Wohninvestmentmarkt: Nichts geht über Projekte und Forward Deals

Wohnungspakete wurden im ersten Quartal 2022 auf dem deutschen Investmentmarkt kaum gehandelt, wie große Maklerhäuser berichten. Dafür werden Projektentwicklungen und Forward Deals immer wichtiger: Die Anleger erwarten hier hohe Erträge und ESG-Anforderungen sind leichter zu erfüllen.

Die Geldumsätze auf dem deutschen Wohninvestmentmarkt sind im ersten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen, wie verschiedene Studien zeigen. BNP Paribas Real Estate (BNPPRE), JLL und Nai Apollo kommen auf vier Milliarden Euro, was im Vergleich zum ersten Quartal 2021 einen Rückgang um 38 Prozent bedeutet. Savills hat 4,4 Milliarden Euro berechnet, was einem Minus von 22 Prozent entspricht, und bei CBRE gehen die Researcher von einem Umsatz von 5,1 Milliarden Euro (minus 16 Prozent) aus.

Als Grund nennen die Beratungshäuser unter anderem, dass große Portfoliodeals ausgeblieben sind. Laut JLL machten die fünf größten Abschlüsse nur 22 Prozent des Gesamtvolumens aus. Auch die Anzahl der verkauften Wohneinheiten habe sich nahezu um die Hälfte von rund 35.900 auf 17.600 reduziert (Nai Apollo: 17.300 Einheiten; Savills: 28.300 Wohnungen). Konstantin Lüttger, Head of Residential Investment bei CBRE in Deutschland, ergänzte, dass zuletzt die knappe Produktverfügbarkeit besonders ausgeprägt war, was das Investitionsvolumen ebenfalls begrenzt hat. BNPPRE schreibt, dass es Großabschlüsse jenseits der 200-Millionen-Euro-Marke gar nicht gab.

Projektentwicklungen rücken in den Fokus des Investoren

Dafür werden Investitionen in Projektentwicklungen immer wichtiger, wie etwa CBRE mitteilt: Die Umsätze mit den Forward-Deals sind demnach um 400 Millionen Euro auf zwei Milliarden Euro im Auftaktquartal 2022 gestiegen. Als Grund nannte Lüttger, dass die Profianleger in diesem Bereich höhere Erträge erwarten als im Bestand und dass bei Neubauten ESG-Anforderungen (Umwelt, Soziales, Unternehmen) einfacher erfüllt werden können.

Mit rund 36 Prozent lagen Forward-Deals JLL zufolge deutlich über dem Fünfjahresschnitt (21,2 Prozent). "Allerdings schauen potenzielle Käufer immer genauer auf die individuellen Konzepte der Entwickler", sagt Michael Bender, Head of Residential JLL Germany. Bestandsportfolios kommen laut BNPPRE im laufenden Jahr nur auf einen Anteil von rund 21 Prozent, während Projektentwicklungen und Forward Deals mit rund 45 Prozent (Nai Apollo: 54 Prozent) nicht nur den höchsten Anteil erreichen, "sondern auch absolut eine neue Bestmarke aufstellen", wie Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment der BNP Paribas Real Estate GmbH, feststellt.

Auch Savills stellt einen starken Neubaufokus fest. Demnach machten Projektenwicklungen im betrachteten Zeitraum 39 Prozent (Nai Apollo: 37 Prozent) des Transaktionsvolumens aus. Matti Schenk, Associate Research Germany bei Savills, ist ebenso überzeugt, dass diese Entwicklung aus dem immer stärkeren ESG-Fokus resultiert. "Dass bei vielen Projektentwicklungen indexierte Mietverträge vereinbart werden können, spricht angesichts einer ungewöhnlich hohen Inflation ebenfalls für Neubauten." Savills geht davon aus, dass sich der Neubaufokus kurzfristig noch verstärken wird und sich die Preisspanne zwischen Neubau und Bestand weiter vergrößert.

Schwemmt der "Sanierungsdruck" Bestandswohnungen auf den Markt?

Sorgen machen den Investoren die hohe Inflation, eine mögliche Zinswende und konjunkturelle Risiken. Wegen des Sanierungsdrucks erwartet aber Nai Apollo, dass das Angebot an Bestandswohnungen zunehmen könnte, was den Umsatz im laufenden Jahr steigern dürfte. Nach Meinung von Savills dürften auch Ansätze für eine langfristige Core-Strategie und erhebliche Aufwertungspotenziale im Bestand eine hohe Nachfrage am Kapitalmarkt zur Folge haben – ein Transaktionsvolumen 2022 am Wohnimmobilieninvestmentmarkt von deutlich mehr als 20 Milliarden Euro erscheint demzufolge nicht abwegig.

JLL-Experte Bender geht zudem davon aus, dass wegen der starken Preissteigerungen im Energiesektor und in der Materialwirtschaft der Markt zunehmend mit Versuchen zur Effizienzsteigerung reagieren wird – dabei dürften auch Fusionen und Plattformverkäufe eine Rolle spielen. Bender geht davon aus, dass im weiteren Verlauf des Jahres vor allem strategische Entscheidungen Transaktionen beeinflussen werden.

"Die Nachfrage am Wohninvestmentmarkt ist hoch und 'German Resi' wird von internationalen Investoren weiterhin als Safe Haven betrachtet", sagt Lüttger von CBRE. "Angesichts der aktuellen Lage können wir jedoch keine seriösen und belastbaren Prognosen für das Investitionsvolumen zum Jahresende 2022 geben." Laut BNPPRE werden auch weiterhin vor allem Neubauvorhaben ganz oben auf dem Einkaufszettel der Anleger stehen. Da es in diesem Segment in den bislang präferierten Städten wenig Angebot gebe, könnten Standorte in den Speckgürteln der Metropolen profitieren.


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