IVD: Einzelhandelsmieten in Top-Lagen brechen ein

Nach Jahren des Booms brechen die Mieten für Ladenflächen bei Neuverträgen in den teuren deutschen Metropolen regelrecht ein – in Toplagen von München besonders krass um fast 27 Prozent, wie eine IVD-Analyse zeigt. Die Konkurrenz im Onlinehandel ist ein Grund, die Coronakrise ein weiterer.

Die Neuvertragsmieten im Einzelhandel sind im ersten Halbjahr 2021 im bundesweiten Schnitt um rund zehn Prozent gesunken – gemessen am Vorjahreszeitraum. Noch drastischer ist der Rückgang in den sieben größten deutschen Städten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf: Dort sanken die Mieten im Schnitt um fast 13 Prozent, während die Kleinstädte (rund ein Prozent) und die Mittelstädte (rund fünf Prozent) kaum betroffen sind.

Das sind Ergebnisse aus dem Gewerbepreisspiegel 2021/2022 von IVD-Research. Untersucht wurden für die Studie neben den Büromieten die Einzelhandelsmieten in neu abgeschlossenen Verträgen in 370 Städten und Gemeinden. "Je höher die Mieten waren, desto stärker sind die Preise gefallen", erklärte IVD-Präsident Jürgen Michael Schick.

Am deutlichsten waren die Nachlässe in München, wo die Mieten für kleine Ladenflächen in 1A-Lagen in neuen Verträgen um fast 27 Prozent eingebrochen sind. In Stuttgart gingen sie um 20 Prozent zurück. In Berlin und Düsseldorf war das Minus deutlich geringer mit jeweils minus zwölf Prozent.

Einzelhandel: Trend zu kürzeren Mietverträgen

Die Einzelhandelsmieten waren laut IVD Research in den vergangenen Jahren mit der guten Konjunktur stark gestiegen. Mancherorts, wie im besonders teuren München, ist die Belastungsgrenze offenbar erreicht, während die Mieten in den Klein- und Mittelstädten von einem weit niedrigeren Niveau ausgegangen sind und es weniger Spielraum für Korrekturen gab. "Der Trend zum Einkaufen im Internet hat jedoch alle Städte erfasst", so Schick.

Im Zuge der Coronakrise nahm in vielen Innenstädten der Leerstand von Ladenflächen zu. Im Schnitt lag die Quote im Einzelhandel laut IVD zuletzt bei rund 20 Prozent – rund ein Drittel mehr als vor Beginn der Pandemie. Damit hat sich die Lage des Einzelhandels, der schon davor unter der Konkurrenz des Onlinehandels gelitten hat, noch verschärft. Mehr als drei Viertel (77 Prozent) der Immobilienunternehmen gaben an, dass sich der Leerstand bei Ladenflächen in den Innenstädten seit Anfang des Jahres noch einmal erhöht hat. Eine Mehrheit (62 Prozent) sieht den Prozess als unumkehrbar an. Es gebe nun einen Trend zu kürzeren Mietverträgen und kleineren Flächen, sagte Schick.

IVD-Forderung: Umwandlungen von Handelsflächen in Wohnungen und Büros erleichtern

In einer Expertenumfrage kam IVD-Research hier zu dem Ergebnis, dass mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Immobilienunternehmen von einer hohen Nachfrage ausgehen, wenn Handelsflächen in Wohnraum umgewandelt würden. Auch Vermieter zeigten sich bereit, Gewerbeeinheiten in Wohnungen umzuwandeln, wenn es wirtschaftlich darstellbar wäre.

"Der Leerstand in vielen Innenstädten – insbesondere in B- und Nebenkernlagen und in Klein- und Mittelstädten – ist kein vorübergehendes Phänomen", meinte IVD-Präsident Schick. "Deswegen gewinnen dort Umnutzungspotenziale im Bereich des Einzelhandels, insbesondere mit Blick auf zusätzlichen Wohnraum, an Bedeutung."

Von der Politik forderte der IVD-Präsident, das Baurecht zu vereinfachen, damit sich Handelsimmobilien leichter in Wohnungen oder Büros umwandeln ließen. Derzeit stehe dem insbesondere das Bauordnungsrecht entgegen. Mit der Umnutzung muss ein Bauantrag gestellt werden, was wirtschaftlich schwer umsetzbar ist. Das Bauordnungsrecht der Länder müsse zugunsten von Wohnraum Ausnahmen schaffen – "Vermieter müssen in die Lage versetzt werden, Ladenflächen, die sich für eine Wohnnutzung eignen, umzubauen", so Schick.

Anders als im Einzelhandel beobachtete IVD Research im ersten Quartal 2021 stabile Büromärkte, trotz Krise und Pandemie und des anhaltenden Trends zum Homeoffice. Deutschlandweit seien die Mieten im Jahresvergleich um weniger als ein Prozent gefallen, heißt es in der Analyse.

Trotz Homeoffice und Krise: Büromärkte bleiben stabil

Die Mietpreise für Büroflächen mit mittlerem Nutzungswert sanken laut IVD Research im Bundesschnitt mit minus 0,3 Prozent nur minimal. Ein ähnliches Bild (minus 0,4 Prozent) ergibt sich für Büroflächen mit gutem Nutzungswert – also für modern ausgestattete und repräsentative Büros. Beim Blick auf einzelne Städteklassen ist die Entwicklung unterschiedlich. Während in den Top-7-Städten die Büromieten gesunken sind (zwischen minus 1,3 und minus 1,5 Prozent), gab es in Klein- und Mittelstädten sogar moderate Mieterhöhungen (zwischen plus 0,2 und plus 1,6 Prozent je Städtekategorie und Nutzungswert).

Den größten Anstieg der Büromieten gab es laut IVD-Research in den Mittelstädten. Bei Büroflächen mit mittlerem Nutzungswert stiegen die Mieten um 1,2 Prozent, mit gutem Nutzungswert sogar um 1,6 Prozent. Auf konstantem Niveau verharrten die Mieten in München mit einer Schwerpunktmiete von 29,50 Euro pro Quadratmeter für Büroflächen mit mittlerem Nutzungswert (34,50 Euro pro Quadratmeter bei gutem Nutzungswert). Düsseldorf verzeichnete mit einem Minus von 4,6 Prozent (13,35 Euro pro Quadratmeter) im mittleren Nutzungswert und einem Minus von 4,7 Prozent (23,35 Euro) bei gutem Nutzungswert den stärksten Rückgang bei den Büromieten.

"Corona hat lediglich den Schwung der vergangenen Jahre gebremst", sagte Schick. Zwischen 2015 und 2019 seien die Büromieten um mehr als zehn Prozent gestiegen. In der Pandemie habe es zunächst viel Unsicherheit über die Zukunft des Arbeitens gegeben. Nun sinke die Arbeitslosenquote aber wieder, das stütze auch den Büromarkt.


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dpa