Gemeinnützigkeit: Weitere Änderungen

Die Ausstattung einer anderen Körperschaft mit Vermögen war steuerbegünstigten Körperschaften bisher nur in begrenztem Umfang möglich. Mit Einführung des § 58 Nr. 3 AO wurde das sog. Endowment-Verbot gelockert und ab 2014 eine Möglichkeit geschaffen, andere steuerbegünstigte Körperschaften mit vermögen auszustatten.

Dies soll vor allem die Schaffung von Stiftungslehrstühlen an Universitäten erleichtern. Ebenfalls ab 2014 wurden die Regelungen zur Rücklagen- und Vermögensbildung steuerbegünstigter Körperschaften aus dem § 58 AO herausgelöst und in § 62 AO neugefasst.

Vermögensausstattung anderer steuerbegünstigter Körperschaften

In der Vergangenheit war es steuerbegünstigten Körperschaften nach § 58 Nr. 1 und 2 AO nur eingeschränkt möglich, andere steuerbegünstigte Körperschaften mit Vermögen auszustatten. § 58 Nr. 3 AO n. F. ermöglicht es nunmehr gemeinnützigen Körperschaften, andere gemeinnützige Körperschaften mit identischem Satzungsweck mit Vermögen auszustatten. Erleichtert werden hierdurch vor allem die Errichtung von Förderstiftungen oder auch „Stiftungsprofessuren“.

Im AEAO zu § 58 Nr. 3, Nr. 3 ist hierzu bestimmt, dass die Weitergabe der Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (einschließlich Zweckbetriebe), der Überschüsse aus der Vermögensverwaltung sowie höchstens 15 % der sonstigen zeitnah zu verwendenden Mittel zur Vermögensausstattung einer anderen Körperschaft unschädlich ist. Maßgebend für die Ermittlung dieser Grenzen sind die Verhältnisse des vorangegangenen Kalender- oder Wirtschaftsjahres.

Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Bei der Empfängerkörperschaft handelt es sich um eine steuerbegünstigte Körperschaft oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts.
  • Die aus den Vermögenserträgen zu verwirklichenden steuerbegünstigten Zwecke der Empfängerkörperschaft müssen übereinstimmen mit den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecken der gebenden Körperschaft. Der mit den weitergegebenen Mitteln verfolgte Zweck muss sowohl von der Geber- als auch von der Empfängerkörperschaft gefördert werden. Beide Körperschaften können daneben aber auch noch weitere Zwecke fördern.
  • Die zugewandten Mittel und deren Erträge dürfen nicht für weitere Mittelweitergaben nach § 58 Nr. 3 AO zur Vermögensausstattung verwendet werden (Verbot der „Kettenweitergabe“).
  • Die zugewandten Mittel und Erträge unterliegen bei der Empfängerkörperschaft der steuerbegünstigten Mittelverwendungspflicht. Erfolgt eine Verwendung für andere Zwecke, liegt eine Mittelfehlverwendung bei der Empfängerkörperschaft vor.

In diesem Sinne ist auch die Vermögensausstattung einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft, z. B. einer gGmbH, die denselben steuerbegünstigten Zweck verfolgt, durch die Hingabe von Kapital bei Neugründung oder im Rahmen einer Kapitalerhöhung erlaubt, nicht aber der Erwerb von Anteilen an einer bereits bestehenden Körperschaft.

Neukonzipierung der Vorschriften zu Rücklagen und Vermögensbindung

Der Gesetzgeber hat die Regelungen zur Rücklagen- und Vermögensbildung aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit und zur Verdeutlichung der einzelnen Regelungen aus § 58 AO herausgelöst und in § 62 AO verankert.

Hierzu bestimmt der AEAO zu § 62, Nr. 1, dass die Rücklagen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entsprechend § 14 Abs. 1 Nr. 4 KStG wirtschaftlich begründet sein müssen. Es muss ein konkreter Anlass gegeben sein, der auch aus objektiver unternehmerischer Sicht die Bildung der Rücklage im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb rechtfertigt. Eine fast vollständige Zuführung des Gewinns zu einer Rücklage im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist nur dann unschädlich für die Steuerbegünstigung, wenn die Körperschaft Nachweis, dass die betriebliche Mittelverwendung zur Sicherung ihrer Existenz geboten war.

