Entgeltfortzahlung: Tarifliche Ausschlussfrist gilt nicht für Mindestlohn

In vielen Arbeitsverträgen und Tarifverträgen finden sich Ausschlussklauseln für alle „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Welche Anforderungen solche Ausschlussfristen im Hinblick auf die gesetzlichen Mindestlohnansprüche erfüllen müssen, beschäftigt immer wieder die Arbeitsgerichte.
Die Frage, ob Ausschlussfristen unwirksam sind, wenn sie nicht ausdrücklich Mindestlohnansprüche ausnehmen, ist umstritten. Zuletzt entschieden Gerichte zumindest bei arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen dahingehend unterschiedlich, ob die Klauseln nur insoweit, also in Bezug auf die Mindestlohnansprüche unwirksam werden oder aufgrund von Intransparenz insgesamt unwirksam sind.
Dies haben die obersten Arbeitsrichter auch vorliegend nicht ausdrücklich beantwortet, da im aktuellen Fall eine tarifliche Ausschlussfrist maßgeblich war. Eine solche zumindest ist nach der BAG-Entscheidung nur in Bezug auf die Mindestlohnansprüche unwirksam.
Der Fall: Arbeitnehmer klagt auf Entgeltfortzahlung für Zeit der Arbeitsunfähigkeit
Der Arbeitnehmer war zuletzt mit einem Stundenlohn von 13,00 Euro brutto bei einem Bauunternehmen beschäftigt. Im September 2015 kündigte ihm der Arbeitgeber ordentlich zum 31.10.2015. Der Mitarbeiter meldete sich daraufhin arbeitsunfähig krank und legte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Der Arbeitgeber zahlte für den September 2015 noch Vergütung, verweigerte dann aber die Entgeltfortzahlung. Im Januar 2016 verlangte der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Oktober 2015.
Anspruch auf Entgeltfortzahlung aufgrund tariflicher Ausschlussklausel verfallen?
Aus Sicht des Arbeitgebers war dies zu spät. Der Anspruch sei aufgrund der Ausschlussfristenregelung des für allgemeinverbindlich erklärten § 14 Abs. 1 BRTV-Bau verfallen. Diese setzt eine Geltendmachung innerhalb einer Frist von zwei Monaten für „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen“ voraus.
Mindestlohnansprüche nicht ausdrücklich ausgenommen – gesamte Klausel unwirksam?
Der Mitarbeiter machte geltend, sein Anspruch sei nicht verfallen. Die Ausschlussfristenregelung sei insgesamt unwirksam, weil sie den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme. Seine Klage hatte nur teilweise Erfolg.
Die Vorinstanzen hatten der Klage des Arbeitnehmers im Umfang des gesetzlichen Mindestlohns entsprochen. Darüber hinausgehende Ansprüche seien aber wegen der Ausschlussklausel nach § 14 BRTV verfallen.
BAG: Tarifvertragliche Ausschlussfrist nur bezüglich Mindestlohn unwirksam
Das BAG bestätigte nun im Grundsatz die Entscheidung der Vorinstanz und sprach dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung für die Zeit seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu - in Höhe des Mindestlohns.
In der Begründung führten die Richter aus, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) folge. Der Arbeitgeber muss danach dem Arbeitnehmer für die Zeit seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit das Entgelt zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte.
Damit habe der Arbeitnehmer auch während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns.
Der Senat stellte fest, dass dieser Anspruch sich nicht aus § 1 MiLoG ergibt, denn danach ist Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeit zu zahlen. Der Schutzzweck von § 3 MiLoG gebiete aber den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu sichern.
BAG: Klausel in Bezug auf Mindestlohn unwirksam
Danach sind Regelungen, die eine zu späte Geltendmachung von gesetzlichen Mindestlohnansprüchen untersagen, insoweit unwirksam. Dies betreffe nicht nur arbeitsvertragliche, sondern auch tarifliche Ausschlussfristen, stellte das Gericht klar.
Im Ergebnis erklärten die obersten Arbeitsrichter die tarifliche Ausschlussfrist für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall trotz seiner Unabdingbarkeit für zulässig.
In Bezug auf die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG während der Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlenden gesetzlichen Mindestlohnansprüche, sei die tarifliche Klausel jedoch unwirksam.
Das BAG betonte, dass anders als bei Ausschlussfristen, die arbeitsvertraglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart sind, Tarifregelungen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keiner Transparenzkontrolle unterliegen. Hier hatte das BAG unlängst in einem Fall eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist wegen Mindestentgeltvorschriften für insgesamt unwirksam erklärt, wobei mit dem Anspruch auf Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV noch Besonderheiten der Pflegebranche zur Geltung kamen.
Hinweis: BAG, Urteil vom 20.06. 2018, Az: 5 AZR 377/17, Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 4. 05 2017, Az: 19 Sa 1172/16
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