegekräfte nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandt, um dort rund um die Uhr pflegebedürftige Senioren zu betreuen, dann haben sie nicht nur für die tatsächlich geleistete Vollarbeit Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, sondern auch für die Zeiten, in denen sie sich im Bereitschaftsdienst in dem Haushalt aufhalten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2021, Az. 5 AZR 505/20

Ersatz der Detektivkosten bei Compliance-Ermittlung

Ein Unternehmen hatte anonyme Hinweise zu unsauberen Geschäftspraktiken einer Führungskraft bekommen. Um die Sache aufzuklären, wurde eine Anwaltskanzlei engagiert, die den Mitarbeiter (Jahreseinkommen 450.000 Euro) überwachen ließ. Dem Mann konnten erhebliche Verfehlungen nachgewiesen werden, die Überwachung kostete 210.000 Euro. Zusammen mit dem Ausspruch der Kündigung verlangte das Unternehmen den Ersatz der Ermittlungskosten. Das BAG lehnte den Ersatz für die Kosten der Überwachungsmaßnahmen ab. Kostenerstattung ist nur möglich, wenn der konkrete Verdacht einer erheblichen Verfehlung besteht, dieser Verdacht sich später bestätigt und die aufgewendeten Kosten für die Ermittlungsmaßnahmen erforderlich waren. Letzteres konnte das Unternehmen nicht darlegen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. April 2021, Az. 8 AZR 276/20

Entgelttransparenz: Lohnungleichheit begründet Vermutung der Diskriminierung

Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, begründet ein niedrigeres Monatsentgelt als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. Entgelttransparenzgesetz mitgeteilte Vergleichsentgelt der männlichen Vergleichsperson regelmäßig die Vermutung, dass eine Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt. Es ist Sache des Arbeitgebers, diese Vermutung zu entkräften.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Januar 2021, Az. 8 AZR 488/19

Anforderungen an eine Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag

Eine Ausschlussklausel darf nicht übergreifend für alle Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag vereinbart werden. Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragspflichtverletzung müssen stets ausgenommen sein, sonst ist die Ausschlussklausel insgesamt unwirksam.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9. März 2021, Az. 9 AZR 323/20

Tariffähigkeit der Gewerkschaft DHV

Fehlt es einer Gewerkschaft an der erforderlichen Durchsetzungskraft in den von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereichen, dann ist sie keine tariffähige Arbeitnehmervereinigung. Deswegen ist die Berufsgewerkschaft DHV nicht tariffähig.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. Juni 2021, Az.1 ABR 28/20

Kein pauschaler Anspruch auf Erteilung einer Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Ein Arbeitnehmer hatte verlangt, dass ihm die vollständige E-Mail-Korrespondenz des Unternehmens vorgelegt wird, in der irgendwo sein Name auftaucht. Dies fand das BAG zu pauschal und wies die Klage wegen eines zu unbestimmten Klageantrags ab. Das höchste deutsche Arbeitsgericht hat dabei ausdrücklich festgestellt, dass sich der Auskunftsanspruch eines Arbeitnehmers nicht auf eine unbestimmte Anzahl von E-Mails beziehen kann. Damit ein Anspruch auf Vorlage bestimmter Unterlagen überhaupt in Betracht kommen kann, muss der Arbeitnehmer sein Auskunftsbegehren auf bestimmte Dokumente oder E-Mails konkretisieren. 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2021, Az. 2 AZR 342/20