Immobilienfonds: Anleger halten derzeit lieber am Geld fest
Der Einbruch bei den Bauaufträgen sowie Insolvenzen von Projektentwicklern und Bauträgern halten Anleger derzeit zurück, Geld in Immobilienfonds zu investieren. In den ersten sechs Monaten 2023 sind die Mittelzuflüsse im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um 60 Prozent zurückgegangen. "Das sind auch die niedrigsten Zuflüsse in einem ersten Halbjahr seit 2011", sagt Peter Barkow, Gründer und Chef des Beratungsunternehmens Barkow Consulting.
Die Gefahr einer kurzfristigen Investorenflucht bestehe jedoch nicht, meint der Finanzanalyst. Das deckt sich mit den Einschätzungen der auf Immobilienfonds spezialisierten Ratingagentur Scope und des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI). Was allerdings unter anderem daran liegen dürfte, dass – auch bei den offenen Fonds – eine einjährige Kündigungsfrist gilt.
Insolvenz von Project Immobilien erschreckt Fondsanleger
Besorgnis hat kürzlich die Insolvenz des Nürnberger Entwicklers Project Immobilien bei Anlegern ausgelöst: Der nicht insolvente Investmentzweig der Firmengruppe sammelte mit der Auflage von Fonds das Geld für die Bauprojekte ein – insgesamt 1,4 Milliarden Euro, gezeichnet von mehr als 32.000 Investoren. Insolvenzen in diesem Geschäft können weitreichende negative Folgen haben: Anleger verlieren Geld, Käufer stehen vor unfertigen Immobilien und Baufirmen bleiben auf unbezahlten Rechnungen sitzen.
In den Jahren der Tiefstzinsen waren Immobilienfonds beliebt, weil sie nennenswerte Renditen erwirtschafteten, so die Experten. Dementsprechend haben etwa Spezialfonds für institutionelle Investoren von 2012 bis Ende Juni 2022 den Nettowert des angelegten Vermögens um 371 Prozent auf 176 Milliarden Euro vermehrt, wie Barkow unter Verweis auf Rohdaten der Bundesbank sagt.
Publikumsfonds – an denen sich jedermann mit ausreichenden Finanzmitteln beteiligen kann – wuchsen innerhalb des Zeitraums um 58 Prozent auf 132 Milliarden Euro.
Kündigungsfrist bei den offenen Immobilienfonds
Unterschieden wird zwischen offenen und geschlossenen Fonds. Geschlossen heißt, dass die Investoren einmal erworbene Anteile nicht zurückgeben können. Bei den offenen Fonds hingegen können die Anleger aussteigen – aber erst nach der einjährigen Kündigungsfrist. Zuvor müssen sie die Anteile nach dem Kauf mindestens zwei Jahre halten.
"Der Regulator hatte mit diesen Regelungen auf die Auswirkungen der Finanzkrise reagiert, um einen stabilisierenden Effekt zu erzielen", sagt Hosna Houbani, Analystin bei Scope. Denn während der internationalen Finanzkrise gab es tatsächlich Fluchtbewegungen von Investoren – im Anschluss wurde dann die Regulierung verschärft.
"Medienwirksame Insolvenzen führen zumindest nicht zu höheren Mittelzuflüssen in Immobilienfonds", ergänzt Barkow: "Aber wenn Anleger ihre Anteile zurückgeben wollen, sehen wir das erst in zwölf Monaten."
Im Saldo wird zusätzliches Geld in Fonds investiert
"Wer vor Ablauf der Kündigungsfrist sein Geld braucht, kann Anteile der offenen Immobilien-Publikumsfonds über die Börse verkaufen", wie ein Sprecher des Branchenverbands BVI erläutert. Der Verkauf über die Börse sei aber gebührenpflichtig. Und der Preis des Anteils sei – im Gegensatz zur Rückgabe an die Fondsgesellschaft – abhängig von Angebot und Nachfrage.
Auch in der ersten Jahreshälfte 2023 haben die Anleger den Finanzfachleuten zufolge im Saldo zusätzliches Geld in offenen Immobilienfonds angelegt: "Das Netto-Mittelaufkommen ist seit 2019 zurückgegangen, doch auch im laufenden Jahr übersteigen die Zuflüsse die Abflüsse zum Stichtag 30. Juni um 1,2 Milliarden Euro", sagt Analystin Houbani – das liegt weit unter den Spitzenwerten der jüngeren Vergangenheit: Der Rekord wurde nach Scope-Daten im Jahr 2019 mit einem Nettozufluss von 10,1 Milliarden Euro aufgestellt, 2022 waren es noch 4,5 Milliarden.
Kein Aufschwung am Immobilienmarkt in Sicht
Anzeichen für einen Aufschwung am Immobilienmarkt gibt es derzeit eher nicht, heißt es. Das Geschäftsmodell der insolventen Project Immobilien war dennoch eine Ausnahme: Die Finanzierung von Wohnungsbauten über Fonds ist eher unüblich. Nach BVI-Daten legen offene Fonds das Geld der Anleger überwiegend in gewerblich genutzten Gebäuden an. 55 Prozent in Büros und Praxen, 22 Prozent in Handel und Gastronomie, der Rest entfällt unter anderem auf Hotels und Lagerhallen. Wohngebäude machen laut BVI nur einen Anteil von vier Prozent aus.
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