Kommentierender Nachbericht: Handelsimmobilien-Gipfel 2024

Gegenwind im Markt um Einzehandelsimmobilien kommt aus vielen Richtungen. Das veränderte Kundenverhalten setzt den stationären Handel jedoch besonders unter Druck. Beim Handelsimmobilien-Gipfel von Heuer Dialog wurden Hebel an der Immobilie selbst gesucht. Damit ist es aber nicht getan.

Leerstände, gestiegene Betriebskosten, schwierige Finanzierungsbedingungen – nur drei der branchenspezifischen Negativtrends, die die Unsicherheiten im Markt um Einzelhandelsimmobilien treiben. Doch dann ist da noch das veränderte Kundenverhalten, was den stationären Handel und vor allem Innenstädte unter Druck setzt und für sie das wohl größte Problem darstellt.

Beim Handelsimmobilien-Gipfel von Heuer Dialog in Düsseldorf wurden unter anderem Maßnahmen zur erfolgreichen Ausrichtung von Warenhäusern, Malls und anderen (ehemaligen) innerstädtischen Passantenmagneten diskutiert. Doch die Einflussmöglichkeiten von klassischen Immobilienakteuren sind begrenzt. Bis zu einem gewissen Grad sind sie machtlos!

Die Citypassage in meiner Heimatstadt Bielefeld, zum Beispiel: Vor einigen Jahren wurde sie runderneuert. Jeder Stein – im wörtlichen und übertragenen Sinne – wurde umgedreht. Wo einst eine Deutschland-typische veraltete Einkaufspassage aus den 70er Jahren stand, ragt nun das prachtvolle, moderne Einkaufszentrum "Loom" heraus.

Sisyphusarbeit: Modernes Einkaufszentrum wird modernisiert

Doch hat diese avisierte Revitalisierung neben der optischen Aufwertung noch andere, weitaus wichtigere Effekte erzielt? Stand jetzt lässt sich klar sagen: Nein! Die moderne Mall mit vier Etagen kämpft weniger als sieben Jahren nach der Revitalisierung wieder mit Leerständen. Die Lösung: Re-Revitalisierung! – das Loom soll nun erneut modernisiert werden. Um dann endgültig loszustarten und sich vor überbordenden Mieteranfragen und Passantenfrequenzen kaum retten zu können? Wohl kaum.

Vielleicht aber doch: Flexible Flächenkonzepte, die jederzeit an neue Nutzer und Nutzungen angepasst werden könnten, wären ein Weg. Das magische Wort, das dabei häufig fällt, ist Mischnutzung. Problem gelöst! Wäre da nicht der leidige Bürokratieapparat, der sich Baurecht nennt: "Flexibilität ist zwar ein Schlüssel, aber Deutschland lässt flexibles Bauen nicht wirklich zu", klagte etwa Manuel Jahn, Geschäftsführer beim Experten für Einzelhandelsimmobilien Habona Consulting beim Handelsimmobilien-Gipfel in Düsseldorf.

Hinweis: Die Schwierigkeiten bei der Umnutzung von (Handels-)Immobilien sind auch Schwerpunktthema in der aktuellen Ausgabe 1/2024 des Magazins "Immobilienwirtschaft".

Einzelhandelsflächen: 30 Prozent vor dem Aus

Auch wenn der Mischnutzung Grenzen gesetzt sind, ist sie ein fundamentaler Trend der Immobilienbranche, der weit über den Handelssektor hinaus geht. Aktuelle Untersuchungen ergeben, dass durch den Boom des Online-Handels ein knappes Drittel der bestehenden Handelsimmobilienflächen künftig nicht mehr gebraucht werden. Andere Nutzungen müssen also rein: Wohnen, die öffentliche Hand, Hotels, Büros, Gesundheitsimmobilien und vieles mehr. Das Gesicht unserer Innenstädte wird sich komplett wandeln müssen: Innenstadt ist nicht mehr gleich Einzelhandel!

Und dann gibt es noch den Faktor Digitalisierung beziehungsweise technische Gebäudeausrüstung. Im Gegensatz zu anderen Immobiliensektoren scheint es aber bei Einzelhandelsgebäuden schwierig zu sein, dadurch wirtschaftlich spürbare Effekte zu erzielen. Omar Tello, Geschäftsführer des Softwareentwicklers Sensalytics, mahnte im Rahmen der Heuer-Veranstaltung daher zur Umsicht: "Technik, nur um Technik zu haben, ist Schwachsinn". Digitale Tools im Einzelhandel sollten einen echten Mehrwert erzielen, und das sei bis dato in den allermeisten Fällen nicht der Fall.

Große Potenziale bei der Energieeffizienz

Ein positives Beispiel für Technik mit Sinn und Verstand ist beim Textilfilialisten Breuninger zu beobachten: Mit der selbstlernenden Energiemonitoring-Software energyControl von Recogizer hat der Freiburger Standort in den vergangenen beiden Jahren knapp 30 Prozent Energie auf insgesamt 13.000 Quadratmeter Verkaufsfläche eingespart. Ein echter Hebel, an dem Immobilienprofis ansetzen können! Genauso wie neue Nutzungskonzepte, flexible Flächengestaltung und andere Aspekte, die die Immobilie betreffen.

Doch am Ende ist der stationäre Handel dem sich verändernden Kundenverhalten unterworfen. Ob ein Einkauf stationär oder online getätigt wird, hängt von vielen Faktoren ab. Die Beschaffenheit einer Immobilie, in der sich ein physischer Shop befindet, ist ein vergleichsweise unwesentlicher Faktor. Wichtiger wird es sein, die Innenstadt neuzudenken und neue Passanten- sowie Kundenmagnete zu kreieren.

Ein schwieriges Unterfangen, das über die reine Immobilie hinausgeht. Und so werden sich Immoblienexperten mit Stadtplanern, Behörden, Kreativen, Werbe- sowie Marketingpsychologen und womöglich weiteren branchenfremden Partnern zusammensetzen und wie Manuel Jahn fragen müssen: "Wie kann man diese digitale Gesellschaft wieder aus dem Haus locken?"


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