Arbeitgeber dürfen Urlaub bei "Kurzarbeit Null" anteilig kürzen

Aufgrund der Coronakrise befinden sich viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Kurzarbeit. Sie arbeiten weniger oder bei Kurzarbeit Null gar nicht. Ob Arbeitgeber den Urlaub der Mitarbeitenden bei Kurzarbeit Null kürzen dürfen, war bisher höchst umstritten. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage nun in einem Grundsatzurteil geklärt. Damit liegt es auf einer Linie mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser hatte bereits 2012 entschieden, dass nach EU-Recht kein Urlaub gewährt werden muss, wenn wegen Kurzarbeit Null keine Arbeitspflicht bestand.
Streit um Urlaubstage: Voller Urlaubsanspruch trotz Kurzarbeit?
Die Erfurter Richter bestätigten damit ein Urteil des LAG Düsseldorf, das die Klage einer Verkäuferin aus Essen abgewiesen hatte. Die 49-jährige Arbeitnehmerin ist seit 2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei einem Betrieb der Systemgastronomie beschäftigt. Sie ist in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass ihr pro Jahr umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zustehen. Im Jahr 2020 galt für sie aufgrund der Coronapandemie von April bis Dezember wiederholt Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. Der Arbeitgeber war daher der Ansicht, er habe mit 11,5 Tagen den Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin voll erfüllt. In den Monaten der Kurzarbeit Null sei die Arbeitnehmerin nicht verpflichtet gewesen zu arbeiten, daher habe sie auch keine Urlaubsansprüche erworben.
Weniger Urlaubstage wegen Kurzarbeit Null?
Die Arbeitnehmerin verlangte den vollen Urlaub. Sie vertrat die Überzeugung, dass ihr weitere 2,5 Tage zustünden. Den Urlaubsanspruch habe der Arbeitgeber nicht wegen ihrer Kurzarbeit kürzen dürfen. Als Gründe führte sie an, dass die konjunkturbedingte Kurzarbeit im Interesse des Arbeitgebers erfolge und nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers. Zudem könne man Kurzarbeit Null nicht mit Freizeit gleichsetzen. Beschäftigte hätten während der Kurzarbeit Meldepflichten, zudem könne der Arbeitgeber die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, sodass es Arbeitnehmenden nicht möglich sei, die freie Zeit zu verplanen.
BAG: Zulässige Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen Kurzarbeit
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschied, dass die Mitarbeiterin für die Monate Juni, Juli und Oktober, in denen sie sich durchgehend in Kurzarbeit Null befand, keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 BurlG erworben hat. Damit stehe ihr der Jahresurlaub 2020 nur anteilig in gekürztem Umfang zu. Der Arbeitgeber sei berechtigt für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null den Urlaub um 1/12 zu kürzen. Demnach habe er den Jahresurlaub vorliegend sogar um 3,5 Arbeitstage kürzen dürfen.
Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage seien weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.
Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung zu Kurzarbeit Null übertragbar
Damit verwies das Gericht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entsteht. Bereits die Vorinstanz, das LAG Düsseldorf, hatte sich der EuGH-Argumentation angeschlossen und darauf hingewiesen, dass sich diese Fälle übertragen lassen. Das deutsche Recht enthalte keine günstigere Regelung: Es existiere weder eine spezielle Regelung für Kurzarbeit, noch ergebe sich etwas Anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei Kurzarbeit Null nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. Auch der Umstand, dass der Anlass für Kurzarbeit vorliegend die Coronapandemie war, änderte nach Überzeugung des Gerichts nichts daran.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021, Az: 9 AZR 225/21; Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021, Az: 6 Sa 824/20; Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 06.10.2020, Az: 1 Ca 2155/20
In einer weiteren Sache urteilte das BAG, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist. (Urteil vom 30. November 2021, Az: 9 AZR 234/21; Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Mai 2021, Az: 9 Sa 1/21)
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