Ersatzanspruch des Arbeitgebers für Ermittlungskosten

In arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen gilt – zumindest in der ersten Instanz – der Grundsatz, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, unabhängig davon, wie das Verfahren ausgeht. Darunter fällt auch das Tragen der eigenen Anwaltskosten. Das Bundesarbeitsgericht hatte zu prüfen, ob von diesem Grundsatz bei unternehmensinternen Compliance-Ermittlungen abgewichen werden kann.

Besteht ein Verdacht hinsichtlich konkreter Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers, sind Arbeitgeber häufig gezwungen, externe Spezialisten wie Detektive oder Rechtsanwälte zur Sachverhaltsaufklärung hinzuzuziehen. Gerade bei komplexen Angelegenheiten ist die Durchführung von Ermittlungen durch externe Berater häufig unabdingbar und zugleich kostspielig. Wird der Mitarbeiter einer Tat überführt, stellt sich die Frage, ob das Unternehmen Schadensersatz wegen der Ermittlungskosten beanspruchen kann.

Kostenerstattung bei Detektiveinsatz möglich

Es ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen einen wirksamen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer wegen der Kosten eines Detektiveinsatzes geltend machen kann (vgl. u.a. BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 547/09). Dies ist möglich, wenn das Unternehmen aufgrund eines konkreten Tatverdachts einen Detektiv mit der Aufklärung beauftragt und die Überwachung den Mitarbeiter wegen eines arbeitsvertraglichen Pflichtverstoßes überführt. Erforderlich ist allerdings, dass der Detektiveinsatz zum Zeitpunkt der Beauftragung objektiv geboten war. Für eine objektive Gebotenheit wird insbesondere das Vorliegen eines konkreten Verdachts verlangt. Eine Ermittlung ins Blaue hinein, bei der ein Pflichtverstoß des Arbeitnehmers nur durch einen Zufallsfund festgestellt wird, ist für einen Schadensersatzanspruch nicht ausreichend.

Rechtsprechung schließt Schadensersatz wegen anwaltlicher Ermittlungskosten nicht aus

Nach der aktuellen Rechtsprechung ist der Ersatz von Rechtsanwaltskosten bei unternehmensinternen Untersuchungen denkbar. Zwar hat das BAG in seinem aktuellen Urteil die Kostentragung durch den Mitarbeiter im Ergebnis abgelehnt (vgl. BAG v. 29.4.2021 – 8 AZR 276/20). Das LAG Baden-Württemberg hatte als Vorinstanz einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers noch bejaht (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 21.04.2020 – 19 Sa 46/19). Zugleich erklärte das BAG ausdrücklich, dass ein Unternehmen sich grundsätzlich die Kosten einer extern beauftragten Anwaltskanzlei zur Durchführung der unternehmensinternen Ermittlungen erstatten lassen kann. Für einen solchen Schadensersatzanspruch gelten allerdings strenge Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Als zentrale Voraussetzung für einen Regressanspruch wird das Vorliegen eines konkreten Tatverdachts verlangt. Führt das Unternehmen eine Ermittlung ins Blaue hinein durch, bei der zufällig das Fehlverhalten eines Mitarbeiters aufgedeckt wird, kommt ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht. Weiter ist es Wirksamkeitsvoraussetzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich einer vorsätzlichen Pflichtverletzung überführt wird. Lässt sich letztlich die Tat des Mitarbeiters nicht vollumfänglich nachweisen, scheidet ein Regressanspruch aus. Praxisrelevant kann dies in Fällen sein, wenn ein Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis durch eine Verdachtskündigung als beendet ansieht, aber nicht von einer wirksamen Tatkündigung ausgeht. In solchen Fällen ist der Arbeitnehmer nicht eindeutig der Tat überführt, sodass ihm die Kosten der anwaltlichen Ermittlungen nicht in Rechnung gestellt werden können.

