Kurzarbeit "Null": Kein Urlaubsanspruch nach Europäischem Recht
Zwei Arbeitnehmer eines Automobilzulieferers wurden betriebsbedingt gekündigt. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde im Unternehmen ein Sozialplan vereinbart. Neben Abfindungsregelungen enthielt der Sozialplan die befristete Verlängerung der gekündigten Arbeitsverhältnisse für ein Jahr und die Vereinbarung von Kurzarbeit "Null". Die Arbeitnehmer blieben also ein Jahr länger im Arbeitsverhältnis, ohne zur Arbeit verpflichtet zu sein und bezogen Kurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit.
Ohne Arbeitspflicht keine Urlaubsansprüche?
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangten die Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung. Sie waren der Ansicht, dass auch im Verlängerungsjahr Urlaubsansprüche entstanden sind. Der Arbeitgeber war dagegen der Ansicht, dass ohne Arbeitsverpflichtung keine Urlaubsansprüche entstehen konnten.
Das Arbeitsgericht Passau war der Ansicht, durch Kurzarbeit "Null" reduziere sich nach deutschem Recht nicht nur die Arbeitspflicht auf Null, sondern auch der Urlaubsanspruch. Es legte dem EuGH die Verfahren vor, um zu klären, ob dies mit Europäischem Recht vereinbar ist.
Urlaubsreduzierung auf "Null" ist rechtens
Der EuGH hielt die vom Arbeitsgericht angenommene Reduzierung des Urlaubs auf "Null" für europarechtskonform. Insbesondere sei die Situation nicht mit der eines kranken Arbeitnehmers zu vergleichen. Der Fall liege vielmehr ähnlich dem eines in Teilzeit Beschäftigten. Hierzu hatte der EuGH bereits entschieden (Urteil v. 22.4.2010, C-486/08), dass die Reduzierung der Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigten anteilig zur Reduzierung des Urlaubsanspruchs führen kann (Urteil v. 8.11.2012, C- 229/11 u. C-230/11).
Die Entscheidung bringt erfreuliche Klarheit zum Thema Kurzarbeit und Urlaub. Sie betrifft jedoch nur die europäische Rechtslage. Ob nach deutschem Recht die Reduzierung der Arbeitszeit auf "Null" in der Kurzarbeit zum Wegfall von Urlaubsansprüchen führt oder nicht, ist umstritten. Da das Europäische Recht nur einen Mindestschutz für Arbeitnehmer schafft, könnte das deutsche Recht auch darüber hinausgehen. Die wohl überwiegende Ansicht geht - wie das Arbeitsgericht Passau - zwar vom Wegfall des Urlaubs aus, endgültige Klarheit wird aber erst das Bundesarbeitsgericht (BAG) bringen können.
Kurzarbeit: Vorsorgliche Vertragsgestaltung zu Urlaubsansprüchen
Bis zur Klärung der deutschen Rechtslage sollte in Kurzarbeitsvereinbarungen (arbeitsvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen) jedenfalls vorsorglich ausdrücklich die anteilige Reduzierung bzw. der Wegfall von Urlaubsansprüchen bei Kurzarbeit geregelt werden. Zwar sind die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes grundsätzlich nicht abdingbar. Sollte die Reduzierung jedoch nach deutschem Recht zulässig sein, wofür vieles spricht, ist eine ausdrückliche Regelung zu empfehlen.
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Dennis Bode
Fri Sep 04 16:13:38 CEST 2020 Fri Sep 04 16:13:38 CEST 2020
Gibt es hierzu schon neue Erkentnisse?
Weil ich habe die EuGH Urteile überflogen und mMn wurde außer Acht gelassen, dass ein Arbeitnehmer in Kurzarbeit anders als Teilzeitbeschäftigung nicht komplett frei über seinen Aufenthaltsort bestimmen kann.
Beispiel:
Frank M. hat 50% Kurzarbeit die er im zwei Wochen Rhythmus erledigt. Also zwei Wochen arbeit, zwei frei. Er könnte aber in seiner Freizeit keinen Urlaub buchen und nach China fliegen, weil sein Arbeitgeber diese Aufteilung und die höhe der Kurzarbeit jederzeit ändern kann. Deswegen ist Frank M. in einer Rufbereitschaft.
Frank Bollinger
Wed Sep 09 10:49:33 CEST 2020 Wed Sep 09 10:49:33 CEST 2020
Eine gesetzliche Regelung, wie der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit zu berechnen ist, fehlt in Deutschland. Auch das Bundesarbeitsgericht hat bislang noch keine Entscheidung dazu getroffen. Eine eindeutige Rechtslage gibt es also nicht.Die Gewerkschaften vertreten beispielsweise die Ansicht, eine Kürzung sei nicht zulässig. Das BAG hat für den Jahresurlaub in Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses – bei einem Sabbatical – geurteilt, dass der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch anteilig reduzieren kann. Die dort entwickelten Grundsätze könnten auch auf die Kurzarbeit anwendbar sein. Das Urteil des EuGH geht in dieselbe Richtung. Der EuGH hat am 8. November 2012 (Az. C-229/11) festgestellt, dass Urlaubsansprüche nur dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer auch tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht hat. Konkret ging es um die Frage, ob während der angeordneten Kurzarbeit der bezahlte Jahresurlaub zeitanteilig angepasst werden kann. Die EuGH-Richter sagen: Der Mitarbeiter erwirbt während der Kurzarbeit nur einen verhältnismäßig geringeren Urlaubsanspruch. Das heißt: Der gesetzliche Urlaubsanspruch kann in Zeiten von Kurzarbeit entsprechend dem Anteil der tatsächlichen Arbeitszeit gekürzt werden. Hat der Betrieb beispielsweise Kurzarbeit Null angeordnet, wird also gar nicht gearbeitet, erhalten die Mitarbeiter für diese Zeiten auch keinen Urlaubsanspruch. Bei lediglich verringerter Arbeitszeit wäre der Urlaub dann dementsprechend kürzer. Allerdings nur dann, wenn ganze Arbeitstage wegfallen. Reduzieren sich lediglich die täglichen Arbeitsstunden, ohne dass Arbeitstage ganz entfallen, bleibt der Urlaubsanspruch gleich. Es gibt also durchaus eine Tendenz, wie die Gerichte das Thema beurteilen werden. Aber solange es in Deutschland weder eine gesetzliche Regelung noch höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage gibt, lassen sich zu diesem Problem unterschiedliche Positionen vertreten.