Rz. 56

In § 72 Abs. 2 S. 3 FGO sind keine zur Unwirksamkeit einer Rücknahme führende Gründe aufgeführt. Eine Rücknahmeerklärung ist schon nach den allgemeinen Grundsätzen stets unwirksam, wenn die Erklärung nicht in der richtigen Form (Rz. 14) oder nicht innerhalb der Rücknahmefrist (Rz. 23) gegenüber dem zuständigen Gericht erfolgte oder mit inhaltlichen Mängeln – z. B. unter einer Bedingung, erklärt worden ist (Rz. 19). Ebenso führt die fehlende Einwilligung des Beklagten im Fall des § 72 Abs. 1 S. 2 und 3 FGO (Rz. 26) wie auch eine weisungswidrige Handlung des Prozessbevollmächtigten zur Unwirksamkeit der Rücknahme.[1]

Ebenso ist Rücknahme zudem bei fehlender Prozessfähigkeit des Erklärenden im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung unwirksam.[2] Hiernach kann die Rücknahmeerklärung z. B. unter psychischem Druck abgegeben worden sein, dem sich der Erklärende wegen der vom Vorsitzenden Richter ausgehenden Autorität nicht habe entziehen können und sich daher im Einzelfall im Zeitpunkt der Klagerücknahme in einem die Prozessfähigkeit ausschließenden Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden habe.[3]

Die Klagerücknahme kann jedenfalls dann widerrufen werden, wenn ein rechtsunkundiger Stpfl. in unzulässiger Weise – etwa durch Drohung, Druck, Täuschung oder auch unbewusste Irreführung – zur Abgabe einer solchen Erklärung veranlasst wurde.[4]

 

Rz. 57

Die Vorschrift des § 72 Abs. 2 S. 3 FGO lässt insbesondere erkennen, dass der Gesetzgeber für rechtsunkundige Stpfl. die Möglichkeit zur nachträglichen Geltendmachung der Unwirksamkeit der Klagerücknahme offenhalten wollte, soweit dieser durch unerlaubte Willensbeeinflussung zur Abgabe der Rücknahmeerklärung veranlasst worden ist und dieser Ausnahmefall schlüssig und glaubhaft darlegt wird.[5] Daher ist die Zurücknahme einer Klage nicht nur im Fall der Drohung, Druck oder Täuschung (Rz. 56) unwirksam, sondern auch, wenn sie durch den nicht zutreffenden Hinweis des Vorsitzenden Richters des FG veranlasst worden ist, dass die Klage unzulässig sei.[6] Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Klagerücknahme von einem rechtskundigen Prozessbevollmächtigten erklärt worden ist.[7] Ob eine Drohung, Täuschung, Druck oder eine unbewusste Irreführung vorliegt, ist eine Frage der tatsächlichen Würdigung, die dem FG obliegt.[8] Auch eine bewusst falsche Auskunft durch die Finanzbehörde oder das FG kann folgerichtig die Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung bewirken.

 

Rz. 58

Die unzulässige Willensbeeinflussung muss nicht auf einem vorsätzlichen Handeln der Behörde oder des Gerichts beruhen. Es genügt schon jede unrichtige, rechtlich offensichtlich nicht vertretbare Belehrung über die Erfolgsaussichten bzw. das Unterlassen jeglichen Hinweises auf eine in Fachkreisen bekannte umstrittene Rechtslage, um die Rücknahme der Klage zu erreichen.[9] Eine unzulässige Einwirkung auf die Entschließungsfreiheit des Erklärenden kann allerdings ausscheiden, wenn dieser selbst bzw. sein Bevollmächtigter rechtskundig oder sachkundig ist.[10]

M. E. muss ein kausaler Zusammenhang zwischen dem richterlichen Hinweis und der Rücknahmeerklärung bestehen. Ob eine Auskunft oder Belehrung offensichtlich unzutreffend ist, beurteilt sich nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt ihrer Abgabe.[11] Die zutreffende Wiedergabe der aktuellen höchstrichterlichen Rspr., die für den Kläger ungünstig ist, hat allerdings keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Erklärung.[12] Daher genügt ein schlichter Erklärungsirrtum bzw. ein Kanzleiversehen nicht für die Annahme der Unwirksamkeit der Rücknahme.[13]

Allerdings können offenbare, insbesondere auf einem Verschreiben oder sonstigem Versehen beruhende Irrtümer richtiggestellt werden, wenn sie dem Empfänger der Erklärung bekannt oder erkennbar waren.[14] Eine Rücknahme, die aber auf einer schuldhaften rechtlichen Fehleinschätzung des Prozessbevollmächtigten beruht, ist jedenfalls nicht unwirksam.[15]

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