Leerstand & DDR-Altschulden: Wohnungsmarkt in Ostdeutschland

Der Wohnungsmarkt im Osten Deutschlands ist geprägt von Überangebot und Leerstand. Das muss die Bundesregierung bei der Förderung beachten, fordern Branchenverbände – das Politiker-Mantra vom Neubau passe hier nicht. Auch die DDR-Altschulden sind immer noch ein Problem.

Sieben sozial orientierte Wohnungsverbände haben die Bundesregierung auf Besonderheiten des Wohnungsmarktes im Osten Deutschlands hingewiesen. "Das Narrativ der angespannten Märkte geistert durch die Republik, während wir hier einen ganz anderen Markt haben", sagte Mirjam Philipp, Vorstand des Verbands sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG), am 9. April in Leipzig.

Wohnungsneubau um jeden Preis: Nicht im Osten

Der Wohnungsmarkt im Osten Deutschlands sei vielmehr von einem Wohnungsüberangebot und Leerstand geprägt. Ursache dafür sei etwa die Bevölkerungsentwicklung durch den demografischen Wandel. Deshalb benötige der ostdeutsche Markt auch eine ganz andere Förderung als etwa in München oder Hamburg. Das Politiker-Mantra "Neubau um jeden Preis" gefährde den Erhalt des bezahlbaren Wohnens, wenn kein Geld mehr für Investitionen in die Instandhaltung und Modernisierung des Bestandes bleibe.

Durch die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge konnte der Leerstand etwas abgefedert werden, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung der Verbände. Nach den Prognosen des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerung in Ostdeutschland bis 2035 aber weiter schrumpfen, was zu einem weiteren Anstieg der Leerstände führen dürfte. "Unter Berücksichtigung der Bedarfe der ostdeutschen Wohnungswirtschaft müsse der Bestand vermehrt im förderinhaltlichen Mittelpunkt stehen", bestätigte der Direktor im Verband der Wohnungsgenossenschaften (vdwg) Sachsen-Anhalt, Dr. Matthias Kuplich. "Es gibt hier keine angespannten Wohnungsmärkte, sondern mehr und mehr angespannte wirtschaftliche Rahmenbedingungen."

Über die Neuansiedlung von großen Tech-Unternehmen könne der Bedarf an Wohnraum exorbitant anwachsen und möglicherweise die Leerstandsproblematik absenken. "Wo Arbeitsplätze entstehen, werden Fachkräfte und Wohnungen gebraucht. Facharbeiterlöhne erfordern bezahlbaren Wohnraum und das bezahlbare Wohnen braucht eine gemeinsame Anstrengung und ausreichende Förderung", bringt es Frank Emrich, Direktor des Verbands Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) Thüringen, auf den Punkt. Für einen passenden Aufbau der Infrastruktur bedürfe es vertraglich gebundener Planungssicherheit für die Wohnungsunternehmen.

Klimaneutralität bis 2045 macht das Wohnen teurer

Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), sagte, die Unternehmen litten in besonderem Maße unter den hohen Bau- und Zinskosten sowie den steigenden Anforderungen im Rahmen der Energiewende. "Höhere Kosten infolge von Klimaschutzauflagen können und wollen unsere Mitgliedsunternehmen nicht auf ihre Mieterschaft abwälzen."

Um das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2045 zu erreichen, habe die Bundesregierung den Weg über eine weitere Steigerung der Energieeffizienz der Gebäude vorgesehen und erst in zweiter Linie die Dekarbonisierung der Energieerzeugung im Blick – "Dieser Weg ist extrem teuer und zudem nur sehr begrenzt effizient", sagte Maren Kern, Vorständin im BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Eine Studie im BBU-Auftrag habe ergeben, dass die CO2-Einsparungswirkung bei Investitionen in die Dekarbonisierung der Energieerzeugung fünfmal höher sei als bei Investitionen in die Gebäudesanierung.

Angesichts sehr niedriger Mieten in weiten Teilen der neuen Länder sei die Refinanzierung der vorgegebenen Investitionen praktisch ausgeschlossen. Da die Umlagemöglichkeit zudem gesetzlich bei zwei beziehungsweise drei Euro pro Quadratmeter gekappt ist, wären viele gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen in ihrer Existenz bedroht: "Die Umsetzung der gesetzlich geforderten Investitionen würde mindestens zu einer Verdopplung ihrer Schulden und einer Vervielfachung des Schuldendienstes führen."

Betriebskosten: Fernwärme bereitet Mietern Sorge

Breitner warb außerdem für eine unabhängige Kartellbehörde, die Fernwärmeanbieter regelmäßig streng kontrolliert. Die Sorgen vor steigenden Kosten seien bei den Mietern derzeit besonders groß. Die Anbieter ließen sich bei der Preisermittlung nicht in die Karten schauen. "Zudem sollten Anbieter von Fernwärme der Gemeinwohlorientierung unterworfen sein", forderte der VNW-Direktor.

Die Fernwärmepreise steigen den Verbänden zufolge in diesem Jahr in vielen Regionen. Laut der Verbraucherzentrale Bundesverband sind bei den Fernwärmenetzen teilweise bis zu 400 Euro mehr pro Haushalt fällig. Gründe dafür sind der Wegfall der Deckelung der Energiepreise ab April 2024 sowie der Wegfall der reduzierten Mehrwertsteuer und die Erhöhung des Arbeitspreises im Zuge des Gaspreisanstieges. Hinzu kommt die tendenziell weiter ansteigende CO2-Abgabe, deren Kosten anteilig auf Mieter und Vermieter verteilt werden.

"Die Belastungsgrenze der Haushalte aus Miete und Betriebskosten ist schon jetzt erreicht und kann aufgrund der unterdurchschnittlichen Einkommen und Renten in Ostdeutschland nicht beliebig erhöht werden", so Jens Zillmann, Chef des Verbands der Wohnungswirtschaft (VdW) Sachsen-Anhalt.

DDR-Altschulden: Hindernis für die Energiewende

Die Wohnungsverbände forderten auch eine Entlastung bei den noch offenen und den bereits getilgten DDR-Altschulden. Diese Belastung sei weitgehend aus dem Fokus der Politik verschwunden, stelle aber auch 34 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer ein spürbares reales Problem dar, erklärte Alexander Müller, Direktor des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw) Sachsen.

Laut einer Umfrage des vdw Sachsen unter den Mitgliedern, sind für mehr 80 Prozent der Unternehmen diese Art der Schulden nach wie vor ein Hemmnis. Selbst wenn mittlerweile etwa drei Viertel der Verbindlichkeiten beglichen wurden, stehen noch immer Milliardenbeträge offen. "Dadurch gebundene oder wegen der bereits erfolgten Tilgung fehlende Mittel sind ein enormes Hindernis für erforderliche und geforderte Maßnahmen", so Müller – nicht zuletzt im Rahmen der Energiewende. Eine Entlastung als Investitionszuschuss könnte die derzeit nicht vorhandenen finanziellen Räume für dringend notwendige Maßnahmen, insbesondere im ländlichen Raum, schaffen.

Die Forderungen kamen von Wohnungsverbänden in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Zu den sieben Verbänden zählen insgesamt 1.052 Wohnungsunternehmen mit einem Bestand von 1,75 Millionen Wohneinheiten. Demnach stehen davon rund 143.000 Wohnungen leer – das ist eine Leerstandsquote von 8,2 Prozent. Im Jahr 2023 wurden insgesamt zirka 2.500 Wohnungen gebaut und 3.100 Wohnungen durch Rückbau vom Markt genommen. Die getätigten Investitionen liegen bei 3,38 Milliarden Euro.


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dpa