Sozialwohnungen: Die Bundesländer müssen bauen

100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr will die Bundesregierung bauen – umsetzen müssen das Ziel die Bundesländer. Geld ist da, doch das allein reicht offenbar nicht. Die Bestände sinken vielerorts seit Jahren. In Baden-Württemberg scheint es nun eine Trendwende zu geben.

In Baden-Württemberg sind nach fünf Jahren rückläufiger Zahlen im vergangenen Jahr wieder mehr Sozialwohnungen geschaffen worden als im Vorjahr. 2.167 geförderte Wohnungen wurden neu gebaut, wie Bauministerin Nicole Razavi (CDU) am 24. Januar in Stuttgart mitteilte, nach 1.956 im Jahr 2021 – gleichzeitig sind 1.431 Sozialwohnungen aus der Belegungsbindung gefallen: Unter dem Strich hat sich die Zahl der Wohnungen also um 736 Einheiten auf 52.287 erhöht. Das entspreche einem Zuwachs von 1,4 Prozent, sagte Razavi: "Die Abwärtsspirale ist gestoppt und die Umkehr geschafft."

Als Grund nannte die CDU-Politikerin die Erhöhung der Mittel für die Wohnungsbauförderung. Während 2013 und 2015 das Fördervolumen noch bei rund 63 Millionen Euro pro Jahr lag, sind es zum Beispiel für das Jahr 2023 bereits 463 Millionen Euro, die zur Verfügung gestellt werden – für 2024 will die schwarz-grüne Landesregierung 551 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Von der Bewilligung bis zum Einzug in eine preisgebundene Wohnung dauert es zwischen drei und fünf Jahren.

Die Frage nach ausreichend Wohnraum sei die soziale Frage der Zeit, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Sowohl der Regierungschef als auch die Bauministerin lehnten es ab, eine eigene Wohnungsbaugesellschaft im Land zu gründen. Razavi sagte: "Der Staat ist nicht der bessere Bauherr." Sie warb erneut für ihren Vorschlag für eine Prämie von 6000 Euro an Bauherren für jede fertiggestellte Wohneinheit. Eine finale Entscheidung dazu ist aber im Kabinett noch nicht gefallen, wie Kretschmann berichtete. Er betonte, dass es dafür keine zusätzlichen Haushaltsmittel gebe, sondern das Geld aus dem laufenden Etat bezahlt werden müsse.

Weniger Sozialwohnungen in fast allen Bundesländern

Dass die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland insgesamt tendenziell weiter zurückgeht, geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Linken-Fraktion hervor. Den jüngsten Daten zufolge schrumpfte der Bestand 2021 in zehn von 16 Bundesländern: Das waren Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Hessen, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein stockten auf. Aus Baden-Württemberg lagen Mitte 2022 keine Zahlen vor.

Bei Sozialwohnungen sind die Mieten staatlich reguliert. Nur Menschen, bei denen die Behörden einen besonderen Bedarf sehen, dürfen dort wohnen. Das gilt allerdings nur für eine bestimmte Zeit, danach können die Wohnungen normal am Markt vermietet werden. Die Dauer der Bindung ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Oft sind es zwölf, 15, 20 oder 30 Jahre. Weil wenig neu gebaut wurde, schrumpfte die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren.

Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau gibt es nicht nur für den Neubau, sondern auch für die Modernisierung der preisgebundenen Mietwohnungen.

Hamburg: Zahl der Sozialwohnungen sinkt stark

Rund 800 Millionen Euro Wohnraumförderung wurden vom Bund in den vergangenen zehn Jahren an Hamburg (204,09 Millionen Euro), Schleswig-Holstein (270,9 Millionen Euro) und Mecklenburg-Vorpommern (322,72 Millionen Euro) gezahlt, schreibt die Bundesregierung.

Trotzdem sank in Hamburg die Zahl der Sozialwohnungen von 2020 bis 2021 im Bestand von 83.130 auf 80.384. Bei den bewilligten neuen Wohnungen mit Mietpreis- oder Belegungsbindung gab es zwar eine Steigerung von 2.643 im Jahr 2020 auf 2.819 im Jahr 2021 – es wurde aber nur knapp ein Fünftel gebaut.

Im Jahr 2021 seien 1.895 im ersten und zweiten Förderweg geförderte und preisgebundene Wohnungen fertiggestellt worden, erklärte die damalige Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) bei der Vorstellung der Wohnraumförderungsbilanz am 25.1.2022 – 55 Prozent weniger als 2020 (3.472). Der Anteil an der Gesamtzahl der Neubauwohnungen betrug knapp ein Fünftel, geplant war zu diesem Zeitpunkt ein Drittel (30 Prozent).

Rund ein Drittel (33,5 Prozent) der Förderungen erhielten private Investoren. Damit lagen sie knapp hinter der städtischen Saga (35,5 Prozent) und deutlich vor den Genossenschaften (22,8 Prozent). Das erklärte Ziel des Senats sind 3.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr. Um den Bau anzukurbeln, will Hamburg die Förderung für dieses Jahr um zwölf Prozent gegenüber 2021 anheben.

Niedersachsen und Bremen: Angebot deckt Nachfrage nicht

Am Ausbauziel von 40.000 neuen Wohnungen bis 2030 hält Niedersachsen fest. Die Landesregierung werde alles daransetzen, dieses Ziel zu erreichen, sagte ein Sprecher. Trotzdem ist die Zahl der Sozialwohnungen auch hier gesunken: 2021 gab es in Niedersachsen 55.193 Sozialwohnungen und damit 5.071 weniger als im Jahr 2020, so die Bundesregierung. Das war ein Rückgang um 8,4 Prozent. Die Zahl der bewilligten Wohneinheiten für Neubaufördermaßnahmen in Niedersachsen belief sich der Antwort zufolge im Jahr 2021 auf 696. 2020 waren es mit 1.201 beinahe doppelt so viele.