Im Bereich der Vermögensverwaltung können Rücklagen durch Zuführung der Überschüsse aus der Vermögensverwaltung nur für die Durchführung konkreter Reparatur- oder Erhaltungsmaßnahmen an Vermögensgegenständen nach § 21 EStG gebildet werden. Die Maßnahmen, für deren Durchführung die Rücklage gebildet wird, müssen notwendig sein, um den ordnungsgemäßen Zustand des Vermögensgegenstands zu erhalten oder wiederherzustellen, und in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt werden können.

Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO

Die Rücklage nach § 58 Nr. 6 AO a. F. wurde inhaltsgleich nach § 62 Abs. 1 Nr.1 AO übernommen. Danach kann die Körperschaft ihre Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage zuführen, soweit dies erforderlich ist, um ihre steuerbegünstigten, satzungsmäßigen Aufgaben nachhaltig zu erfüllen. Der AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO hat die bisherigen Regelungen des AEAO zu § 58 Nr. 6, Nr. 10 teilweise übernommen. Darüber hinaus wird festgelegt, dass

  • eine beabsichtigte Vermögensausstattung nach § 58 Nr. 3 AO keine Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertigt.
  • die Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO unabhängig von dem Vorhandensein und der Höhe einer Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO (freie Rücklage) gebildet werden kann.

Wiederbeschaffungsrücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO

Die ‑ in der Verwaltungspraxis bereits anerkannte ‑ Bildung einer Wiederbeschaffungsrücklage wurde erstmals in das Gesetz aufgenommen. Ist die Wiederbeschaffung eines Wirtschaftsguts, z. B. eines Pkw, beabsichtigt und zur Zweckverwirklichung erforderlich, kann dafür eine Rücklage gebildet werden. Die Höhe der Zuführungen bemisst sich dabei nach der Höhe der regulären Absetzungen für Abnutzung des zu ersetzenden Wirtschaftsguts. Sollen höhere Beträge der Rücklage zugeführt werden, ist die Notwendigkeit hierfür nachzuweisen.

Im AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 6, wird das Tatbestandsmerkmal der „Wiederbeschaffungsabsicht“ näher umschrieben. Diese liegt nur vor, wenn tatsächlich eine Neuanschaffung des einzelnen Wirtschaftsguts geplant und in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Im Regelfall ist hierfür ausreichend, dass die Rücklage gebildet wurde. Diese Nachweiserleichterung gilt jedoch nicht für Immobilien.

Reicht die Zuführung von Mitteln in Höhe der Abschreibungen für eine beabsichtigte Wiederbeschaffung nicht aus, können auch höhere Mittel der Rücklage zugeführt werden. Der Nachweis hierüber ist durch die Körperschaft zu erbringen.

Freie Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO

Die sog. freie Rücklage nach § 58 Nr. 7 Buchst. a AO a. F. wurde in § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO neu geregelt. Gleichzeitig wurde sie auch modifiziert. Nunmehr ist es möglich, dass das nicht ausgeschöpfte Volumen der Mittel, das in die freie Rücklage hätte eingestellt werden können, in den beiden folgenden Jahren noch ausgenutzt werden kann.

Der AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 3, übernimmt in den Nr. 9 bis 11 die bisherigen Regelungen des AEAO zu § 58 Nr. 7, Nr. 13 und 14. Darüber hinaus erläutert er zusätzlich die gesetzlichen Neuerungen.

Beispiel: Eine Körperschaft hätte im Jahr 01 30.000 EUR in die freie Rücklage einstellen können. Tatsächlich stellte sie aber nur 25.000 EUR ein. In den nächsten beiden Jahren kann die Körperschaft zusätzlich zu dem für das jeweilige Jahr zulässigen Betrag nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO noch weitere 5.000 EUR in die freie Rücklage des jeweiligen Jahres einstellen. Sie kann diesen Betrag auf beide Jahre aufteilen, z. B. Jahr 02: 3.000 EUR, Jahr 03: 2.000 EUR, oder den ganzen Betrag (entweder im Jahr 02 oder im Jahr 03) in die Rücklage einstellen.

Rücklage zum Erwerb von Gesellschaftsrechten sowie Verwendung von Mitteln zum Erwerb dieser Rechte

Die bisher in § 58 Nr. 7 Buchst. b AO a. F. verortete Rücklage zum Erwerb von Gesellschaftsrechten wurde in § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO neu geregelt. Die Regelung zur Verwendung von Mitteln zum Erwerb dieser Rechte wurde in § 58 Nr. 10 AO n. F. neu erfasst. Inhaltliche Änderungen der bisherigen Regelung sind damit nicht verbunden.

