24-Stunden-Pflege: Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten

Einer 24-Stunden-Pflegekraft in der häuslichen Betreuung muss der Mindestlohn gezahlt werden. Im Fall einer bulgarischen Pflegerin hat das LAG Berlin ihr auch die Vergütung von Bereitschaftszeiten mit dem Mindestlohn zugesprochen. 

Ausländische Betreuungskräfte, die pflegebedürftige Menschen in deren Haushalt oft rund um die Uhr betreuen, haben Anspruch auf den Mindestlohn - auch während Zeiten der Bereitschaft. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil vom 24. Juni 2021 entschieden. Unklar blieb im konkreten Fall, wie viele Stunden der Arbeitgeber der bulgarischen Pflegekraft exakt zahlen muss. Denn die obersten Arbeitsrichter verwiesen die Sache an die Vorinstanz zurück.

Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme hat das LAG Berlin nun der bulgarischen Pflegekraft den von ihr geforderten Mindestlohn erneut im Wesentlichen zugesprochen. Ausgeschlossen hat es nur Zeiten, in denen die ältere Dame durch ihre Familie betreut wurde.

24-Stunden-Pflege: Streit um Vergütung von Arbeitszeiten

Im konkreten Fall vergütete der Arbeitgeber genau 30 Stunden die Woche. Mit ihrer Klage verlangte die bulgarische Pflegerin für die Zeit ihres "Rund-um-die-Uhr-Einsatzes" bei einer 96-jährigen Dame in Berlin eine Vergütung von 24 Stunden täglich. Sie begründete ihre Forderung damit, dass sie täglich von 6 Uhr morgens bis 22 oder 23 Uhr abends im Einsatz gewesen sei. Zudem habe sie sich auch nachts bereithalten müssen. Der Arbeitgeber bestritt diese Arbeitszeiten und berief sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden die Woche.

LAG Berlin entscheidet: 21 Stunden täglich

Diese Arbeitszeit hielt das LAG Berlin-Brandenburg für unrealistisch. Es sei in diesem Fall treuwidrig, dass sich der Arbeitgeber auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Zeit von 30 Stunden pro Woche berufen wolle. Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber der Pflegerin den Mindestlohn für eine tägliche Arbeitszeit von 21 Stunden am Tag zahlen muss. Neben der geleisteten Arbeit sei vergütungspflichtiger Bereitschaftsdienst in der Nacht angefallen. Drei Stunden habe sie Freizeit gehabt.

BAG verweist zur Aufklärung zurück

In der Sache bestätigte das BAG die vorinstanzliche Entscheidung. Allerdings habe das LAG Berlin die Stunden nicht einfach schätzen dürfen. Zwar vermutete auch das BAG, dass die Arbeitszeit der Pflegerin mehr als 30 Stunden die Woche betrug. Es gab dem LAG Berlin jedoch auf, den Sachverhalt weiter aufzuklären, den Vortrag der Parteien umfassend zu würdigen und festzustellen, in welchem Umfang die Pflegekraft Vollarbeit oder Bereitschaftsdienst leisten musste, und wie viele Stunden Freizeit sie hatte.

LAG Berlin klärt Stunden: Keine Bereitschaft während anderweitiger Betreuung

Das LAG Berlin hat daraufhin eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt und der Pflegerin den geforderten Mindestlohn erneut im Wesentlichen zugesprochen. Die Betreuung der älteren, pflegebedürftigen Dame habe 24 Stunden am Tag sichergestellt werden müssen. Solange keine andere Betreuungsperson in der Wohnung gewesen sei, sei sie verpflichtet gewesen, die Betreuung für den Fall der Fälle sicherzustellen. Daher habe die Pflegerin neben ihren vergüteten Arbeitszeiten eine Vielzahl von vergütungspflichtigen Bereitschaftszeiten erbringen müssen.

Für Zeiten, die die ältere Dame mit Familienangehörigen in ihrer Wohnung oder im Restaurant verbracht habe, wies das LAG Berlin die Klage ab.

Das LAG Berlin hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Es besteht die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen.


Hinweis: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2022, Az: 21 Sa 1900/19; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2021, Az: 5 AZR 505/20, LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. August 2020, Az: 21 Sa 1900/19


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Schlagworte zum Thema:  Mindestlohn, Pflegekraft, BAG-Urteil