Rz. 232

[Autor/Stand] Für das Steuerstrafverfahren kommen als Zwangsmaßnahmen insb. in Betracht:

 

Rz. 233

[Autor/Stand] Zur Anordnung der Zwangsmittel ist grds. nur der Richter befugt (vgl. § 385 Abs. 1 AO, §§ 98, 100, 100e,105, 114, 111j StPO). Die Anordnung ergeht auf entsprechenden Antrag der FinB (BuStra) bzw. StA. Die FinB (StA) sowie die Fahndungsbeamten und "Ermittlungspersonen der StA" sind lediglich bei Gefahr in Verzug zuständig (§ 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1, 404 AO, §§ 98, 100, 105 StPO). Über die Verhängung der Untersuchungshaft entscheidet hingegen "nur" der Richter, s. § 114 StPO.

 

Rz. 234

[Autor/Stand] In der Verfahrenspraxis hatte sich aber das gesetzlich vorgeschriebene Regel-Ausnahme-Prinzip ins Gegenteil verkehrt. Das BVerfG hatte deutliche Kritik an der damaligen Praxis der Ermittlungsbehörden geübt und vorschnellen Hausdurchsuchungen einen Riegel vorgeschoben[4]. Zur Wahrung des in der Verfassung vorgesehenen Richtervorbehalts auch in der Masse der Alltagsfälle müsse die personelle Ausstattung und die innere Organisation der Gerichte verbessert werden, so die Forderung des BVerfG. Die AG müssen hierzu einen Bereitschaftsdienst einrichten, § 22c GVG[5] (s. Rz. 112).

 

Rz. 234.1

[Autor/Stand] Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Einrichtung eines richterlichen Bereitschaftsdienstes durch das BVerfG vom 12.3.2019[7] s. Rz. 112.1; s. dazu auch Rz. 1108.

 

Rz. 234.2

[Autor/Stand] Mit der tatsächlichen Befassung eines Ermittlungs- oder Eilrichters durch Antrag auf Erlass einer Beschlagnahme- bzw. Durchsuchungsanordnung endet stets die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden wegen "Gefahr in Verzug" und kann danach nur in Ausnahmefällen neu begründet werden[9]. Mit der durch Art. 97 Abs. 1 GG gewährleisteten richterlichen Unabhängigkeit – so das BVerfG[10] – sei es insbesondere nicht vereinbar, eine bestimmte "Prüffrist" festzuschreiben, innerhalb derer der befasste Ermittlungs- oder Eilrichter über den Antrag befunden haben muss.

 

Rz. 235

[Autor/Stand] Die richterliche Vorab-Kontrolle darf nicht über den Begriff "Gefahr im Verzug" unterlaufen werden[12]. "Gefahr im Verzug" besteht, wenn die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird, insb. wenn der Verlust von Beweismitteln droht[13].

Nach der Rspr. des BVerfG[14] handelt es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, d.h. den Beamten ist insoweit kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Sie muss durch Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus.

 

Rz. 236

[Autor/Stand] Die Auslegung und Anwendung des Begriffs "Gefahr im Verzug" unterliegt einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Gerichte sind allerdings gehalten, der besonderen Entscheidungssituation der nichtrichterlichen Organe mit ihren situationsbedingten Grenzen von Erkenntnismöglichkeiten Rechnung zu tragen. Damit ist der weite Ermessensspielraum, den die Rspr. bisher den Ermittlungsbehörden eingeräumt hat, deutlich beschnitten worden. Zur Sicherstellung einer wirksamen gerichtlichen Nachprüfung müssen die Ermittler das Ergebnis und die Gründe für ihre Einschätzung der konkreten Situation nachvollziehbar und zeitnah in den Ermittlungsakten dokumentieren.

Vor diesem Hintergrund sind die Entscheidungen des LG Dresden[16] und des LG Magdeburg[17], die jeweils eine Eilbeschlagnahme durch die Steufa für rechtens erklärt haben, ausgesprochen kritikwürdig.

 

Rz. 237

[Autor/Stand] Die bewusste Missachtung des Richtervorbehalts entgegen § 98 Abs. 1, § 105 Abs. 1 StPO hat bei Fehlen der Eilvoraussetzungen ein Beweisverwertungsverbot zur Folge (s. Rz. 1150 f. m.w.N.).

 

Rz. 238

[Autor/Stand] Die Eilkompetenz der FinB steht i.d.R. (Ausnahme z.B. § 100 StPO) der Strafsachenstelle (§ 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO; s. Rz. 72, 76) sowie den Beamten der Steuer- und Zollfahndung zu (s. Rz. 73). Diese sind Ermittlungspersonen der StA (§ 404 Satz 2 Halbs. 2, § 402 Abs. 1 i.V.m. § 399 Abs. 2 Satz 2 AO).

 

Rz. 239

[Autor/Stand] Polizeibeamte, die nicht Ermittlungspersonen der StA sind, können unter den Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 StPO den Betroffenen vorläufig festnehmen. Darüber hinaus hat jeder Staatsbürger das Recht zur vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 1 StPO.

 

Rz....

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