Wohnungsbau: Zahl der Sozialwohnungen sinkt massiv bis 2035

Bis Ende 2024 wird die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland unter die Millionenschwelle fallen und bis 2035 weiter massiv zurückgehen, heißt es in einer neuen Studie. Sozialer Wohnungsbau funktioniere nur in Regionen, in denen die Förderbedingungen wirklich gut sind.

Laut einer Studie von Colliers wird es bis Ende 2024 nur noch 981.100 Sozialwohnungen in Deutschland (Gesamtbestand zirka 43 Millionen Wohnungen) geben – nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 waren es rund 2,9 Millionen. Da immer mehr Wohnungen aus der zeitlich begrenzten Sozialbindung fallen und der Neubau massiv stockt, wird sich der Negativtrend weiter fortsetzen.

Im Jahr 2035 wird es nur noch 554.100 Sozialwohnungen in Deutschland geben, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln berechnet hat.

Gute Förderbedingungen, mehr Sozialwohnungen

"Sozialwohnungen sind ein hohes kulturelles Gut und ein Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft, die Deutschland über Jahrzehnte geprägt hat. Leider fehlen mittlerweile die passenden Rahmenbedingungen für den Markt, um dieses Erfolgsmodell wiederzubeleben“, sagt Studienautor Felix von Saucken, Head of Residential bei Colliers. Historisch und gegenwärtig lasse sich belegen, dass sozialer Wohnungsbau nur in solchen Regionen funktioniert, in denen die Förderbedingungen wirklich gut sind. "Niemand wird Sozialwohnungen bauen, wenn er damit kein Geld verdient."

In den "Top 7"-Städten Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und München lag die durchschnittliche Kaltmiete für Sozialwohnungen im Jahr 2023 bei 8,14 Euro pro Quadratmeter – im freien Wohnungsmarkt betrug sie 14,90 Euro pro Quadratmeter und damit rund 45 Prozent mehr. Im Jahr 2013 lag der Abstand zwischen sozial regulierten (Kaltmiete von 6,26 Euro pro Quadratmeter) und freien Mieten (9,55 Euro pro Quadratmeter) noch bei 34 Prozent.

Im Jahr 2023 gab es bundesweit weniger als 20.000 Mietangebote für Sozialwohnungen, wie eine Erhebung der Value AG zeigt. 40 Prozent dieser Angebote entfielen auf NRW, 13 Prozent auf Berlin.

Negativtrend nur durch mehr Wohnungsbau zu stoppen

Den größten Anteil an Sozialwohnungen gibt es in Hamburg mit rund acht Prozent am gesamten Wohnungsbestand. Das entspricht rund 81.000 Sozialwohnungen. Den zweiten Platz teilen Berlin und Nordrhein-Westfalen (NRW) mit einem Anteil von jeweils fünf Prozent. Hessen und Schleswig-Holstein folgen mit jeweils drei Prozent.

"Die Politik hat das gesellschaftliche Problem am Wohnungsmarkt zu lange unterschätzt und war nicht bereit, echte Lösungen zu schaffen", beurteilt von Saucken. "Jedes Neubauprojekt ist auch ein wirtschaftliches Risiko und dieses Risiko muss durch Gewinne für die Projektentwickler kompensiert werden." Für mehr Neubau brauche es das privatwirtschaftliche Engagement in Kombination mit attraktiven staatlichen Förderprogrammen.

Bundesweit wurden Colliers zufolge im Jahr 2022 nur 22.755 Sozialwohnungen gebaut und dem Mietmarkt zugeführt – gleichzeitig schrumpfte der Gesamtbestand um 23.200 Einheiten, weil 46.000 Wohnungen aus der Sozialbindung fielen. Den höchsten Zuwachs im Neubau gab es in den großen Flächenstaaten: Bayern führt das Ranking mit 4.056 neuen Sozialwohnungen an vor Baden-Württemberg (3.898 Einheiten) und Nordrhein-Westfalen (3.631 Einheiten), gefolgt von Niedersachsen (2.121) und Berlin (1.935). Gemessen an der Gesamtzahl der Haushalte ist Hamburg mit 1.884 Einheiten auch im Neubau vergleichsweise gut positioniert.

Bericht der Bundesregierung: Länder bauen zu wenig Sozialwohnungen

100.000 neue Sozialwohnungen jährlich sind das erklärte Ziel der Ampel-Koalition – und das wurde im Jahr 2022 erneut verfehlt, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung vom Sommer 2023 auf eine Anfrage der Linken-Fraktion. Demnach wurden in dem besagten Zeitraum nur 22.545 Sozialwohnungen fertiggestellt, während mehr als 36.500 Preisbindungen ausliefen. Das Geld kommt vom Bund, bauen müssen die Länder.

Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt seit Jahren ab. Gab es in der alten Bundesrepublik noch knapp vier Millionen Sozialwohnungen, waren es 2010 nur noch rund 1,6 Millionen und 2020 nur noch rund 1,1 Millionen. Die Mieten sind bei Sozialwohnungen staatlich reguliert. Für den Bau gibt es staatliche Zuschüsse oder vergünstigte Darlehen. Dafür gilt befristet eine gedeckelte Miete. Wohnen dürfen dort nur Menschen, bei denen die Behörden einen besonderen Bedarf sehen. Nach einer bestimmten Zeit können die Wohnungen normal am Markt vermietet werden. Die Dauer dieser Bindung ist in den Ländern unterschiedlich geregelt.

Die Linken-Abgeordnete Lay warf der Ampel ein krachendes Scheitern der Wohnungspolitik vor und forderte ein öffentliches Wohnungsbauprogramm und ein Sondervermögen für bezahlbares Wohnen. Mindestens 20 Milliarden Euro müssten pro Jahr in diesen Bereich fließen. Die IG Bau hält ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den Bau von Sozialwohnungen für erforderlich.

Bundesregierung: Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus


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Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau, Sozialwohnung