
Je länger die Krise dauert, um so vorsichtiger werden die klassischen Immobilienfinanzierer und desto regeren Zulauf haben Kreditfonds als Anlagealternative. Aus Renditesicht könnten Private Debts – private Finanzierungen – in Zukunft sogar noch interessanter werden, meinen Experten.
Steigen Immobilienpreise und Zinsen und kommt dann noch eine Krise dazu, werden klassische gewerbliche Immobilienkredite teurer und Finanzierungsalternativen attraktiver. Aufgrund dieser Entwicklung müssen sich institutionelle Investoren intensiver mit der Frage auseinandersetzen, wie sie ihre Finanzierung möglichst optimal strukturieren. Unter den möglichen Profiteuren sind die sogenannten Real Estate Private Debts (Kreditfonds).
Das Beratungsunternehmen Wüest Partner hat sich unter Immobilienfonds-Managern aus dem In- und Ausland umgehört, die früher oder jetzt Anlageprodukte für deutsche institutionelle Investoren im Bereich Real Estate Private Debt anbieten oder angeboten haben.
Private Debt: Defensive Fonds dominieren den Markt
Aktuell sind 47 Kreditfonds zeichenbar, die meisten Produkte gibt es der Umfrage zufolge in Großbritannien, Nordamerika und Deutschland. Geantwortet haben 29 Manager, die zusammen ein Kreditbestandsvolumen von 182 Milliarden Euro managen.
Die Anlagestrategien dieser Fonds liegen vorwiegend im Bereich defensiver Senior Loans – also erstrangiger Finanzierungen. Sie gelten als risikoavers. Während in Europa Fondsprodukte, die Büroimmobilien fokussieren, mit einem Anteil von 26 Prozent das meiste Geld (31,2 Milliarden Euro) anziehen – im Geschosswohnungsbau sind es 25,2 Milliarden Euro (21%) –, ist es laut Wüest Partner in Nordamerika das Wohnsegment mit einem Volumen von 25,7 Milliarden Euro (41 Prozent), gefolgt von Büros mit 23,6 Milliarden Euro (38 Prozent). Damit liegen in Nordamerika fast 80 Prozent in diesen beiden Nutzungsarten gebündelt.
In Europa ist die Spreizung nach Beobachtung von Wüest Partner größer. Die Fonds legen eher in verschiedenen Assetklassen an. So spielen etwa auch Studentisches Wohnen, Shopping-Center oder Logistik- und Industrieimmobilien eine vergleichsweise große Rolle mit einem Finanzierungsvolumen von insgesamt 36 Milliarden Euro und damit knapp einem Drittel des bestehenden Kreditvolumens. In Nordamerika sind es laut Umfrage nur rund zehn Prozent.
Deutschland ist drittgrößter Private-Debt-Markt
Mit einem Kreditportfolio von knapp 62 Milliarden Euro (34 Prozent) und 14 zeichenbaren Fonds ist derzeit Großbritannien der größte Einzelmarkt in der Analyse. Nordamerika folgt mit einem Darlehensbestand von rund 55 Milliarden Euro (30 Prozent) und 15 aktiven Fonds. Deutschland ist mit zirka 24 Milliarden Euro (13 Prozent) der drittgrößte Private-Debt-Markt mit vier investierbaren Fondsprodukten. Insgesamt verteilt sich das Investmentvolumen in Kreditfonds nur auf neun Länder weltweit. Dazu gehören laut Wüest Partner außerdem unter anderem Frankreich, Spanien, die Niederlande und Italien.
Im Vergleich zur Private-Equity-Umfrage im Jahr zuvor sei die geografische Diversifizierung der Real-Estate-Private-Debt-Fonds recht schwach ausgeprägt, sagt Stefan Stute, Director und Head of Investment Consulting bei Wüest Partner. Die Anlageklasse hat sich erst in den vergangenen Jahren pan-europäisch etabliert – die USA und Großbritannien haben einen Vorsprung. "Erst vor dem Hintergrund der gestiegenen Eigenkapitalregulierung und dem Rückzug der Banken hat sich auch in Kontinentaleuropa ein Markt für Real Estate Private Debt entwickelt", erklärt Stute.
Nur fünf Prozent des angelegten Kapitals ist in Projektentwicklungen gebunden, meistens handelte es sich um Anschlussfinanzierungen, heißt es von Wüest Partner.
Prognose: Angebot an Kreditfonds wächst
Der Marktanteil der Senior Loans an dem untersuchten Kreditbestandsvolumen von 182 Milliarden Euro in Europa und Nordamerika liegt der Umfrage zufolge bei 63 Prozent. Zum Vergleich: Der Marktanteil der in Deutschland zumeist erwähnten Mezzanine-Finanzierung liegt nur bei 15 Prozent, gefolgt von Whole Loans (14 Prozent) – beides Strukturen, die hierzulande seit ein paar Jahren im Aufwind sind. Letztere werden unter anderem genutzt, um den Prüfungsprozess zu vereinfachen, da Whole Loans benötigtes Mezzanine- und Fremdkapital von nur einem Anbieter beziehen.
In Nordamerika sind zehn von 15 zeichenbaren Fonds (67 Prozent) dem Strategieschwerpunkt Senior Loans zuzuordnen, in Europa verfolgen zwölf von aktuell 31 investierbaren Produkten (39 Prozent) diese Investitionsstrategie. Elf Fonds (35 Prozent) investieren in Whole Loans und Mezzanine-Finanzierungen, drei Fonds verfolgen ausschließlich Mezzanine-Strategien (zehn Prozent). "Für uns ist das Ergebnis mit einem so hohen Produktangebot von Senior-Loan-Fonds überraschend, weil in der allgemeinen Diskussion oftmals nur auf Mezzanine-Fonds abgestellt wird", sagt Stute.
Nach Einschätzung von Wüest Partner wird das Angebot dieser Kreditfonds 2021 und 2022 weiter zunehmen. Ein Grund dürfte der Renditedruck der Investoren sein. Die Zielrenditen von Anlageprodukten mit Senior-Loan-Strategie in Europa bewegen sich im Bereich von drei bis acht Prozent. Nordamerikanische Produkte rangieren sogar zwischen vier und zehn Prozent. Mezzanine-Fonds erzielen in Europa acht bis zehn Prozent, in Nordamerika sechs bis zwölf Prozent Zielrendite.
"Die deutlichen Spreizungen bei den Zielrenditen zeigen, dass selbst innerhalb scheinbar homogener Anlagestrategien eine sehr differenzierte Betrachtung der Einzelstrategien notwendig ist", so Stute. Da die Renditen für die bisher attraktiveren Immobilienanlagen gesunken seien, dürften Kreditfonds im Blick auf die Renditen künftig interessanter werden.
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