Versetzung außerhalb Deutschlands ist zulässig
Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber die Versetzung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einseitig anordnen. Das ergibt sich aus dem arbeitsvertraglichen Direktionsrechts gemäß § 106 GewO. Den Anordnungen müssen Arbeitnehmende prinzipiell Folge leisten. Über den genauen Umfang des Direktionsrechts kommt es immer wieder zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen.
Vorliegend hatte das Bundesarbeitsgericht über die Rechtmäßigkeit einer Versetzung nach Italien zu entscheiden und kam zum Ergebnis: Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland begrenzt. Arbeitgeber dürfen Beschäftigte anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten - solange im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart wurde. Die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall unterliegt allerdings einer Billigkeitskontrolle.
Versetzung und Änderungskündigung eines Piloten von Nürnberg nach Bologna
Der Pilot war seit Januar 2018 bei der irischen Fluggesellschaft Ryanair, mit Sitz in Dublin, beschäftigt. Stationiert war er am Flughafen Nürnberg. Das Luftverkehrsunternehmen ist grundsätzlich international tätig. Der Arbeitsvertrag sah dementsprechend auch vor, dass der Pilot auch an anderen Orten des Unternehmens stationiert werden kann. Zum 30. April 2020 versetzte der Arbeitgeber ihn und weitere Piloten vom Stationierungsort Nürnberg nach Italien an den Standort Bologna. Grund hierfür war die Entscheidung des Arbeitgebers, den Stationierungsort Nürnberger Flughafen zu Ende März 2020 aufzugeben. Vorsorglich sprach Ryanair eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Arbeitnehmer unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm.
Direktionsrecht auch für Versetzung ins Ausland?
Der Pilot wehrte sich vor Gericht gegen seine Versetzung nach Bologna. Nach seiner Meinung war diese unwirksam, da das Weisungsrecht des Arbeitgebers eine Versetzung ins Ausland nicht umfasse. Zumindest sei die Versetzung unbillig, da ihm sein tariflicher Vergütungsanspruch entzogen werde und ihm auch sonst erhebliche Nachteile entstünden. Ryanair vertrat die Überzeugung, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch eine Versetzung ins Ausland zulasse.
Dies insbesondere, da als Alternative nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht gekommen wäre. Bei der Entscheidung habe der Arbeitgeber auch billiges Ermessen gewahrt, da alle an der Homebase Nürnberg stationierten Piloten ins Ausland versetzt worden seien. Es habe keinen freien Arbeitsplatz an einem deutschen Stationierungsort gegeben. Zudem sei das vorgesehene Verfahren mit der Gewerkschaft VC in einem "Tarifsozialplan bezüglich der Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten" eingehalten worden.
BAG: Versetzung nach Bologna war rechtmäßig
Bereits die Vorinstanzen hatten entschieden, dass die Versetzung des Piloten an den Flughafen Bologna rechtens war. Auch das Bundesarbeitsgericht urteilte zu Gunsten des Arbeitgebers: Die Versetzung des Arbeitnehmers an die Ryanair-Homebase am Flughafen Bologna war nach § 106 Satz 1 GewO wirksam.
Das Bundesarbeitsgericht machte in seiner Begründung deutlich, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort umfasst. Dies gelte zumindest, wenn - wie vorliegend - kein bestimmter inländischer Arbeitsort im Arbeitsvertrag fest vereinbart ist, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen ist.
Keine Begrenzung des Weisungsrechts durch Gesetz
Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass dem Gesetz keine Begrenzung des Weisungsrechts des Arbeitgebers auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen sei. Die Versetzung sei auch ansonsten rechtsfehlerfrei erfolgt. Sie sei eine Folge der unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, den Standort Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit konnte er den Piloten dort nicht mehr stationieren.
Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort habe es nicht gegeben. Das BAG wies darauf hin, dass ein Einsatz als "Mobile Pilot" nicht möglich sei, der Arbeitnehmer habe zudem keine Base-Präferenz angegeben und nicht nur er, sondern alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten seien an einen Standort in Italien versetzt worden. Auch das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren habe der Arbeitgeber eingehalten.
Keine unbillige Weisung: Pilot muss Nachteile in Kauf nehmen
Das oberste Arbeitsgericht ließ auch die Argumentation des Piloten, die Versetzung sei unbillig, weil ihm der tarifliche Vergütungsanspruch entzogen werde, nicht gelten. Dazu hieß es, dass der Arbeitnehmer durch die Versetzung nach Italien zwar den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliere, da der Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt sei. Der Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt, werde jedoch von der Weisung nicht tangiert.
Zudem sehe der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt würden. Es sei auch nicht unbillig, wenn der Arbeitgeber mit der Versetzung verbundene sonstige Nachteile des Piloten, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleiche, als es im Tarifsozialplan vorgesehen ist.
Keine Entscheidung über Änderungskündigung
Weil die Versetzung des Ryanair Piloten bereits aufgrund des Weisungsrechts des Arbeitgebers wirksam war, hatte das Gericht über die Wirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung nicht mehr zu entscheiden. Das BAG wies zudem die Revisionen weiterer Ryanair Piloten in drei Parallelverfahren (Az: 5 AZR 352/21, 5 AZR 369/21, 5 AZR 462/21) ebenfalls zurück.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2022, Az: 5 AZR 336/21; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 23. April 2021, Az: 8 Sa 450/20
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