Fachkongress IW.2050: Klimaneutralität trotz Zeitenwende

"Klimaneutralität trotz Zeitenwende" war das Thema beim Fachkongress der Initiative Wohnen 2050 (IW.2050) in Darmstadt. Zwei Tage Wissenstransfer auf hohem Niveau – alles mit dem Ziel, sich der Jahrhundertaufgabe zu stellen. Steile Thesen zum GEG gab es auch. Ein Nachbericht.

Zum dritten Fachkongress in Darmstadt trafen sich am 24. und 25. April die Partner im klimapolitischen Bündnis Initiative Wohnen 2050 (IW.2050), um neue Erkenntnisse in großer Runde zu teilen. Wie können Gebäude ressourcenoptimiert gebaut, klimaneutral betrieben und zukunftsfähig organisiert werden – darum ging es unter dem Arbeitstitel "Klimaneutralität trotz Zeitenwende".

Der Veranstaltungsort hätte passender nicht sein können: Die Kongresshalle Darmstadtium wurde gleich mehrfach für das Nachhaltigkeitskonzept ausgezeichnet.

Juristendeutsch weg und GEG auf zehn Seiten kürzen?

Der erste Kongresstag war vollgepackt mit Inhalt und begann direkt mit einem Paukenschlag: In seiner Keynote befasste sich Prof. Dr. Manfred Norbert Fisch von der Stuttgarter EGS-Plan Ingenieurgesellschaft mit Fakten, wie die Klimaneutralität im Gebäudesektor erreicht werden kann. Seine These, dass er das Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf weniger als zehn Seiten zusammenkürzen könnte, sorgte unter den Kongressteilnehmern für aufmerksames Raunen. Man müsse nur das ganze Juristendeutsch weglassen, meinte Fisch. Und er blieb meinungsstark: Wasserstoff sei eine hervorragende Wärmequelle, allerdings nicht geeignet zum Verbrennen. Nein, das größte Potenzial werde durch die Abwärmenutzung aus der Elektrolyse entfaltet.

Fachkongress IW.2050 - Diskussion

Wärmepumpe und Wasserstoff: Das brennt vielen unter den Nägeln

Impulse zu aktuellen politischen Entscheidungen gab Christian Maaß, der Leiter der Abteilung Energiepolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). "Bei der seriellen Sanierung bemerken wir eine noch nicht sehr rege Nachfrage seitens der Wohnungswirtschaft, trotz vorhandener Fördermöglichkeiten", äußerte er mit Blick auf das Plenum. Damit sollten sich die Anwesenden einmal auseinandersetzen.

Im Anschluss stellte er sich den kritischen Fragen des Fachpublikums, das via Smartphone Fragen einschicken konnte. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW und Vorstandschef der IW.2050 unterstützte Fisch. Er war per Video zugeschaltet, weil er wegen der Bahnstreiks nicht anreisen konnte. Moderatorin Ulrike Trampe, Editor-at-Large bei der Fachzeitschrift "DW Die Wohnungswirtschaft", sah anhand der gewerteten Fragen schnell, was den Anwesenden unter den Nägeln brennt: Der Fokus lag auf dem Einsatz der Wärmepumpe und deren Bezahlbarkeit, der Nutzung von Wasserstoff als Heizmittel und den steigenden Strompreisen.

Gedaschko nutzte gleich noch die Gelegenheit, BMWK-Vertreter Maaß vor Ort zu haben und teilte ihm seine Sorgen zur GEG-Novelle mit: "Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft sieht mit großer Sorge, dass die Vorgaben angesichts der aktuell sehr schlechten Bau- und Finanzierungsbedingungen nicht realisierbar sind", sagte der GdW-Chef – "und vor allem nicht sozial verträglich umsetzbar. Damit wird sich das Erreichen der Klimaziele als Hauptanliegen der Regierung weiter verzögern."

Klimaneutralität: "15 Fokus-Sessions" und fachliches Know-how

Beim zweiten Kongresstag standen die "15 Fokus-Sessions" im Vordergrund, von denen immer fünf gleichzeitig stattfanden. Sie boten die Möglichkeit, sich gemäß einem eigenen Schwerpunkt oder Interesse mit einem Thema aus den drei Bereichen "Energieversorgung und -produktion", "Modernisierung, Neubau und graue Emissionen" und "Management und Rahmenbedingungen" zu befassen. Jeder Slot war auf eine Stunde gelegt, es wurde aber nie langatmig, da ein Großteil der Zeit dazu genutzt wurde, auf Fragen der Gäste einzugehen.

Michaela Meyer, die stellvertretende Vorständin der IW.2050 sowie Bereichsleiterin und Mitglied der Geschäftsleitung der Joseph-Stiftung Bamberg, zog am Ende noch ein positives Fazit der Fachtage. "Die Beiträge des Kongresses waren angefüllt mit konkreter Inspiration für die Umsetzung des Transformationsprozesses im eigenen Unternehmen", sagte sie. Ebenso wie die Arbeit in der Initiative Wohnen.2050 in den vergangenen dreieinhalb Jahren habe der Kongress die dringend benötigte Motivation für den weiteren Weg zur Klimaneutralität gegeben, so Meyer weiter. Die Organisation in einer starken Gemeinschaft – mit geballtem fachlichem Know-how – sei die beste Grundlage, die wachsenden Herausforderungen Schritt für Schritt zu meistern.

Übrigens: Da der Name Darmstadtium bei einigen Teilnehmenden für belustigte Bemerkungen sorgte, sei an dieser Stelle gesagt: Es handelt sich dabei nicht um ein Wortspiel mit dem Stadtnamen, sondern ist eine Hommage an das gleichnamige chemische Element, das im Jahr 1994 entdeckt wurde.

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"Initiative Wohnen 2050": Gründung & Ziele

Die "Initiative Wohnen 2050" (IW.2050) ging am 28.1.2020 an den Start. Gegründet wurde sie von 24 Unternehmen unter anderem aus der Wohnungswirtschaft, initiiert von der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt. Neben der strategischen Kooperation und dem fachlich-inhaltlichen Austausch stehen Themen zum Erreichen der Klimavorgaben im Mittelpunkt der Arbeit. Zu den Unterstützern gehören die EBZ Business School, der GdW und verschiedene Regionalverbände.

Mittlerweile hat das Bündnis mehr als 200 Mitglieder. Das gemeinsame erklärte Ziel ist es, die eigenen CO2-Emissionen so zu minimieren, dass die Marke von weniger als zwei Grad Celsius gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten wird.


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