Telefonischer Vergleichsvorschlag macht Richter  nicht befangen

Ein Anruf und seine Folgen: Weil ein Richter einen Anwalt einen Tag vor der mündlichen Verhandlung anrief, ihm seine Rechtsauffassung mitteilte und einen Vergleichsvorschlag unterbreitete, lehnte ihn der Anwalt wegen Befangenheit ab. Zu Unrecht, befand das OLG Bremen.

In dem Prozess ging es um einen Verkehrsunfall. Nachdem die Klage in erster Instanz abgewiesen worden war, legte der Kläger Berufung ein. Am Vortag der mündlichen Verhandlung nahm der abgelehnte Richter telefonisch Kontakt zu dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf und wies ihn auf seine Rechtsauffassung hin.

Plaudern zum Prozess

Gegenstand des Gesprächs war unter anderem eine Zeugenaussage, über deren Bewertung der abgelehnte Richter und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten unterschiedlicher Auffassung waren.

  • Der Richter erklärte, dass es auf die Beurteilung vielleicht gar nicht ankomme, weil der Anscheinsbeweis gegen die Beklagte spreche.
  • Er erklärte weiter, er werde seine Ansicht im Termin noch einmal detailliert  darlegen und machte einen konkreten Vergleichsvorschlag, wobei er empfahl, mit der Beklagten bzw. deren Versicherung vor dem Termin über den Vergleichsvorschlag zu sprechen.
  • Von diesem Gespräch informierte der abgelehnte Richter auch den Prozessbevollmächtigten des Klägers.

Zivilprozessrecht lässt Richter viel Freiraum

Eine Besorgnis der Befangenheit erkannte das OLG Bremen nicht, weil das Vorgehen des Richters in Einklang mit den Vorschriften der ZPO stehe:

  • Nach § 139 Absatz IV 1 ZPO hat das Gericht die erforderlichen Hinweise so früh wie möglich zu erteilen.
  • In § 278 Absatz I ZPO ist angeordnet, dass das Gericht in jeder Lage auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll.

„Der Gesetzgeber hat es mit dem Zivilprozessrechtsreform-gesetz vom 27. 7. 2001 als ausdrückliche Leitlinie angesehen, möglichst frühzeitig eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erreichen (BT-Dr 14/4722, S. 58). Das Gericht ist in der Wahl der Mittel frei.

Tipps gern auch per Telefon

Hinweise können außerhalb der mündlichen Verhandlung schriftlich, aber auch telefonisch gegeben werden“, betonte das Gericht. Es bestünden daher keine Bedenken, wenn der abgelehnte Richter – wie hier – noch vor dem Termin die Parteivertreter auf seine Rechtsauffassung hinweise und einen Vergleichsvorschlag unterbreite.

Keine abschließende Beurteilung, sondern vorläufige Rechtsauffassung

Die Vorteile eines solchen Vorgehens liegen nach Ansicht des Gerichts auf der Hand, denn auf diese Weise erhalte der Prozessbevollmächtigte Gelegenheit, seine Partei von der Rechtsauffassung des Gerichts vor dem Termin zu informieren. Diese könne die Hinweise in ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Überlegungen bei dem weiteren prozessualen Vorgehen einbeziehen. Dem Prozessbevollmächtigten ist es möglich, die Einschätzung bei seiner Terminsvorbereitung zu berücksichtigen.

Dass der abgelehnte Richter die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten nicht teilte und in dem Telefongespräch auch von seinem Standpunkt nicht abwich, rechtfertige keine andere Beurteilung. „Der Richter hat auf bestimmte rechtliche Gesichtspunkte hingewiesen und einen Vergleichsvorschlag gemacht. Angesichts dessen, dass der Beklagten eine Einschätzung der Sach- und Rechtslage schon vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorlag, war es für sie möglich, ihrer Auffassung durch weiteren Vortrag Gehör zu verschaffen.

Insbesondere war nach dem Inhalt des Gesprächs erkennbar, dass es sich nicht um eine abschließende Beurteilung handelte, da der abgelehnte Richter am Telefon auf eine weitergehende Erörterung im Termin verwiesen hat“, so die Bremer Oberlandesrichter.

Gegenseite muss nicht anwesend sein: viele Wege zum Vergleich

Die Beklagte wendete schließlich ohne Erfolg ein, eine Erörterung der Sache am Telefon müsse ausscheiden, weil dies ohne Anwesenheit der anderen Partei geschehe, die insoweit nicht mitwirken könne. Die gemeinsame Erörterung der Sach- und Rechtslage sei nicht Voraussetzung für den Abschluss eines Prozessvergleichs, beschied ihn das Gericht.

  • So könne ein Vergleich auch ohne mündliche Verhandlung geschlossen werden, wenn das Gericht nach § 278 Absatz VI ZPO verfahre.
  • Danach kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen.

Das Gericht stellt dann das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest.

(OLG Bremen, Beschluss vom 19.11.2012, 1 U 35/12). 

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