Weiter ist zu beachten, dass sich der Schadensersatzanspruch nur auf Kosten erstrecken kann, die sich auf Ermittlungen hinsichtlich des Verdachts beziehen und zeitlich bis zum Ausspruch der Kündigung reichen. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber nur Anwaltskosten bezüglich der eigentlichen Aufklärung geltend machen kann. Hierunter fallen das Führen von Compliance-Interviews sowie das Erstellen von Gesprächsprotokollen, die Sichtung von Unterlagen zur Verdachtsaufklärung oder die Anhörung des Mitarbeiters selbst. Alle anwaltlichen Tätigkeiten, die nach dem Ausspruch einer Kündigung entstanden sind, können dagegen nicht wirksam geltend gemacht werden. So ist die Führung des Kündigungsschutzprozesses oder auch die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht erstattungsfähig, da diese Kosten der Rechtsverfolgung darstellen. Das BAG sah in seinem aktuellen Urteil die vorstehenden Wirksamkeitsvoraussetzungen zwar als erfüllt an. Der Regressanspruch scheiterte vielmehr aus anderen Gründen.

Erforderlichkeit der Kosten wird streng ausgelegt

Anwaltliche Ermittlungskosten können dem Mitarbeiter nur wirksam auferlegt werden, wenn diese erforderlich gewesen sind. Hierfür ist zunächst notwendig, dass die Beauftragung einer externen Anwaltskanzlei eine unvoreingenommene Sachverhaltsaufklärung zum Gegenstand hat. Dies ist dann erfüllt, wenn sich der Auftrag auch auf die Ermittlung entlastender Gesichtspunkte erstreckt. Zielt die unternehmensinterne Ermittlung dagegen ausschließlich darauf ab, belastende Informationen zu finden, die eine mögliche Kündigung des Arbeitnehmers begründen sollen, sind die Anwaltskosten nicht erstattungsfähig. Die Tätigkeiten des Rechtsanwalts beziehen sich damit schon auf die mögliche Durchführung eines Kündigungsschutzprozesses, sodass sie als nicht erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten einzuordnen sind. Vorliegend hat das BAG jedoch eine einseitige Ermittlung, die einen Erstattungsanspruch ausschließt, nicht angenommen.

Weiter wurde vom LAG Baden-Württemberg als Vorinstanz nicht beanstandet, dass die Compliance-Ermittlungen der externen Anwaltskanzlei auf Basis eines Stundensatzes in Höhe von 350 Euro abgerechnet wurden. Im allgemeinen Zivilrecht gilt der Grundsatz, dass die Anwaltskosten der obsiegenden Partei maximal in Höhe der gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz durch die Gegenseite zu erstatten sind. Dies ließ das LAG Baden-Württemberg nicht gelten, da die Abrechnung auf Basis eines Stundensatzes in Höhe von 350 Euro üblich für spezialisierte Rechtsanwälte sei und damit der Erforderlichkeit entspreche. Das BAG ließ in seiner Presseerklärung zum Urteil nicht erkennen, dass die Erforderlichkeit eines solchen Stundensatzes infrage gestellt wird.

Nach dem BAG scheiterte der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers dennoch an der Erforderlichkeit. Aus Sicht des BAG hatte das Unternehmen nicht substantiiert dargelegt, welche konkreten Tätigkeiten bzw. Ermittlungen zu welchem Zeitpunkt und in welchen konkreten zeitlichen Umfang durch die externe Kanzlei ausgeübt wurden. Insgesamt fielen die Nachweise der Anwaltskosten, die gegen den Arbeitnehmer geltend gemacht wurden, zu pauschal aus. Nach Ansicht des BAG war auf dieser Grundlage der Nachweis der Erforderlichkeit, die der beweisbelastete Arbeitgeber zu erbringen hatte, nicht möglich.

Fazit: Kosten nur mit detaillierter Dokumentation ersetzbar

Grundsätzlich können Unternehmen die externen Anwaltskosten zur Compliance-Aufklärung dem Mitarbeiter in Rechnung stellen, sofern dieser tatsächlich auf Grundlage eines konkreten Verdachts der Tat überführt wird. Die anwaltlichen Tätigkeiten müssen sich dabei allerdings ausschließlich auf eine ergebnisoffene unternehmensinterne Ermittlung beziehen. Die größte Hürde für die wirksame Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruches wird regelmäßig der Nachweis der Erforderlichkeit darstellen. Hierfür ist es notwendig, dass die Tätigkeiten des externen Anwalts im Einzelnen aufgeschlüsselt werden und dabei der genaue Zeitpunkt und konkrete Zeitaufwand der Tätigkeit sowie die Art der Tätigkeit benannt wird. Eine hinreichende Dokumentation der erbrachten Anwaltstätigkeit ist damit für die wirksame Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitnehmer unabdingbar.


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Schlagworte zum Thema:  Schadensersatz, BAG-Urteil, Compliance, Kosten