Die bisherigen Regelungen des AEAO zu § 58 Nr. 7, Nr. 16 und 17, wurden nahezu inhaltsgleich im AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 12 und 3, übernommen. Einhergehend mit der Neufassung des § 58 Nr. 10 AO wurde allerdings der AEAO zu § 58 Nr. 10 überarbeitet. Es wird klargestellt, dass § 58 Nr. 10 AO ‑ ebenso wie § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO ‑ nicht auf den erstmaligen Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften anzuwenden ist. Hierfür können allerdings u. a. freie Rücklagen nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 AO eingesetzt werden.

Nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO darf der freien Rücklage jährlich höchstens ein Drittel des Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben aus der Vermögensverwaltung und darüber hinaus höchstens 10 % der sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel zugeführt werden. Diese Höchstgrenze vermindert sich um den Betrag, den die Körperschaft zum Erwerb von Gesellschaftsrechten zur Erhaltung der prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften ausgibt oder bereitstellt. Übersteigt der für die Erhaltung der Beteiligungsquote verwendete oder bereitgestellte Betrag die Höchstgrenze, ist auch in den Folgejahren eine Zuführung zu der freien Rücklage erst wieder möglich, wenn die für eine freie Rücklage verwendbaren Mittel insgesamt die für die Erhaltung der Beteiligungsquote verwendeten oder bereitgestellten Mittel übersteigen.

Beispiel:

Die Körperschaft erzielt im Jahr 01 folgende Überschüsse bzw. vereinnahmt folgende Mittel nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO:

Überschuss aus der Vermögensverwaltung: 21.000 EUR

Mittel nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO: 30.000 EUR

Im Jahr 01 werden 2.500 EUR für den Erwerb von Anteilen zum Erhalt der prozentualen Beteiligung eingesetzt.

Die freie Rücklage im Jahr 01 ermittelt sich unter Beachtung des § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO wie folgt:

 

Gesamt

Freie Rücklage

Überschuss aus der Vermögensverwaltung

21.000 EUR

7.000 EUR

Mittel nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO

30.000 EUR

3.000 EUR

Höchstbetrag der Zuführung zur freien Rücklage

 

10.000 EUR

Kürzung um den zum Anteilserwerb eingesetzten Betrag

 

2.500 EUR

Bildung der freien Rücklage in Höhe von

 

7.500 EUR

Bildung und Auflösung von Rücklagen

Um größere Rechtssicherheit im Bereich der Bildung und Auflösung von Rücklagen zu schaffen, wurde in § 62 Abs. 2 AO erstmals gesetzlich geregelt, bis wann die Rücklagen nach § 62 Abs. 1 AO zu bilden und ab wann sie wieder aufzulösen sind. Rücklagen sind demnach in der Frist des § 55 Abs.1 Nr. 5 Satz 3 AO zu bilden. Entfällt der Grund für die Bildung einer Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 AO, sind diese unverzüglich aufzulösen. Die dadurch frei gewordenen Mittel sind innerhalb der 2-Jahres-Frist des § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO zu verwenden.

Der AEAO zu § 62 Abs. 2 bestimmt hierzu in Nr. 14 u. a., dass nur tatsächlich vorhandene Mittel in eine Rücklage eingestellt werden können. Ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage vorliegen, hat die steuerbegünstigte Körperschaft dem Finanzamt im Einzelnen darzulegen. Weiterhin muss sie die Rücklagen nach § 62 Abs.1 AO in ihrer Rechnungslegung, ggf. in einer Nebenrechnung, gesondert ausweisen, damit eine Kontrolle jederzeit und ohne besonderen Aufwand möglich ist.

Vermögensbildung

Die Vorschriften zur Vermögensbildung in § 62 Abs. 3 AO wurden unverändert aus § 58 Nr. 11 AO a. F. übernommen. Die Vorschrift des § 58 Nr. 12 AO a. F. findet sich nun in § 62 Abs. 4 AO. Der Zeitraum, in dem eine Stiftung ihre Überschüsse aus der Vermögensverwaltung und die Gewinne der wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe ihrem Vermögen zuführen kann, wurde dabei um ein weiteres Jahr ausgedehnt. Dies ist nun möglich im Jahr der Errichtung und in den 3 folgenden Kalenderjahren. Der AEAO trägt diesen gesetzlichen Vorgaben dadurch Rechnung, dass er die bisherigen Regelungen zu § 58 Nr. 11 und 12 in den AEAO zu § 62 Abs. 3 und 4 übernimmt und an die erweiterte Frist des § 62 Abs. 4 AO anpasst.