
Warenhäuser haben jahrelang als Kundenmagneten die Innenstädte belebt. Als der kriselnde Konzern Galeria Karstadt Kaufhof Filialen dicht machen musste, war die Sorge vor einem Aderlass der Fußgängerzonen groß. Dann zogen neue Einzelhändler ein. Ihre Chance: Die Mieten sind spürbar gesunken.
Filialschließungen und Geschäftsaufgaben in den deutschen Innenstädten waren ein großes Thema der Corona-Pandemie. Betroffen war vor allem die Textilbranche. Im Januar gab unter anderem die Modekette Pimkie bekannt, etwa die Hälfte ihrer Läden dicht machen zu wollen, die Parfümeriekette Douglas kündigte an, fast jede siebte Filiale zu schließen – mehr als 60 Geschäfte.
Besonders hart werde es Kaufhäuser und mehrgeschossige Formate treffen, mit dramatischen Folgen für die Innenstädte, prognostizierten die Unternehmensberatung KPMG und das Handelsforschungsinstitut EHI. Ein Frequenzbringer für die Fußgängerzonen war über viele Jahre Galeria Karstadt Kaufhof. Als der kriselnde Warenhauskonzern mit den Lockdowns viele Einzelhandelsflächen aufgeben musste, befürchteten viele Experten einen Stillstand in den Fußgängerzonen.
Eine Analyse von BNP Paribas Reals Estate zeichnet nun ein anderes Bild: Einzelhändler mit Mut, einem schlüssigen Konzept und finanzieller Kraft nutzen derzeit die Chance zur Expansion oder zum Neueinstieg in den Markt und mieten sich in ehemaligen Galeria Karstadt Kaufhof Immobilien ein. Die Innenstadt werde jetzt erst erschwinglich, die Mietpreisbelastung sei in vielen Städten spürbar gesunken, heißt es in dem Bericht.
Hohe Dynamik bei Nachvermietungen von ehemaligen Galeria-Karstadt-Kaufhof-Immobilien
Laut BNP Paribas Real Estate wurden 2021 bereits rund 30.000 Quadratmeter nur der vormals von Galeria Karstadt Kaufhof genutzten Immobilien an Einzelhändler nachvermietet. Damit liegt der Flächenumsatz kurz vor Halbjahresende fast auf dem Gesamtniveau der Vorjahre 2019 und 2020 mit jeweils rund 40.000 Quadratmetern.
"Hier wird ganz deutlich: Das Vertrauen vieler Retailer in den Standort Innenstadt ist ungebrochen. Sie sehen in der Wiedereröffnung der Geschäfte, im bundesweiten Impffortschritt und in den sinkenden Inzidenzwerten mehr Chancen als Risiken und scheuen sich trotz der weiterhin unsicheren Lage in der Pandemie nicht, diese Chancen zu ergreifen", schreiben die Experten. Insgesamt entfielen im laufenden Jahr 40 Prozent des Flächenumsatzes mit mehr als 1.000 Quadratmetern auf Kaufhausnachnutzungen.
Entgegen aller Prognosen fragten Textil-Retailer (59 Prozent) Flächen in ehemaligen Warenhäusern am stärksten nach. Für diese Händler sei die Innenstadt oft ein "Heimspiel“, auch im großflächigen Segment, heißt es in der Analyse, obwohl der Druck mit dem wachsenden E-Commerce-Handel in der Pandemie höher ist als zuvor. BNP Paribas beobachtet, dass gerade traditionelle Bekleidungshäuser weiter an die City glauben und sich Standorte sichern, an denen sie zuvor nicht vertreten waren.
Zum Zug kommen vor allem kleinere Märkte bei der Nachvermietung der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Objekte: Auf sie entfällt laut BNP Paribas Real Estate mehr als die Hälfte (52 Prozent) der seit 2019 registrierten Nachnutzungen, gefolgt von den sogenannten B-Städten mit 30 Prozent. In den A-Städten wurden 18 Prozent der Abschlüsse getätigt.
Fallende Mietpreise locken mehr City-untypische Branchen an
Doch auch andere Branchen streben wieder in die Innenstädte, die in den vergangenen Jahren eher auf die "grüne" Wiese abwanderten. 15 Prozent der von BNP Paribas seit 2019 registrierten Nachvermietungen entfallen auf den Bereich Freizeit, weitere elf Prozent auf das Segment Food. Einzelhändler im Einrichtungssegment haben sieben Prozent der Vermietungen generiert.
"Sie alle werden nicht nur große Lücken schließen, sondern gleichzeitig die Attraktivität der Cities weiter erhöhen und zu mehr Abwechslung beim Shoppingerlebnis beitragen", sagen die Studienautoren voraus. Zu den bemerkenswerten Abschlüssen im Jahr 2021 zählen demnach die 8.500-Quadratmeter- Anmietung von Zweirad Stadler im ehemaligen Kaufhof-Gebäude am Düsseldorfer Wehrhahn und der 2.900-Quadratmeter-Vertrag des Einrichtungshauses Rusta in Norderstedt bei Hamburg.
Die gesunkenen Mietpreise und ein erhöhtes Flächenangebot hätten offenbar auch Innenstadt-untypischen Branchen wieder die Möglichkeit eröffnet, sich hier zu verwirklichen, so BNP Paribas Real Estate. So notieren beispielsweise die indexierten Spitzenmieten in Highstreet-Lagen in den Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern nur noch bei 75 Prozent des 2010er-Ausgangsniveaus, sagen die Experten.
Modell Innenstadt: Die Trends nach der Krise
Explizit dem Modehandel werde neben der Corona-Krise und dem dynamisch wachsenden Onlinehandel in den kommenden Jahren noch eine weitere Entwicklung zu schaffen machen, heißt es wiederum in der bereits eingangs erwähnten Studie von KPMG und EHI: Die zunehmende Nachhaltigkeitsdebatte, der Trend zu Second-Hand-Klamotten und die Digitalisierung des Second-Hand-Handels sowie das Engagement der großen Online-Plattformen wie Zalando oder About You, die diesen Markt schon für sich entdeckt hätten.
Der Handelsverband HDE gibt dem Einzelhandel in den Stadtzentren zwar weiterhin eine gute Chance, doch sei künftig ein neuer Mix nötig aus Einkaufen, Wohnen, Dienstleistungen, Gewerbe, Kultur, Freizeit und Bildung. Auch Senioren-Pflegeheime und Kindertagesstätten könnten in den Innenstädten ihren Platz finden.
Der Deutsche Städtetag schlug unlängst einen "Bodenfonds" vor, damit die Kommunen selbst bei Bedarf leichter Immobilien in zentralen Lagen kaufen können, um dann die Innenstädte nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, dort wo Leerstand das Bild prägen wird. Das Thema "Zukunft der Innenstädte" steht beim Städtetag ganz oben auf der Tagesordnung. Es gebe unter den Kommunen Debatten darüber, bei Schlüsselimmobilien, die frei werden, auch selbst in den Grunderwerb zu gehen. Ein großes Problem waren bislang vor allem die hohe Mieten und Pachten, die nur große Konzerne zahlen konnten.
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