Wichtige BAG Urteile 2022

Auch im Jahr 2022 gab es wieder etliche Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, die für die tägliche Praxis von großer Bedeutung sind - ob zur Zeiterfassung, zu Verjährung und Verfall von Urlaubsansprüchen, zu Freistellungstagen bei Krankheit oder grenzüberschreitenden Versetzungen. Unsere Online-Redaktion hat einen Überblick über die wichtigsten Urteile des Jahres und ihre Auswirkungen zusammengestellt.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Rechtsprechungsjahr 2022 eine Reihe wichtiger Urteile gefällt, die für all diejenigen interessant sind, die sich täglich mit Personalthemen beschäftigen. Viele Entscheidungen gehen in ihrer Bedeutung weit über die entschiedenen Einzelfälle hinaus und haben hohe Relevanz für die Praxis. Das zeigt dieser Überblick.

Arbeitgeber haben Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Arbeitgeber müssen Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit erfassen - einschließlich Überstunden und Pausenzeiten. Die Zeiterfassungspflicht besteht für die tatsächliche Arbeitszeit der Beschäftigten. Ein Schicht- oder Dienstplan wird zukünftig nicht mehr ausreichend sein. Die Arbeitszeitdaten müssen nicht nur erhoben, sondern so erfasst und aufgezeichnet werden, dass eine Kontrolle durch die zuständigen Behörden möglich ist. Die Pflicht besteht bereits jetzt, unabhängig vom Tätigwerden des Gesetzgebers.

BAG, Beschluss vom 13. September 2022, Az. 1 ABR 22/21

Urlaubsansprüche verjähren nur nach Erfüllung der arbeitgeberseitigen Hinweispflichten

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmenden auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmende den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

BAG, Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 266/20

Verfall von Urlaub bei dauerhafter Erkrankung

Der Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr, in dem der Arbeitnehmende tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aus gesundheitlichen Gründen an der Inanspruchnahme seines Urlaubs gehindert war, erlischt regelmäßig nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Dieses Ergebnis folgt laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG.

BAG, Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 245/19

Versetzung außerhalb Deutschlands ist zulässig

Eine wichtige Entscheidung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen: Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmenden anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist. Die Versetzungsanordnung muss allerdings billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entsprechen und den berechtigten Interessen des Arbeitnehmenden Rechnung tragen.

BAG, Urteil vom 30. November 2022, Az. 5 AZR 336/21

Arbeitgeber muss Freistellungstage bei Krankheit nachgewähren

Wenn ein Tarifvertrag bezahlte Freistellungstage vorsieht, ist fraglich, wie es zu beurteilen ist, wenn Arbeitnehmende am Freistellungstag krank werden. Einige Untergerichte waren der Ansicht, dass Arbeitgeber die Freistellungstage bei Krankheit nicht neu gewähren müssen, andere urteilten, dass der tarifliche Freistellungsanspruch bestehen bleibt. Im konkreten Fall des Manteltarifvertrags für die Metall- und Elektroindustrie NRW hat das BAG klargestellt, dass tarifliche Freistellungstage, die wegen einer besonderen Belastung gewährt werden, nicht erfüllt sind, wenn der Arbeitnehmende arbeitsunfähig erkrankt ist.

BAG, Urteil vom 23. Februar 2022, Az. 10 AZR 99/21

Zeitarbeit: Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten per Tarifvertrag ist zulässig

Das höchste deutsche Arbeitsgericht entschied, dass Tarifvertragsparteien die Überlassungshöchstdauer für den Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern rechtmäßig durch Tarifvertrag verlängern dürfen. Damit gilt eine tarifliche Regelung zur Höchstüberlassungsdauer in einer Branche auch für dort eingesetzte Leiharbeitnehmende und deren Arbeitgeber als Verleiher. Bei § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG handelt es sich um eine vom Gesetzgeber außerhalb des Tarifvertragsgesetzes vorgesehene Regelungsermächtigung, die es den Tarifvertragsparteien erlaubt, eine abweichende Überlassungshöchstdauer festzulegen. Eine Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten bewegt sich im Rahmen der gesetzlichen Regelungsbefugnis.

BAG, Urteil vom 14. September 2022, A. 4 AZR 83/21

Schlussformulierung eines Arbeitszeugnisses - kein Anspruch auf Dankes- und Wunschformel

Ein Arbeitgeber, der seinem ausscheidenden Arbeitnehmenden gegenüber weder Dank empfindet noch ihm eine positive Zukunft wünscht, kann nicht gezwungen werden, in einem Arbeitszeugnis aus Höflichkeit oder aufgrund einer Erwartungshaltung Dritter eine unwahre Erklärung über seine innere Haltung abzugeben, so das BAG.

BAG, Urteil vom 25. Januar 2022, Az. 9 AZR 146/21

Aufhebungsvertrag - Gebot fairen Verhandelns

Ein Aufhebungsvertrag, mit dem ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet wird, kann unwirksam sein, wenn er in einer unfairen Verhandlungssituation zustande gekommen ist.  Ein Arbeitgeber verstößt jedoch nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns, wenn er vom Arbeitnehmenden eine sofortige Unterzeichnung des Vertrags erwartet, entschied das BAG.

BAG, Urteil vom 24. Februar 2022, Az. 6 AZR 333/21

Schwerbehindertenvertretung bleibt bei Absinken der Wahlberechtigten im Amt

Um in einem Betrieb eine Schwerbehindertenvertretung bilden zu können, müssen mindestens fünf schwerbehinderte Menschen dort beschäftigt sein. Sinkt diese Zahl während der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung unter diesen Schwellenwert, endet deren Amtszeit deswegen nicht vorzeitig.

BAG, Beschluss vom 19. Oktober 2022, Az. 7 ABR 27/21

Datenschutzbeauftragte genießen Sonderkündigungsschutz

Eine Kündigung oder eine Abberufung eines Datenschutzbeauftragten darf gemäß § 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 BDSG nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen. Die Frage, ob dieser deutsche Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte mit der europäischen DSGVO vereinbar ist, hatte das BAG dem EuGH vorgelegt. Nachdem der EuGH klargestellt hatte, dass der Sonderkündigungsschutz nicht gegen europäisches Recht verstößt, entschied das BAG den Fall einer internen Datenschutzbeauftragten, die betriebsbedingt gekündigt worden war, um ihre Aufgabe an externe Datenschutzbeauftragte zu verlagern, zugunsten der Datenschutzbeauftragten und erklärte ihre Kündigung für unzulässig.

BAG, Urteil vom 25. August 2022, Az. 2 AZR 225/20

Beschäftigte müssen Überstunden weiterhin beweisen

Überstunden sind vom Arbeitgeber nur zu vergüten, wenn er sie angeordnet oder gebilligt hat. Machen Beschäftigte Überstundenvergütung geltend, müssen sie beweisen, dass sie diese Überstunden tatsächlich geleistet haben. Das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassungspflicht ändert die auf Seiten der Arbeitnehmenden bestehende Darlegungs- und Beweislast nicht, entschied das Bundesarbeitsgericht.

BAG, Urteil vom 4. Mai 2022, Az. 5 AZR 359/21


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