Rz. 36

Stand: EL 123 – ET: 08/2020

Der rechtliche Grund für eine Steuerzahlung fällt später weg, wenn nachträglich ein Ereignis iSd § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AO eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (T/K/Drüen, § 37 AO Tz 39; zu solchen Ereignissen > Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten Rz 44 ff; AEAO zu § 175 Tz 2). Nachträglich ist ein Ereignis dann eingetreten, wenn es nach Entstehung des Steueranspruchs und nach Bekanntgabe des Steuerbescheids eintritt. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Steuerrecht (AEAO zu § 175 Tz 2.2).

Einen Anwendungsfall enthält § 50d Abs 8 Sätze 2 und 3 EStG (> Doppelbesteuerung Rz 83).

 

Rz. 37

Stand: EL 123 – ET: 08/2020

Anders als bei kraft Gesetzes entstehenden Ansprüchen (vgl § 38 AO) bestimmt bei nachträglich eintretenden Ereignissen, die Wirkung für die Vergangenheit haben, der Eintritt des maßgebenden Ereignisses den Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs. Derartigen Ansprüchen liegt ein formell gültiger, nach materiellem Recht aber unrichtiger oder unrichtig gewordener > Verwaltungsakt zugrunde, der zunächst den Rechtsgrund für die Zahlung bildet. Solange der VA Bestand hat, ist die Zahlung nicht ohne rechtlichen Grund. Der rechtliche Grund für die Einbehaltung der LSt fällt nicht schon dann später weg, wenn die Tatbestandsmerkmale für eine niedrigere Steuerfestsetzung in materieller Hinsicht gegeben sind. Voraussetzung für die Verwirklichung (> Rz 42 ff) des Erstattungsanspruchs ist vielmehr idR die Änderung eines Verwaltungsakts.

 

Beispiel 1:

Nach Meinung des Mitarbeiters A hat das Lohnbüro des ArbG B bestimmte Teile des Arbeitslohns zu Unrecht nicht als steuerfrei behandelt. Der ArbG hat die auf diese Lohnteile entfallenden Steuerabzüge bei seinem > Betriebsstätten-Finanzamt angemeldet und die kraft Gesetzes (§ 168 AO) festgesetzten Beträge dorthin abgeführt. Der A wendet sich mit einem Einspruch an das Betriebsstätten-FA mit dem Antrag, ihm die zu Unrecht überhöht einbehaltenen Steuerabzüge zu erstatten.

A ist nach Auffassung des BFH (> Rz 25) berechtigt, die gegen den B ergangene Steuerfestsetzung mit dem Einspruch anzufechten, allerdings nur, soweit es die auf ihn (A) entfallenden Steuerabzüge in der Steueranmeldung betrifft. Das Betriebsstätten-FA wird zunächst unter Beteiligung des B den Umfang des vom Einspruch betroffenen Teils der Steuerfestsetzung ermitteln. Kommt es vor Ablauf des Jahres zu dem Ergebnis, dass der B tatsächlich mehr an LSt/SolZ/KiSt einbehalten und abgeführt hat, als gesetzlich zulässig ist, wird es den festgesetzten Steuerbetrag anderweitig festsetzen und die Differenz nach § 37 Abs 2 Satz 2 AO erstatten. Erstattungsberechtigt ist uE nicht der A, sondern der B, der seinerseits aber arbeitsrechtlich verpflichtet ist, den erhaltenen Betrag an den A weiterzugeben (> Rz 53).

 

Beispiel 2:

Die Ehefrau des ArbN ist im Oktober arbeitslos geworden. Gleichwohl beantragen die Eheleute erst nach Ablauf der in § 39 Abs 6 Satz 6 EStG bestimmten Frist (30.11.) den > Steuerklassenwechsel von IV/IV nach III/V. Die > Lohnsteuerabzugsmerkmale beruhen auf einer Feststellung iSv § 179 Abs 1 AO, also einem > Verwaltungsakt (vgl § 39 Abs 1 Satz 4 EStG); das gilt auch für die Einreihung in Steuerklasse IV/IV (§ 39 Abs 4 Satz 1 Nr 1 EStG). Dieser Verwaltungsakt wird wegen Fristversäumnis nicht mehr geändert. Folglich kann der rechtliche Grund für die Zahlung (Steuerabzug nach den Steuerklassen IV/IV) nicht mehr nachträglich durch die Feststellung der Steuerklasse III beim Ehemann korrigiert werden. Der ArbN kann seinen Erstattungsanspruch nur noch im Rahmen der Veranlagung geltend machen (> Rz 26).

 

Rz. 38

Stand: EL 123 – ET: 08/2020

Der Rechtsgrund für eine Zahlung fällt nur dann später weg, wenn das nachträgliche Ereignis steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat.

 

Rz. 39

Stand: EL 123 – ET: 08/2020

Kein Ereignis iSd § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AO mit steuerlicher Rückwirkung tritt ein, wenn das FA lediglich nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlangt (BFH 201, 421 = BStBl 2003 II, 554). Gleiches gilt für die nachträgliche Freistellung aufgrund des ATE (> Auslandstätigkeitserlass Rz 48). Zur nachträglichen Freistellung nach DBA > Doppelbesteuerung Rz 74. Ebenso ist es auch, wenn eine Direktversicherung gekündigt wird und der ArbG sich das Deckungskapital auszahlen lässt. Die Kündigung wirkt nicht auf die Zeiträume der Versteuerung der Beiträge zurück, sondern ist im Jahr der Rückzahlung zu berücksichtigen. Es ist nicht zulässig, die ursprüngliche > Lohnsteuer-Anmeldung zu korrigieren und dem ArbG die LSt zu erstatten (EFG 1987, 263). Auch Urteile oder Beschlüsse des BVerfG, durch die ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird, führen nicht zu einer Änderung bestandskräftiger VA zuungunsten des Stpfl (vgl § 176 AO).

 

Rz. 40

Stand: EL 123 – ET: 08/2020

Nicht nur der rechtliche Grund für eine Steuere...

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