Wohnen im Fußballstadion? – Kaiserslauterns Masterplan

Wohnraum fehlt vielerorts, doch Bauland ist knapp. Ob Brachflächen recycelt, Baulücken geschlossen oder Dächer aufgestockt werden – es sind Ideen gefragt. In Kaiserlautern könnte das Areal in und um das "Fritz-Walter-Stadion" zum neuen Stadtquartier werden. Der Masterplan steht.

Luxus-Apartments im denkmalgeschützten "Highbury Stadion", der ehemaligen Fußballarena von Arsenal London in England, Architektenträume von Wohnmodulen auf den oberen Rängen von Fußballstadien trotz Spielbetrieb in Brasilien oder die preisgekrönte Masterarbeit von Valerio Calavetto vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), im Wildparkstadion Studenwohnungen zu integrieren – ganz neu ist die Idee nicht, Fußballstadien, die den größten Teil des Jahres leerstehen, multifunktional zu machen.

Auf diesen Zug springt nun Kaiserslautern auf: Flächen in und um das "Fritz-Walter-Stadion" sollen bald zum Wohnen, Einkaufen und Arbeiten genutzt werden. Das Frankfurter Team des Beratungsunternehmens Drees & Sommer SE mit Hauptsitz in Stuttgart hat einen Masterplan für ein neues Stadtviertel am Betzenberg erarbeitet. Die weitere Quartiersentwicklung soll mit Bürgerbeteiligung erfolgen.

Multifunktionaler Stadtteil statt "nur" Fußball

"Mit der erweiterten Nutzung des Stadionareals könnten wir einen Platz schaffen, an dem nicht nur der FCK, sondern auch das Leben spielt", erklärte Kaiserslauterns Oberbürgermeister Dr. Klaus Weichel (SPD). Nach den vorläufigen Plänen der Stadt sind um das "Fritz-Walter-Stadion" herum Wohnanlagen mit Einrichtungen für Senioren, eine Kindertagestätte und ein Ärztehaus vorgesehen. In einem "Haus des Sports" ist unter anderem Raum für Physiotherapie, Sportschulen, Vereine und eine Sportakademie geplant.

Moderne Co-Working-Spaces und Startup-Locations könnten in der Südtribüne des Stadions oder im Logenturm direkt am Stadion realisiert werden. Zusätzliche Containermodule sind als kurzfristige und günstige Nutzung vorgesehen. Gegenüber dem Stadion könnten neben Veranstaltungsflächen, einem Hotel, auch Bürogebäude entstehen. Für Geschosswohnungen und Stadtvillen wäre Platz am Quartiersrand.

"Das Fritz-Walter-Stadion bietet viele ungenutzte Räume und Flächen, vor allem in der Ost- und Südtribüne, die auch den Spielbetrieb und die Zuschauerränge in keiner Weise tangieren", ergänzte Dr. Stefan Weiler, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Stadt und Landkreis Kaiserslautern (WFK). Das Stadion sei das optimale Zuhause für junge Unternehmen und das Areal biete Möglichkeiten für Wohnraum. "Mit diesem Umbaukonzept positioniert sich die Stadt als echter Innovationsträger", so Weiler.

Ein Stadtquartier als Motor für die Wirtschaft?

Die geplanten Stadtentwicklungsmaßnahmen sollen zudem die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Stadions sicherstellen und die Kommune finanziell entlasten. "Corona hat gezeigt, dass eine zu große wirtschaftliche Abhängigkeit von den Zuschauerzahlen im Stadion die Vereine wirtschaftlich unter Druck setzen kann", sagte Thomas Hengen, Geschäftsführer Sport beim 1. FC Kaiserslautern. Die hohen Investitionen in ein Stadion ließen sich nicht immer durch eine ausschließliche Nutzung für Fußballspiele, Konferenzen und Events decken. Zusätzliche Einnahmequellen könnten die Zukunftsfähigkeit des Stadions sichern.

Frank Bornmann, Partner der Drees & Sommer SE und Projektleiter, ist der Ansicht, dass der Quartiersgedanke und die Umstrukturierung im Stadionbereich für viele Vereine und Kommunen fast schon eine Notwendigkeit sei, um wirtschaftlich zu bleiben: "Und das Potenzial der Erweiterung der Areale ist enorm: 98 Stadien mit einer Kapazität für über 15.000 Personen verteilen sich derzeit deutschlandweit über alle Bundesländer."

Klima im Fokus: Erneuerbare Energien und Mobilitätshubs

Der Masterplan von Drees & Sommer für Kaiserslautern sieht vor, dass die künftigen Einnahmen aus vermietbaren Flächen und Pachterlösen unter anderem die Ausgaben für den Umbau des Areals, seiner Vermarktung und Finanzierung wieder einfahren. Das Unternehmen ist seit 2018 an der Quartiersplanung am Betzenberg beteiligt und verantwortete die Konzeption des Masterplans. Nach ersten Markt- und Standortanalysen definierte ein Experten-Team aus den Bereichen Real Estate Consulting und Sports- und Entertainment ein Entwicklungskonzept und setzte einen Businessplan für die Stadt auf.

Der Masterplan beinhaltet eine klimafreundliche Energieversorgung des gesamten Areals durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Außerdem sind quartiersinterne Energiespeicher vorgesehen. Durch Maßnahmen wie Mobilitätshubs im Quartier sollen Verkehrsmittel nahtlos verknüpft und die Mobilität damit nachhaltig und zukunftsorientiert gestaltet werden. Auch Angebote wie beispielsweise Car Sharing, Bike Sharing oder Stadtbuslinien sind Teil des Plans. Lokalen Aufbereitungsmöglichkeiten für Abwasser runden das Konzept ab.

Ohne Bürgerbeteiligung geht es nicht

Bestehende Immobilien und vorhandenen Strukturen sind die Ausgangsbasis für die Entwicklung des Areals. Im nächsten Schritt ist vorgesehen, die Bereiche Gesellschaft, Energie & Klima, Mobilität & Verkehr, Immobilie & Ressourcen, Digitalisierung und Infrastruktur in Expertenworkshops mit Stakeholdern und weiteren Beteiligten auszuarbeiten. "Dabei werden die einzelnen Entwicklungsbausteine behandelt, der Bebauungsplan angepasst sowie die Umnutzungspläne des Fritz-Walter-Stadions präzisiert", teilte Drees & Sommer mit.

Die Ergebnisse aus den Workshops sollen der vorgesehenen Bürgerbeteiligung als Basis dienen. Noch in diesem Frühsommer soll es der Mitteilung zufolge losgehen. "Um ein Quartier für alle zu schaffen, muss die Teilhabe der Bürger an der Entwicklung ermöglicht und gefördert werden", sagte Projektleiter Bornmann.


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Schlagworte zum Thema:  Nachverdichtung, Stadtentwicklung, Wohnungsbau