Leerstand, Rückbau, Abriss: Sachsen verlängert Förderantrag-Frist

In Leipzig ist Wohnraum knapp, im Umland stehen Wohnungen leer – am Ende bleibt oft nur die Abrissbirne. Dafür greifen Wohnungsgesellschaften tief in die Tasche. Um sie finanziell zu entlasten, fördert Sachsen die Kommunen beim "Rückbau Wohngebäude". Die Antragsfrist wurde bis 1. Oktober verlängert.

Während Großstädte wie Leipzig oder Dresden unter dem Zuzug ächzen und mit dem Wohnungsbau kaum hinterher kommen, müssen in einigen anderen Städten Sachsens, vor allem aber in ländlicheren Kommunen, Wohnungsgesellschaften viel Geld in den Abriss ihrer leerstehenden Gebäude stecken. Ein Hauptgrund ist die demografische Entwicklung, wie der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VdW) erklärt. Die Einwohnerzahlen in Städten und Gemeinden sinken, es werde weniger Wohnraum als in den 1990er Jahren benötigt und in alten, oft schlecht sanierten Plattenbauten will niemand mehr wohnen.

Im Jahr 2019 standen laut VdW Sachsen im ganzen Land 10,7 Prozent der Wohnungen leer, vor allem im ländlichen Raum und hier insbesondere die Grenzregionen zu Polen und Tschechien. Dort gab es bei den im Verband organisierten Unternehmen zum Teil Leerstandsquoten von mehr als 20 Prozent.

Förderprogramm "Rückbau Wohngebäude": Sachsen verlängert Frist

Um die Wohnungswirtschaft zu unterstützen, hat der Freistaat Anfang des Jahres das Förderprogramm "Rückbau Wohngebäude" aufgelegt, die Kommunen sollen den Unternehmen unter die Arme greifen. Bis Anfang Oktober 2021 können Kommunen noch Anträge stellen – die Frist wurde gerade verlängert –, um bis zu 50 Euro pro Quadratmeter rückgebauter Wohnfläche zu erhalten. Drei Millionen Euro will Sachsen 2021 ausgeben, um den Wohnungsgesellschaften einen Teil der Abrisskosten abzunehmen.

"Das Problem ist allerdings, dass viele Kommunen an den Eigenmitteln für den Rückbau scheitern", sagt Alexander Müller, Büroleiter Kommunikation, Finanzen und interne Verwaltung beim VdW Sachsen. Und die Wohnungsgesellschaften könnten bei Nettokaltmieten unter fünf Euro kaum Rücklagen bilden, um den teuren Abriss zu finanzieren. Ein weiteres Problem ist: Der sogenannte Teilrückbau wird mit dem Landesprogramm "Rückbau Wohngebäude" nicht gefördert – hier soll der Bund einspringen. Der Verband geht davon aus, dass sich das Problem in den kommenden Jahren weiter zuspitzen wird.

Wohnungswirtschaft kämpft mit Leerstand – Trend spitzt sich auch im Berliner Umland zu

Leerstand ist aber nicht nur ein sächsisches Problem. Auch in Brandenburg etwa – außerhalb von Berlin nebst Peripherie – stehen mehr als zehn Prozent der Wohnungen leer, mancherorts ist jede dritte Wohnung unbewohnt. Die Zahlen stammen aus dem Jahresbericht 2020 des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Demnach lag im direkten Berliner Umland der Leerstand im Jahr 2019 bei 2,3 Prozent, während im weiteren Metropolraum 10,4 Prozent und damit fast fünfmal so viele Wohnungen wie direkt um Berlin herum leer standen.

Besonders viele Wohnungen standen mit 18,8 Prozent im Landkreis Prignitz leer. Auch in den Kreisen Elbe-Elster (12,6 Prozent), Oberspreewald-Lausitz (13,4 Prozent) im Süden des Landes und in Ostprignitz-Ruppin (7,7 Prozent) im Norden gab es viele leere Wohnungen – trotz eines kontinuierlichen Abrisses, wie es hieß.

Seit der Wende 1998/90 wurden in Brandenburg zirka 71.500 Wohnungen mit öffentlichen Mitteln abgerissen. Seit 2002 flossen Bundes- und Landeszuwendungen von insgesamt 225 Millionen Euro in den Rückbau von rund 64.000 Wohnungen, wie das Brandenburger Infrastrukturministerium 2020 mitteilte.

Systematischer Leerstand in Hessen wegen Spekulation

Mit einem ganz anderen Problem als dem demografischen Wandel kämpft Hessen: Hier stehen in den Großstädten immer wieder Wohnungen leer. Sie liegen in den besten Lagen, zum Beispiel im Frankfurter Nordend. Mike Josef (SPD), Planungsdezernent in Frankfurt am Main, vermutet, dass viele der leerstehenden Wohnungen Spekulationsobjekte sind: "Momentan ist es finanziell äußerst lukrativ, Wohnraum leer stehen zu lassen in der Hoffnung, diesen in kurzer Zeit für einen deutlich höheren Preis zu verkaufen." Kai Schönbach von der Stabstelle Mieterschutz der Stadt vermutet eine Zahl im vier- bis fünfstelligen Bereich bei den ungenutzten Wohnungen. Genaue Zahlen gebe es aber nicht.

Neu ist das Thema nicht. Mit zunehmend angespannten Mietmärkten wird es allerdings brisanter. Josef fordert vom Land Hessen, dass das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnungen wieder eingeführt wird. Das Gesetz war 2004 von der damaligen CDU-Landesregierung außer Kraft gesetzt worden. Die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag hatte im Februar 2019 einen Entwurf für ein Wohnraumschutzgesetz vorgestellt. Die Regierungsfraktionen (CDU und Grüne) stimmten bislang aber keinem Entwurf zu.

Grundsteuer-Erlass bei unverschuldetem Leerstand

Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus dem Jahr 2019 standen im Untersuchungszeitraum 2017 rund zwei Millionen Wohnungen leer. Das sind 5,2 Prozent aller Wohnungen in Deutschland. Wenn Vermieter unverschuldet einen erheblichen Mietausfall (mindestens 50 Prozent) haben, können sie unter Umständen die Grundsteuer zurück bekommen (falls die Miete komplett ausfällt) oder einen teilweisen Erlass (bis zu 25 Prozent) bei der Kommune beantragen.

Urteile zum Erlass der Grundsteuer

  • Steht die Wohnung leer, weil ein Überangebot an Immobilien vorliegt, aber der Vermieter hat sich "redlich um neue Mieter gekümmert", ist er nicht für den Leerstand verantwortlich und hat ein Recht auf Steuererlass, urteilte der Bundesfinanzhof (Az.: II R 5/05).
  • Der Leerstand denkmalgeschützter, sanierungsbedürftiger Gebäude allein kann nicht zur Minderung der Grundsteuer führen, urteilte das Verwaltungsgericht Koblenz (Az.: 5 K 760/19). Modernisierungs- oder Renovierungsarbeiten haben die Eigentümer selbst zu verantworten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Für die Städte und Gemeinden ist es schwierig, Leerstände zu ermitteln. Dort, wo der Wohnraum knapp ist, besteht allerdings ein großes Interesse an Zahlen zu leerstehenden Wohnungen. In Baden-Württemberg etwa macht sich jetzt die Stadt Herrenberg im Großraum der Metropole Stuttgart daran, langfristig eine detaillierte Leerstands­erfassung sowie eine Leerstandspotenzialanalyse zu erstellen, wie die Stuttgarter Zeitung berichtete.


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dpa
Schlagworte zum Thema:  Leerstand, Wohnungsmarkt