BAG: Kein Mindestlohn für Pflichtpraktikum vor dem Studium

Nicht in allen Fällen ist Praktikanten der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen. Wer ein Praktikum macht, das Zulassungsvoraussetzung für ein Studium ist, hat keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will den Mindestlohn noch in diesem Jahr auf 12 Euro erhöhen. Zurzeit beträgt er 9,82 Euro und gilt grundsätzlich auch für Praktikanten. Arbeitgeber müssen dennoch nicht jedes Praktikum mit dem Mindestlohn vergüten: Pflichtpraktika oder freiwillige Praktika, die kürzer als drei Monate sind, sind hiervon ausgenommen. Auch minderjährigen Praktikanten ohne Ausbildung muss der Arbeitgeber keinen Mindestlohn zahlen.

Im vorliegenden Rechtsstreit stellte sich die Frage, ob ein verpflichtendes Vorpraktikum vor Studienbeginn ein Pflichtpraktikum im Sinne des Mindestlohngesetzes ist. Dies hat das BAG nun geklärt.

Der Fall: Mindestlohn für sechsmonatiges Praktikum in der Krankenpflege?

Die angehende Medizinstudentin absolvierte von Mai bis November 2019 ein Praktikum auf der Krankenpflegestation eines Krankenhauses. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart. Dem Arbeitgeber war bekannt, dass sie beabsichtigte, sich an einer privaten, staatlich anerkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Für diesen Studiengang ist laut Studienordnung vorher ein sechsmonatiger Krankenpflegedienst als Zugangsvoraussetzung abzuleisten.

Praktikantin verlangt Zahlung von über 10.000 Euro

Vor Gericht machte die ehemalige Praktikantin für diese Zeit den Mindestlohn geltend. Nach ihrer Ansicht sei ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums kein Pflichtpraktikum im Sinne des Mindestlohngesetzes, weshalb die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht greife. Für die Zeit ihres Praktikums verlangte sie daher eine Vergütung in Höhe von insgesamt 10.269,85 Euro brutto. Sie habe täglich 7,45 Stunden Arbeit im Rahmen einer Fünftagewoche geleistet.

BAG: Kein Mindestlohn für verpflichtendes Vorpraktikum 

Die Vorinstanzen hatten die Klage der Praktikantin abgewiesen. Auch die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) blieb erfolglos. Das oberste Arbeitsgericht entschied, dass die angehende Medizinstudentin keinen Anspruch auf die Zahlung hat, da sie nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes unterfällt. Das sechsmonatige Praktikum vor Aufnahme des Studiums sei als verpflichtendes Praktikum von § 22 Abs. 1 Nr. 1 MiLoG zu sehen. Damit ist es von der Mindestlohnpflicht ausgenommen.

Mindestlohn-Ausnahme für Vorpraktika vor Studienbeginn

Das BAG argumentierte, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur verpflichtende Praktika während des Studiums, sondern auch Vorpraktika umfasst sind, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind. Im vorliegenden Fall war es aus Sicht des BAG unerheblich, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, da diese staatlich anerkannt sei.

Die vorgeschriebene Zugangsvoraussetzung sei damit im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt. Nach Auffassung des BAG sei damit ausreichend gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis nicht sachwidrig der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten umgangen wird.

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Januar 2022, Az: 5 AZR 217/21; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. März 2021, Az: 8 Sa 206/20


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