Leitsatz (amtlich)

Die Bewilligung des Armenrechts für die Rechtsmittelinstanz setzt voraus, daß der Antragsteller, soweit ihm das zumutbar ist, innerhalb der Rechtsmittelfrist alle für die Entscheidung über das Gesuch wesentlichen Angaben macht und Unterlagen vorlegt (Anschluß an die Rechtsprechung des BGH).

 

Normenkette

FGO §§ 56, 142; ZPO § 118

 

Tatbestand

Der Antragsteller hatte gegen drei Beschlüsse des FG Beschwerde eingelegt, ohne sich i. S. des Art. 1 Nr. 1 des BFH-EntlastG vertreten zu lassen. Er beantragt, ihm für diese Verfahren das Armenrecht zu bewilligen. Zur Begründung führt der Antragsteller aus: "Der Kläger und Beschwerdeführer ist zur Zeit ohne jegliches Einkommen und folglich nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsanwaltes zu bezahlen."

 

Entscheidungsgründe

Die Anträge sind abzulehnen.

Nach § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO ist einer Partei, die außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, das Armenrecht zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Gesuch ist nach § 142 FGO i. V. m. § 118 Abs. 2 ZPO ein von der zuständigen Behörde ausgestelltes Zeugnis beizufügen, in dem unter Angabe des Standes oder Gewerbes, der Vermögens- und Familienverhältnisse der Partei sowie des Betrages der von dieser zu entrichtenden direkten Steuern das Unvermögen zur Bestreitung der Prozeßkosten ausdrücklich bezeugt wird (sogenanntes Armutszeugnis).

Die Rechtsverfolgung des Antragstellers hat nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn damit zu rechnen ist, daß dem Antragsteller nach Bewilligung des Armenrechts für die Versäumung der Frist bei der Einlegung der Beschwerden - er hat die Beschwerden zwar rechtzeitig, aber ohne durch einen befugten Prozeßbevollmächtigton vertreten zu sein, eingelegt (vgl. Art. 1 Nr. 1, Art. 2 Nr. 1 BFH-EntlastG) - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO gewährt wird. Zwar stellt es eine unverschuldete Verhinderung, die Frist einzuhalten, im Sinne des § 56 FGO dar, wenn eine Partei infolge Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel durch einen befugten Vertreter beim BFH fristgerecht einzulegen. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH müssen jedoch das Armenrechtsgesuch und die für die Entscheidung über das Armenrechtsgesuch wesentlichen Angaben und Unterlagen grundsätzlich innerhalb der Rechtsmittelfrist eingehen; denn die Partei muß alles Zumutbare tun, um das in ihrer Armut bestehende Hindernis zu beheben (BGH-Beschlüsse vom 16. Januar 1976 IV ZA 15/75, Versicherungsrecht 1976 S. 564 - VersR 1976, 564 -; vom 4. Juli 1959 III ZA 11/59, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 233 ZPO [Hb] Nr. 12; vom 3. Dezember 1957 VI ZB 21/57, VersR 1958, 63, jeweils mit weiteren Nachweisen). Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung, die zwar zu § 233 ZPO ergangen ist, deren Grundsätze aber auch für § 56 FGO Gültigkeit beanspruchen können.

Der Antragsteller hat seine Gesuche innerhalb der Beschwerdefrist ohne Vorlage von Unterlagen nur damit begründet, er sei "zur Zeit ohne jegliches Einkommen und folglich nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsanwaltes zu zahlen". Es kann hier dahinstehen, ob der erkennende Senat der Auffassung des V. Senats des BFH folgen könnte, es genüge allein schon die Tatsache, daß der Antragsteller das sogenannte Armutszeugnis nicht rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hat, um die Voraussetzungen für die Bewilligung des Armenrechts zu verneinen (Beschluß vom 25. März 1976 V S 2/76, BFHE 118, 300, BStBl II 1976, 386). Jedenfalls kann die genannte kurze Begründung allein nicht als ausreichend im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BGH angesehen werden. Wenn der Antragsteller schon offenbar nicht in der Lage war, innerhalb der Rechtsmittelfrist das sogenannte Armutszeugnis vorzulegen, war ihm doch zuzumuten, z. B. durch Angaben über Stand und Gewerbe, Familienverhältnisse und Besteuerung und/oder durch Vorlage einschlägiger Unterlagen (z. B. einer Bescheinigung des Finanzamts) seine Armut darzulegen. Da auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Antragsteller an der rechtzeitigen Darlegung dieser Umstände und der Vorlage von Unterlagen durch von ihm nicht zu vertretende Umstände gehindert worden ist, ist davon auszugehen, daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Frage kommt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat daher keine Aussicht auf Erfolg.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413365

BStBl II 1978, 72

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