Rz. 16

Die Entscheidung über den Einspruch[1] ist ein rechtlich selbstständiger Verwaltungsakt[2], dessen Vorliegen für die finanzgerichtliche Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, abgesehen von der Sprungklage nach § 45 FGO, grundsätzlich Sachentscheidungsvoraussetzung ist (§ 44 FGO Rz. 8). Gegenstand dieser Klagen ist aber der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Form, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat[3]. Diese verliert für das Klageverfahren insoweit ihre eigenständige rechtliche Bedeutung (§ 44 FGO Rz. 24). Grundsätzlich ist für den Erlass der Einspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 1 S. 1 AO die Finanzbehörde örtlich zuständig, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat bzw. – im Fall des Untätigkeitseinspruchs nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO – bei der der Antrag auf Erlass des Verwaltungsakts gestellt worden ist[4].

 

Rz. 17

Bei einem Zuständigkeitswechsel im Einspruchsverfahren entscheidet nach § 367 Abs. 1 AO regelmäßig die neu zuständige Behörde über den Einspruch[5]. Die neu zuständige Behörde wird Trägerin des Einspruchsverfahrens[6]. Demgemäß erlangt sie mit der Sachbefugnis auch die Prozessführungsbefugnis (s. Rz. 3). Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist nach § 63 FGO Abs. 1 Nr. 1 gegen die Behörde zu richten, die die Einspruchsentscheidung erlassen hat[7]. Unerheblich ist insoweit, dass der angefochtene Verwaltungsakt von einer örtlich unzuständigen Finanzbehörde erlassen worden ist[8].

Dies gilt auch dann, wenn die örtlich unzuständige Finanzbehörde die Einspruchsentscheidung erlassen hat. Eine gegen die nunmehr örtlich unzuständige, aber nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO weiter prozessführungsbefugte Finanzbehörde gerichtete Klage kann nur mit dem Antrag Erfolg haben, die Sache unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung an die nunmehr zuständige Finanzbehörde abzugeben[9].

 

Rz. 17a

Eine Ausnahmeregelung ergibt sich durch § 367 Abs. 2b AO. Die Regelung ermöglicht es der Finanzbehörde anhängige Einspruchsverfahren, die eine von EuGH, BVerfG oder BFH entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, statt durch eine förmliche Einspruchsentscheidung im Einzelfall[10] durch eine Allgemeinverfügung zurückzuweisen[11]. Nach § 367 Abs. 2b S. 2 AO ist für den Erlass der Allgemeinverfügung die oberste Finanzbehörde sachlich zuständig. Diese bestimmt sich nach §§ 1, 2 FVG. Für Steuern, für deren Verwaltung die Landesfinanzbehörden zuständig sind, ist dies die oberste Landesfinanzbehörde[12], für Steuern, die von der Bundesfinanzverwaltung verwaltet werden, ist dies das BMF[13].

Nach § 367 Abs. 2b S. 6 AO ist die Klage, obwohl die Allgemeinverfügung durch die oberste Finanzbehörde erlassen worden ist, gegen die für den jeweiligen Einzelfall örtlich zuständige Finanzbehörde zu richten[14]. Der ursprüngliche Verwaltungsakt i. S. v. § 63 FGO ist der mit dem Einspruch angefochtene Verwaltungsakt, der Gegenstand der Anfechtungsklage wird (Rz. 9).

 

Rz. 18

Eine Zuständigkeitsvereinbarung zwischen den Behörden über die Fortführung des Einspruchsverfahrens nach § 367 Abs. 1 S. 2 AO i. V. m. § 26 S. 2 AO[15] bewirkt keinen Beteiligtenwechsel, sondern die das Verfahren fortführende Finanzbehörde besitzt weiterhin die Prozessführungsbefugnis[16]. Diese Vereinbarung zweier Finanzbehörden ist im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters (Vor §§ 3339 FGO Rz. 1) für die Prozessführungsbefugnis nach § 63 FGO ohne Bedeutung, wenn die Zustimmung des Einspruchsführers fehlt[17], da damit die gerichtliche Zuständigkeit der Disposition der Behörde unterliegen würde (Rz. 3a).

Demgegenüber ist eine mit Zustimmung des Einspruchsführers nach § 365 Abs. 1 AO i. V. m. § 27 AO getroffene Vereinbarung über die behördliche Zuständigkeit für die jeweilige Steuersache[18] insgesamt im Rahmen des § 63 FGO zu beachten.

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