Klimaneutralität: Zwei Beispiele aus der Wohnungswirtschaft


Klimaneutralität: Zwei Beispiele aus der Wohnungswirtschaft

Klimawandel, Finanzkrise, Covid-19, explodierende Mieten – ein Thema jagt das nächste. Um ihnen zu begegnen, wird als erstes nach dem Staat gerufen. Dabei zeigt die Wohnungswirtschaft vorbildliche Lösungsansätze für unsere aktuellen Herausforderungen. Nutzen wir die kollektive Intelligenz!

Rationale Auseinandersetzungen scheinen in angespannten Zeiten immer schwieriger. Und so wird mit jedem Tag, an dem wir CO2 verbrauchen, das Vertrauen in die Erneuerungskraft der Energie- und Wohnungswirtschaft ein bisschen kleiner, die Sehnsucht nach dem alles ordnenden und beschützenden Staat größer. Genau das aber ist gefährlich.

In Deutschland sind die Elektrizitäts- und Wärmeerzeugung mit 29 Prozent und die Gebäude mit sechs Prozent an den Treibhausgasemissionen beteiligt. Die Klimaneutralität im Wohnen lässt sich bis 2040 nur durch eine Kombination aus Dämmung, CO2-neutraler Energieerzeugung und einem passenden Nutzungsverhalten erreichen.

Sanierungsbedarf bei mindestens 8,5 Millionen Wohngebäuden

Mehr als zwölf Millionen Wohngebäude sind hierzulande vor 1979 errichtet worden. Einer Untersuchung des Instituts Wohnen und Umwelt zufolge sind erst 25 bis 30 Prozent dieser Gebäude modernisiert. Um die Klimaziele zu erreichen, muss sich die Renovierungsquote im Bestand in den nächsten zehn Jahren mindestens verdoppeln: Statt bisher etwa ein Prozent pro Jahr müssen mindestens zwei Prozent pro Jahr modernisiert werden, um die EU-Klimaziele zu erreichen. Drei Prozent wären besser.

Das kostet. Ein paar ordnungspolitische Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten aus Berlin und Brüssel werden wir noch brauchen. Entsprechende Maßnahmen sind in Planung: KfW-Förderprogramme sollen verstärkt werden, energetische Sanierung soll besser abschreibbar sein. Der Staat wird es aber nicht richten, er kann nur Anreize schaffen, Rahmenbedingungen setzen und Finanzmittel bereitstellen. Und Finanzmittel alleine werden nicht helfen, wenn die Ressourcen bei Handwerkern, Baufirmen und Baumaterialien und Equipment nicht verfügbar sind. Jede Initiative, die die Wohnungswirtschaft deshalb jetzt schon auf den Weg bringt, ist zu begrüßen. Ich möchte heute zwei nennen:

Erstes Beispiel: Initiative Wohnen 2050

Die Initiative Wohnen 2050, die von 24 Unternehmen der Wohnungswirtschaft gegründet wurde, ist in dem Zusammenhang ein gutes Beispiel, wie Kreativität gebündelt werden kann. Sie will gemeinsam – zunächst ohne Staat – auf einen klimaneutralen Gebäudebestand hinarbeiten und setzt dabei auf den Open-Source-Ansatz. Lösungen und Tools für die ressourcensparende Entwicklung von unternehmensspezifischen Wegen zur Klimaneutralität werden gemeinsam erarbeitet und ausgetauscht. So erhalten auch kleinere Wohnungsunternehmen Zugang und können Erkenntnisse und Tools für ihre Umsetzungen nutzen.

Dieses Beispiel muss Schule machen. Denn auch die großen Kapitalgeber wollen nicht mehr nur Rendite. Seit das Thema Nachhaltigkeit in den Unternehmensleitlinien der Versicherungen, Pensionskassen und Banken weit oben Einzug gehalten haben, fordern sie Klimaschutz vehement ein.

Die Initiative hat schon Ergebnisse geliefert: Attraktives Wohnen ist bei guten Grundrissen auch mit geringem Flächenverbrauch kombinierbar. Und Wärmepumpe im Keller, Photovoltaikanlage auf dem Dach, Mietergarten im Hinterhof – alles wird nicht nur von einer Familie genutzt, sondern kommt zwölf bis 16 Haushalten zugute. In Zeiten der Share Economy können Parkflächen reduziert und Gemeinschaftsflächen angelegt werden. Viele gute Ideen, die ohne Aktionismus weitergeführt werden sollten. Und je mehr Wohnungsgesellschaften bei ähnlichen Initiativen mitmachen, desto besser – für alle.

Zweites Beispiel: Horner Geest

Das zweite Beispiel zeigt die Vorteile, CO2-Einsparziele gesamtheitlich zu erreichen. Und zwar in einem Wohnquartier oder über mehrere Quartiere, die als "Flotte" bezeichnet werden. Anhand des Pilotprojekts "Horner Geest" hat der Vorstand der Saga Unternehmensgruppe Thomas Krebs den Ansatz im September auf der Arbeitstagung des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V. (VNW) vorgestellt: Das kommunale Wohnungsunternehmen der Hansestadt Hamburg setzt ein energetisches Sanierungskonzept für ein städtisches Quartier mit gut 5.000 Wohneinheiten und über 320.000 Quadratmetern Wohnfläche in Mehr- und Einfamilienhäusern aus den Baujahren 1949 bis 1978 um.

Die Emissionsziele wurden vom Hamburger Klimaplan für den Sektor private Haushalte abgeleitet. Das Konzept kombiniert Maßnahmen der Gebäudedämmung, Neubau, Energieerzeugung und Mobilität. Durch den Quartiersansatz reduzieren sich die Investitionen um rund 60 Prozent gegenüber einer Einzelbetrachtung jedes Gebäudes. Durch die Errichtung von knapp 2.000 Wohneinheiten in Neubauten mit energetischem Standard KfW 40 reicht in den Bestandsgebäuden ein KfW-85- oder KfW-115-Standard, um für das gesamte Quartier die Emissionsziele zu erreichen.

Ein zukunftsweisender Ansatz aus der Wohnungswirtschaft die Energiewende sozial verträglich und bezahlbar zu machen. Je nach Nutzungs- und Eigentumsstruktur müssen auch private Eigentümer, Wohnungseigentümergemeinschaften und gewerbliche Immobilien einbezogen werden. In seinem Fazit hält Thomas Krebs fest, dass die "Flottenlogik" erfordert, dass die Maßnahmen zur Erreichung der Klimawende nicht in ordnungspolitischen Regeln festgeschrieben werden, sondern den Freiraum marktwirtschaftlicher Regelungen braucht, um die Ressourcen möglichst effizient einzusetzen und Zielkonflikte aufzulösen. Ein Appell, der hoffentlich bei den politischen Akteuren noch rechtzeitig ankommt.