Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligtenwechsel

 

Leitsatz (NV)

Wechselt während des Besteuerungsverfahrens die Zuständigkeit des Finanzamts, führt das bisher zuständige Finanzamt das Verfahren aber gleichwohl gemäß §26 Satz 2 AO 1977 fort, so vollzieht sich im anschließenden Klageverfahren kein gesetzlicher Beteiligtenwechsel. Das bisher zuständige Finanzamt bleibt richtiger Beklagter. Der absolute Revisionsgrund eines Vertretungsmangels i. S. von §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist nicht gegeben.

 

Normenkette

FGO §§ 63, 116 Abs. 1 Nr. 3; AO 1977 § 26 S. 2; FVG § 17 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

FG des Landes Brandenburg

 

Tatbestand

Für die Besteuerung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist das FA A zuständig (§1 Abs. 1 i. V. m. Anlage 1 laufende Nummer 1 der Verordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter vom 29. November 1991, BStBl I 1992, 435; Gesetz- und Verordnungsblatt -- GVBl -- des Landes Brandenburg II 1992, 2). In Einklang mit der hiervon gemäß §17 Abs. 2 Satz 3 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG), §1 Abs. 2 i. V. m. Anlage 2 laufende Nummer 4 der Verordnung bestimmten Ausnahme für die Anordnung und Durchführung von Betriebsprüfungen hatte allerdings der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA E) der Klägerin gegenüber am 22. November 1994 für die Jahre 1990/1991 und 1992 eine Betriebsprüfung angeordnet. Gegen diese Anordnung wandte sich die Klägerin mit Beschwerde und Klage, die erfolglos blieben. Ihrem Einwand, das beklagte FA E sei nicht passivlegitimiert, folgte das FG nicht. Zwar sei die Zuständigkeit des beklagten FA E für die Anordnung und Durchführung von Betriebsprüfungen -- von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen -- während des Klageverfahrens auf das FA A übergegangen (§2 Nr. 2 i. V. m. Anlage 2 laufende Nummer 1 der Verordnung zur Änderung der Dritten Verordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter vom 28. November 1995, BStBl I 1996, 10, GVBl des Landes Brandenburg II 1995, 730). Gleichwohl vollziehe sich dadurch kein gesetzlicher Beteiligtenwechsel. Das FA E führe die von ihm angeordnete und begonnene Prüfung bei der Klägerin weiterhin durch. Infolgedessen sei §26 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) im Verwaltungsverfahren anzuwenden, was aus Gründen der Prozeßökonomie den Nichteintritt eines Beteiligtenwechsels im finanzgerichtlichen Verfahren zur Folge habe.

Die Klägerin hält die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision für gegeben, weil die während eines bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens eintretende Zuständigkeitsänderung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einen gesetzlichen Beteiligtenwechsel nach sich ziehe. Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht nach §116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft. Die zulassungsfreie Revision ist nur zulässig, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zumindest einer der in dieser Vorschrift aufgeführten Verfahrensfehler schlüssig gerügt worden ist; die zur Begründung des Verfahrensverstoßes vorgebrachten Tatsachen müssen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen Mangel i. S. von §116 Abs. 1 FGO ergeben (BFH-Beschlüsse vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568; vom 21. September 1994 VIII R 80--82/93, BFH/NV 1995, 416). Die Revision der Klägerin genügt dem nicht. Das Vorbringen, das beklagte FA E sei wegen eines zwischenzeitlichen Zuständigkeitswechsels nicht passivlegitimiert, ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel i. S. von §116 Abs. 1 FGO schlüssig darzutun. Die nach Lage der Dinge insoweit allein in Betracht kommende Möglichkeit eines Vertretungsmangels i. S. von §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO wäre jedenfalls dann nicht gegeben, wenn das Verwaltungsverfahren -- hier das Verfahren auf Durchführung einer Betriebsprüfung bei der Klägerin -- trotz des Zuständigkeitswechsels durch die bisher zuständige Behörde gemäß §26 Satz 2 AO 1977 fortgeführt worden wäre. Die Voraussetzungen für einen gesetzlichen Beteiligtenwechsel wären dann nicht erfüllt (vgl. §63 FGO; dazu Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §63 Rz. 6, m. w. N.; Sunder- Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §26 AO 1977 Rdnr. 22). Von einer derartigen Verfahrensfortführung ist das FG im Streitfall ausgegangen. An der Richtigkeit dieser Annahme ließe sich zwar möglicherweise zweifeln, weil die Übertragung bestimmter Aufgaben auf ein anderes FA gemäß §17 Abs. 2 Satz 3 FVG eine Frage nicht der örtlichen, sondern der sachlichen Zuständigkeit betrifft, für die §26 AO 1977 grundsätzlich unanwendbar ist (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., §26 AO 1977 Rdnr. 23; siehe auch BFH-Urteil vom 26. März 1991 IX R 39/88, BFHE 163, 514, BStBl II 1991, 439, unter 2. der Entscheidungsgründe). Die Klägerin hat diese Annahme des FG jedoch nicht in Frage gestellt und nicht mit Verfahrensrügen i. S. von §116 Abs. 1 FGO angegriffen. Sie hält die Verfahrensfortführung im Grundsatz vielmehr ausdrücklich für zulässig und wendet sich lediglich gegen die daraus folgenden prozessualen Konsequenzen. Der erkennende Senat hat deshalb keine Veranlassung und auch keine verfahrensrechtliche Möglichkeit, die Frage nach der Anwendbarkeit von §26 AO 1977 in sachlich-rechtlicher Hinsicht zu überprüfen; das Revisionsgericht ist in den Fällen der zulassungsfreien Verfahrensrevision auf eine Prüfung der ordnungsgemäß geltend gemachten Verfahrensmängel i. S. von §116 Abs. 1 FGO beschränkt (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §116 Rz. 4).

Damit aber konnte ein Vertretungsmangel auf seiten des beklagten FA E nicht vorliegen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß das FA A die Prozeßführung durch das FA E im Revisionsverfahren genehmigt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66845

BFH/NV 1998, 420

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