Plan B für leistungsschwache oder ausgebrannte Kanzleipartner

Die Wirtschaft brummt. Manager und Mitarbeiter in den Unternehmen laufen global um die Wette. Doch das jahrelange Laufen unter Volldampf hat seinen Preis: Irgendwann sind die Akteure ausgepumpt. Es geht ihnen die Luft oder die Lust aus. Burnout, Leistungsschwäche oder Umorientierung zeichnen sich ab – manchmal auch bei Anwälten. Darauf sollte Kanzleien menschlich und vertraglich vorbereitet sein.

Anwälte, die nicht mehr performen, sind auf Dauer eine Belastung für die Kanzlei. Doch aus Rücksicht vor vergangenen Aufbauleistungen, traut sich keiner der Partner an das im Gesellschaftsvertrag oft nicht gelöste Tabuthema ran. Dabei kann es statistisch gesehen jeden Anwalt von heute auf morgen der Herzinfarkt oder der Schlaganfall treffen. Schließlich ist der Anwaltsberuf stressig. Es gibt Kollegen, die trotzdem rauchen und/oder trinken, schlecht essen und sich so gut wie gar nicht an der frischen Luft bewegen.

In guten Zeiten darüber reden

Auch wenn es keinen großen Zusammenbruch gab, mancher Anwalt findet nach langem harten Ringen um den Erfolg der Kanzlei plötzlich doch mehr Freude am Golfspielen. Segeln oder am Familienleben und entdeckt ganz allgemein, dass das Leben noch mehr zu bieten hat, als die Jagd nach dem nächsten Mandat oder Erfolg vor Gericht.

Nicht wenige dieser Kehrtwenden werden verständlicher Weise durch einen  Umbruch oder Schreckschuss familiärer oder medizinische Art initiiert, können aber trotzdem die Kanzlei als Ganzes vor Probleme stellen. Der Betroffene blendet das mancbmal erfolgreich aus.

Wenn sich die Zeiten ändern

Wer der Kanzlei in früheren Zeiten Millionenumsätze und wertvolle mandanten und Kooperationen bescherte, muss natürlich darauf vertrauen können, in schlechten Zeiten durch die Partnerschaft aufgefangen zu werden oder bei Veränderungen in den Lebensumständen nicht von ihr abgestraft zu werden. 

Doch wie weit reicht die Solidarität im Einzelfall? Darüber gehen die Meinungen oft auseinander. Fest steht: Der ungünstigste Zeitpunkt, darüber zu reden, ist dann, wenn es einen Partner erwischt hat. Die Anwaltsgesellschafter sollten das Thema in gesunden Zeiten auf den Tisch bringen – im Interesse aller Beteiligter.

Punktesystem erarbeiten

Am gerechtesten dürfte es sein, die Leistungen der Partner nach einem bestimmten Punktesystem zu bewerten.

  • Dieses Punktesystem muss einerseits diejenige Leistung überdurchschnittlich honorieren, die durch ihre Akquiseanstrengungen oder ihren Kapitaleinsatz den wirtschaftlichen Erfolg der Kanzlei sichert.
  • Andererseits muss die Partnerschaft aber auch Leistungen goutieren, die die Wachstumsstrategie umsetzen – also die Kanzleimanager, die dann weniger juristisch arbeiten können.

Diese Punktesystem kann zu Grundlage der Bezüge oder Ausschüttungen der Kanzlei werden, zumindest aber einen Anhaltspunkt dafür geben. Es dient möglicherweise auch als Hinweisgeber darauf, wann sinnvollerweise Gespräche über Veränderungen wie den Umstieg in eine andere Position oder Funktion in der Kanzlei (freier Mitarbeiter, Berater etc.) oder auch eine Trennung in Betracht kommen.

Wann muss ein Partner ausscheiden?

Über die Jahre kann jeder Anwalt viel Kredit aufbauen. Doch irgendwann - und besonders schnell in Krisenzeiten - ist der verspielt oder verbraucht. Eine mögliche Regelung: Wer über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren keine positiven Beiträge in bestimmter Höhe mehr leistet, sollte als Gesellschafter ausscheiden müssen.

  • In kleinen Partnerbüros dürfte diese Grenze zu lang bemessen sein, es sei denn, der leistungsschwache Partner erbringt Ersatzleistungen in Form eines Kapitaleinsatzes.
  • In größeren Kanzleieinheiten könnte das aber funktionieren, vorausgesetzt, die Partner sind gleich stark.

Gesellschaftsvertrag, Marke und Motivation sind involviert

In einem eher patriarchalisch geführten Kanzleiapparat wird das Thema vielfach am Veto des Chefs und Mehrheitsgesellschafters scheitern, auch wenn das u. U. kurzfristig gedacht ist. Wichtig ist, dass der Gesellschaftsvertrag diesen Punkt, die Einziehung wie die Abfindung, so sorgfältig, fair und solide regelt, dass die Partner ihn guten Gewissens und rechtssicher umsetzen können.

  • Dazu gehört allerdings in einem temporären Krankheitsfall auch, dass einem Partner eine faire  und realistische Chance eingeräumt wird, wieder "in die Hufe " zu kommen.
  • Das ist nicht zuletzt ein Image- und Markenthema für eine Kanzlei, aber auch ein Frage, die die Motivation und Identifikation der Mitarbeiter beeinflusst.
  • Wer bei dem Burnout eines Kollegen oder Vorgesetzten Unerbittlichkeit und Härte erlebt, wird sich künftig eher wegbewerben oder schonen, als sich ins Zeug zu legen. 
  • Umgekehrt kann eine endlose Schwebesituation in einem wichtigen Kanzleiressort auch lähmen und blockieren.

Schon im Vorfeld sollten allerdings Kanzleien bei Mitarbeitern und Partnern ein Auge auf Gesundheitsmanagement und Resilienz haben und insoweit auch mit einem guten Beispiel vorangehen.