Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Richters

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass ein Richter in einem Telefongespräch einen rechtlichen Hinweis gem. § 139 ZPO erteilt und diesen mit einem Vergleichsvortrag verbindet, rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2, § 139 Abs. 4, § 278 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 8 O 139/10)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 5.9.2012 gegen den Richter am OLG Dr. H. wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Die Klage wurde in erster Instanz durch Urteil des LG vom 6.4.2012 abgewiesen. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Termin zur mündlichen Verhandlung beim OLG war auf den 5.9.2012 anberaumt. Am Vortag nahm der abgelehnte Richter telefonisch Kontakt zu dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf und wies ihn auf seine Rechtsauffassung hin. Gegenstand des Gesprächs war u.a. eine Zeugenaussage, über deren Bewertung der abgelehnte Richter und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten unterschiedlicher Auffassung waren. Der Richter erklärte, dass es auf die Beurteilung vielleicht gar nicht ankomme, weil der Anscheinsbeweis gegen die Beklagte spreche. Er erklärte weiter, er werde seine Ansicht im Termin noch einmal detailliert darlegen und machte einen konkreten Vergleichsvorschlag, wobei er empfahl mit der Beklagten bzw. deren Versicherung vor dem Termin über den Vergleichsvorschlag zu sprechen. Von diesem Gespräch informierte der abgelehnte Richter auch den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Die Beklagte behauptet, der abgelehnte Richter habe in dem Gespräch ferner erklärt, sie werde den Entlastungsbeweis nicht führen können. Die Beklagte hat den Richter im Termin zur mündlichen Verhandlung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

II. Das Befangenheitsgesuch ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Der Richter braucht nicht tatsächlich befangen zu sein. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 42 Rz. 9 m.w.N.). Der Umstand, dass der abgelehnte Richter vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung telefonisch Kontakt zu dem Prozessvertreter aufgenommen hat, lässt die Befangenheit nach den vorstehenden Maßstäben nicht besorgen.

a) Eine Besorgnis der Befangenheit ist nicht gerechtfertigt, weil das Vorgehen des Richters in Einklang mit den Vorschriften der ZPO steht. Nach § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO hat das Gericht die erforderlichen Hinweise so früh wie möglich zu erteilen. In § 278 Abs. 1 ZPO ist angeordnet, dass das Gericht in jeder Lage auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll. Der Gesetzgeber hat es mit dem Zivilprozessrechtsreformgesetz vom 27.7.2001 als ausdrückliche Leitlinie angesehen, möglichst frühzeitig eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erreichen (BT-Drucks. 14/4722, 58). Das Gericht ist in der Wahl der Mittel frei. Hinweise können außerhalb der mündlichen Verhandlung schriftlich, aber auch telefonisch gegeben werden (BGH NJW 2006, 60, 62; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 139 Rz. 12; Wagner in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 139 Rz. 56).

Es bestehen daher keine Bedenken, wenn der abgelehnte Richter - wie hier - noch vor dem Termin die Parteivertreter auf seine Rechtsauffassung hinweist und einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Die Vorteile eines solchen Vorgehens liegen auf der Hand, denn auf diese Weise erhält der Prozessbevollmächtigte Gelegenheit, seine Partei von der Rechtsauffassung des Gerichts vor dem Termin zu informieren. Diese kann die Hinweise in ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Überlegungen bei dem weiteren prozessualen Vorgehen einbeziehen. Dem Prozessbevollmächtigten ist es möglich, die Einschätzung bei seiner Terminsvorbereitung zu berücksichtigen. Dass der abgelehnte Richter die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht teilte und in dem Telefongespräch auch von seinem Standpunkt nicht abwich, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Richter hat auf bestimmte rechtliche Gesichtspunkte hingewiesen und einen Vergleichsvorschlag gemacht. Angesichts dessen, dass der Beklagten eine Einschätzung der Sach- und Rechtslage schon vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorlag, war es für sie möglich, ihrer Auffassung durch weiteren Vortrag Gehör zu verschaffen. Insbesondere war nach dem Inhalt des Gesprächs erkennbar, dass es sich nicht um eine abschließende Beurteilung handelte, da der abgelehnte Richter am Telefon auf eine weiter gehende Erörterung im Termin verwiesen hat.

Soweit die Beklagte behauptet, der abgelehnte Richter h...

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