Rückläufig war die Entwicklung den Angaben zufolge auch im kleinsten deutschen Bundesland Bremen. Dort sank die Zahl der Sozialmietwohnungen von 7.681 im Jahr 2020 um 3,1 Prozent auf 7.442 im Jahr 2021. Bewilligt wurden in Bremen 410 Wohneinheiten im Jahr 2021; 2020 waren es null.

Sozialwohnungen sind Mangelware: auch in Bayern

Wo die Mieten besonders hoch sind, beantragen immer mehr Menschen eine geförderte Wohnung, wie das Beispiel München zeigt. Das Amt für Wohnen und Migration verzeichnete im Sommer 2021 seit Juli 2020 pro Monat eine durchschnittliche Steigerung von rund 800 Anträgen für eine geförderte Wohnung.

Bayerns zweitgrößte Stadt Nürnberg hat ein ähnlich großes Problem: Nach Angaben der Stadtverwaltung ist die Warteliste der berechtigten Haushalte lang, ebenso in vielen bayerischen Kleinstädten. Die Zahl der geförderten Wohnungen schrumpft auch, weil Sozialwohnungen aus der Bindung fallen.

NRW: Mehr Wohnungen, aber nicht staatlich gefördert

In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist die Zahl der Wohnungen insgesamt binnen elf Jahren um rund fünf Prozent gestiegen, doch auch im einwohnerstärksten Bundesland gab es 2021 bei den Sozialwohnungen einen gegenläufigen Trend, wie die Bundesregierung weiter berichtet.

Waren es im Jahr 2020 noch 451.662 Wohnungen, deren Mieten staatlich reguliert waren, wurden 2021 nur noch 442.295 Einheiten registriert. Das ist ein Rückgang um zwei Prozent. Bei den bewilligten 4.484 Neubauten mit Förderung im Jahr 2021 betrug das Minus im Vergleich zu 2020 rund 16 Prozent.

In der NRW-Metropole Köln hat sich die Zahl der Sozialwohnungen in den vergangenen zehn Jahren (bis Ende 2020) nahezu halbiert: Von 38.381 auf 19.398.

Rückgang von Sozialwohnungen: In Hessen gestoppt

In Hessen hat es 2021 erstmals seit Mitte der 1990er Jahre wieder mehr Sozialwohnungen als im Vorjahr gegeben, teilte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) Anfang 2022 mit: Insgesamt waren es 80.515 Wohnungen im Jahr 2021 – knapp 800 mehr als im Jahr 2020. Zuvor hatte die Landesregierung die Mittel für die Wohnraumförderung aufgestockt und die Förderkonditionen verbessert.

Für 2021 sind in Hessen 370 Millionen Euro für den Bau geförderter Wohnungen bereitgestellt worden, allein für den Sozialwohnungsbau betrug die Summe nach Angaben des Ministeriums rund 320 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 lag die Förderung bei nur 54 Millionen Euro. Bis 2024 sollen 2,2 Milliarden Euro in die soziale Wohnraumförderung fließen. 14 Millionen Euro sind für den Erwerb von Belegungsrechten eingeplant.

Gegen den Trend ist die Zahl der Sozialwohnungen laut Bundesregierung auch in Sachsen gestiegen. Und in Sachsen-Anhalt gab es demnach sogar ein kräftiges Plus: Den Daten zufolge nahm der Bestand an Sozialmietwohnungen hier von 3.373 im Jahr 2020 auf 4.458 im Jahr 2021 zu.

Sozialwohnungsbau – Förderung nicht attraktiv genug?

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW fordert regelmäßig eine Vervielfachung der staatlichen Investitionen auf bundesweit mindestens vier Milliarden Euro pro Jahr. Nach GdW-Schätzung wären 320.000 neue Sozialwohnungen jährlich nötig. Zuständig für den Sozialwohnungsbau sind seit dem Jahr 2006 die Länder, der Bund zahlt nur Zuschüsse. Die Kofinanzierung durch die Bundesländer liegt in der Regel bei 30 Prozent der in Anspruch genommenen Bundesmittel.

Immer wieder hängt es bei den Ländern, wie das Beispiel Thüringen zeigt: Aus der Bundesförderung standen für Thüringen im vergangenen Jahr 26 Millionen Euro sowie weitere 26 Millionen Euro aus der für 2022 vom Bund bereitgestellten "Klimamilliarde" zur Verfügung. Voraussetzung: Die insgesamt 52 Millionen Euro müssen zu einem Drittel durch Landesmittel kofinanziert werden. Dieses Geld müsse 2023 bereitgestellt werden, da im Haushalt 2022 kein landeseigenes Geld für soziales Wohnen vorgesehen war. Auch in Thüringen ist die Zahl der Sozialwohnungen im Jahr 2021 weiter gesunken: Im Vergleich zum Vorjahr von 3.402 auf 3.008 und im Zehn-Jahres-Vergleich von 14.100 auf 13.474.

Dem sozialen Wohnungsmarkt drohe der Kollaps, warnte kürzlich ein Bündnis: Um den abzuwenden, müsse der Bund "möglichst rasch" ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro auflegen.


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dpa
Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau, Sozialwohnung, Wohnungspolitik