Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe

 

Leitsatz (NV)

Zu den Voraussetzungen der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bei einer infolge Mittellosigkeit persönlich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde. Erfordernisse der Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 142; ZPO § 114 S. 1, § 117 Abs. 2, 4; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Antragsteller hat gegen das seine Klage abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 30. März 1995, ihm zugestellt am 10. Mai 1995, mit Schriftsatz vom 26. Mai 1995, beim FG eingegangen am 29. Mai 1995, persönlich Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Er rügt, das FG habe den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt, indem es eine erkrankte Zeugin nicht vernommen habe. Gleichzeitig bat er um Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH). Da er über keinerlei finanzielle Mittel verfüge, könne er keinen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen. Er bat zudem um Zusendung entsprechender Vordrucke, damit er sie ausfüllen könne. Nachdem ihm mit Schreiben der zuständigen Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Juli 1995 Vordrucke zugesandt worden waren, reichte der Antragsteller mit Schreiben vom 31. Juli 1995 eine entsprechende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Als Grund für die verspätete Einreichung macht er geltend, die Rechtsmittelbelehrung der Vorentscheidung habe zwar den Hinweis enthalten, daß für die Einlegung der Beschwerde die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich sei. Sie enthalte jedoch keinen Hinweis darauf, wie zu verfahren sei, wenn der Beteiligte diesen Rechtsanwalt nicht bezahlen könne. Der Vorinstanz sei seine Mittellosigkeit bekannt gewesen. Die Kosten der Beauftragung eines Rechtsanwalts (Vorschuß) vermöge er nicht zu tragen, da er wegen aufgenommener Darlehen an der Grenze seiner finanziellen Belastbarkeit stehe. Jede weitere Verschuldung müsse zum Konkurs führen. Nur nach Gewährung von PKH könne er seine Rechte wahrnehmen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Gewährung von PKH ist abzulehnen.

Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die von ihm eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, weil der Antragsteller bei ihrer Einlegung nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten war (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

Zwar kommt, wenn ein Beteiligter infolge Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel fristgerecht durch einen befugten Vertreter vor dem BFH einzulegen, insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) in Betracht. Dies setzt aber voraus, daß er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles in seinen Kräften Stehende und Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Das bedeutet, daß er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen muß. Dazu gehört, daß er innerhalb dieser Frist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darstellt (§ 117 Abs. 1 ZPO) und zudem unaufgefordert die nach § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Gewährung von PKH beizufügende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) auf dem eingeführten Vordruck (§ 117 Abs. 4 ZPO) sowie entsprechende Belege beifügt (BFH-Beschlüsse vom 25. März 1986 III R 134/80, BFH/NV 1986, 631; vom 13. September 1988 VII S 11--13/88, BFH/NV 1989, 318; vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62 m. w. N.; vom 10. November 1993 XI S 11/93, BFH/NV 1994, 657; vom 14. September 1994 I S 13/94, I B 82/94, I R 59/94, BFH/NV 1995, 724). Unterläßt er dies, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

Innerhalb der Rechtsmittelfrist, die am 12. Juni 1995 endete, hat der Antragsteller zwar PKH beantragt, seinen Antrag aber nicht hinreichend begründet, wenn er lediglich ausführte, nicht über die finanziellen Mittel zu verfügen, um einen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen zu können. Vor allem hat er innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht die dem Antrag beizufügende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beigefügt. Auch hinsichtlich der Vorlage dieser Erklärung ist zwar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Antragsteller ohne Verschulden daran gehindert war, diesem Erfordernis fristgerecht nachzukommen (BFH-Beschlüsse in BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62 m. w. N.; vom 2. August 1994 III S 1/94, BFH/NV 1995, 152). Den Mangel seines Verschuldens hat der Antragsteller jedoch nicht hinreichend dargelegt. Da ihm -- wie sich aus seiner Beschwerdeschrift ergibt -- die Möglichkeit, PKH zu erlangen, bekannt war, hätte er sich Kenntnis über die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Antragstellung verschaffen müssen. Andernfalls trug er das Risiko des Rechtsverlustes. Eine Verpflichtung des FG, ihn über das erforderliche Verfahren aufzuklären, bestand entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht. Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die dem ablehnenden Beschluß des FG beigegebene Rechtsmittelbelehrung keinen Hinweis des Inhalts enthalten hat, daß der Beschwerdeführer die Erklärung i. S. des § 117 Abs. 2 ZPO innerhalb der Rechtsmittelfrist dem Gericht einreichen muß, um die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu wahren (BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1990 III B 463/90, III S 9/90, BFH/NV 1991, 621; vom 13. Oktober 1993 II S 20/93, BFH/NV 1994, 654; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juni 1983 1 BvR 277/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 142, Rechtsspruch 33). Auch der Umstand, daß er in seiner beim FG eingelegten Beschwerde noch vor Ablauf der Rechtsmittelfrist um die Zusendung entsprechender Vordrucke gebeten hat, entschuldigt den Antragsteller nicht hinreichend. Unabhängig davon, daß diese Bitte erst in der zweiten Hälfte der Rechtsmittelfrist beim FG einging, war dem Antragsteller zuzumuten, sich die Vordrucke, die entsprechend der Verordnung vom 17. Oktober 1994 (Prozeßkostenhilfevordruckverordnung -- BGBl I 1994, 3001, 3003 f.) allgemein eingeführt und bei allen Gerichtszweigen (vielfach auch bei Anwälten) verfügbar sind, rechtzeitig zu besorgen und auszufüllen. Aber auch bei Ermangelung von Vordrucken wäre dem Antragsteller jedenfalls zuzumuten gewesen, seinem Antrag auf PKH innerhalb der Rechtsmittelfrist zumindest eine hinreichend aussagekräftige formlose Übersicht über seine persönlichen Vermögensverhältnisse beizufügen (BFH-Beschlüsse vom 22. November 1977 VII S 5--6, 9/77, BFHE 123, 436, BStBl II 1978, 72; vom 30. Juli 1985 VII S 4--5/85, BFH/NV 1985, 47 m. w. N.). Keinesfalls war die bloße Erklärung des Antragstellers ausreichend, über keinerlei finanzielle Mittel zu verfügen. Ein Irrtum des Antragstellers über das Erfordernis der rechtzeitigen Vorlage einer entsprechenden Erklärung ist kein Entschuldigungsgrund (BFH-Beschluß in BFH/NV 1994, 657). Auch der Hinweis, daß seine Vermögenslosigkeit der Vorinstanz bekannt war, geht fehl. PKH ist für jeden Rechtszug besonders zu bewilligen (§ 119 ZPO); die Voraussetzungen dafür sind daher auch für jeden Rechtszug gesondert zu prüfen.

Aus den dargestellten Gründen ist nicht damit zu rechnen, daß dem Antragsteller wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden wird.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1969 V B 29/69, BFHE 96, 257, BStBl II 1969, 593).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420919

BFH/NV 1996, 168

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