Ergänzender Hinweis: Nr. 43, 60 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 43, 60).

 

Rz. 112

[Autor/Stand] Als weiteres Ermittlungsorgan sieht die StPO den sog. Ermittlungsrichter vor. Das ist der Amtsrichter, in dessen Bezirk die Untersuchungshandlung vorzunehmen ist (§ 162 Abs. 1 StPO)[2]. Er wird grds. auf Antrag (s. Rz. 113), nur in Ausnahmen, bei Eilfällen, selbständig tätig (s. Rz. 116).

Die AG müssen nach Maßgabe des BVerfG[3] zwecks ständiger Erreichbarkeit einen richterlichen Bereitschaftsdienst einrichten (s. auch Rz. 234 f.)[4].

 

Rz. 112.1

[Autor/Stand] Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Einrichtung eines richterlichen Bereitschaftsdienstes hat das BVerfG vom 12.3.2019 folgende Leitsätze aufgestellt (s. dazu auch Rz. 1108)[6]:

  „1. Aus Art. 13 GG ergibt sich die Verpflichtung der staatlichen Organe, dafür Sorge zu tragen, dass die effektive Durchsetzung des grundrechtssichernden Richtervorbehaltes gewährleistet ist. Damit korrespondiert die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters, auch durch die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes, zu sichern. (Rn. 54) (Rn. 57)
  2. Zu den Anforderungen an einen dem Gebot der praktischen Wirksamkeit des Richtervorbehalts entsprechenden richterlichen Bereitschaftsdienst gehört die uneingeschränkte Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters bei Tage, auch außerhalb der üblichen Dienststunden. Die Tageszeit umfasst dabei ganzjährig die Zeit zwischen 6 Uhr und 21 Uhr. Während der Nachtzeit ist ein ermittlungsrichterlicher Bereitschaftsdienst jedenfalls bei einem Bedarf einzurichten, der über den Ausnahmefall hinausgeht. (Rn. 58)
  3. Ob und inwieweit ein über den Ausnahmefall hinausgehender Bedarf an nächtlichen Durchsuchungsanordnungen die Einrichtung eines ermittlungsrichterlichen Bereitschaftsdienstes zur Nachtzeit erfordert, haben die Gerichtspräsidien nach pflichtgemäßem Ermessen in eigener Verantwortung zu entscheiden. Für die Art und Weise der Bedarfsermittlung steht ihnen ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. (Rn. 68)”
 

Rz. 113

[Autor/Stand] Hält die StA (bzw. die ihr gleichgestellte FinB) im Ermittlungsverfahren eine richterliche Untersuchungshandlung für erforderlich, so kann sie deren Vornahme durch den Ermittlungsrichter beantragen (§ 162 Abs. 1 StPO; § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO). Ein derartiges Antragsrecht steht der Steufa nicht zu (s. Rz. 90).

Der Richter darf die Befolgung des Antrags nur verweigern, wenn die Handlung unzulässig ist (§ 162 Abs. 3 StPO), was z.B. bei offenkundiger Unverhältnismäßigkeit der Fall sein kann[8].

 

Rz. 114

[Autor/Stand] Über die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der beantragten Maßnahmen hat der Richter aber nicht zu befinden[10]. Die StA/BuStra wird den Antrag bei Gericht insb. dann stellen, wenn z.B. der Verlust eines Beweismittels droht oder ein Geständnis festzuhalten ist (vgl. § 254 StPO) oder wenn eine Straftat nur durch Personen bewiesen werden kann, die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind (vgl. Nr. 10 RiStBV). Da Zeugen verpflichtet sind, vor der BuStra zu erscheinen und auszusagen (vgl. § 161a Abs. 1 Satz 1 StPO, § 399 Abs. 1 AO), ist ein Antrag auf gerichtliche Vernehmung regelmäßig nur geboten, wenn der Zeuge vereidigt (§ 62 StPO) oder eine verlesbare Vernehmungsniederschrift beschafft werden soll (§ 251 StPO, s. Rz. 717). Schließlich haben auch zahlreiche Ermittlungshandlungen nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung, wenn sie von einem Richter vorgenommen werden, z.B. weitere Vernehmungen des Beschuldigten, Beschlagnahme- und Durchsuchungsanordnungen, das Ersuchen um Vornahme einer Untersuchungshandlung im Ausland u.a. (vgl. § 78c StGB).

 

Rz. 115

[Autor/Stand] Allerdings bleibt dem Richter dann eine Ermessensentscheidung vorbehalten, wenn das Gesetz dies vorsieht. Dies gilt insb. für die Anordnung von Zwangsmitteln (vgl. z.B. §§ 94, 102, 105, 112 StPO).

 

Rz. 116

[Autor/Stand] Bei Gefahr im Verzug darf der Ermittlungsrichter auch selbständig Untersuchungshandlungen vornehmen (§ 165 StPO), muss aber die weiteren Verfügungen dem Staatsanwalt (bzw. der FinB) überlassen (§ 167 StPO; § 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO). Er wird hier als sog. "Notstaatsanwalt" tätig.

 

Rz. 117– 122

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2020
[2] Zur Feststellung des zuständigen Ermittlungsrichters vgl. Kemper in Rolletschke/Kemper, § 399 AO Rz. 32–34.
[3] BVerfG v. 20.2.2001 – 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142 = StV 2001, 201 = wistra 2001, 137; BVerfG v. 4.2.2005 – 2 BvR 308/04, CR 2005, 799 = wistra 2005, 219 = StraFo 2005, 156.
[4] S. dazu Kellinghaus, NJW 2004, 477; zum Problem des "unwilligen Bereitschaftsrichters" vgl. Hofmann, NStZ 2003, 230; Schulz, NStZ 2003, 635; Klemke, StraFo 2004, 13.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2020
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.11.2020
[8] Vgl. z.B. LG Saarbrücken v. 13.9.1988 – 8 Qs 182/88, NSt...

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