Rn 1

Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten, zu denen nicht nur die Erblasserschulden, also Verbindlichkeiten die noch zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind, sondern auch die Verbindlichkeiten gehören, die erst mit dem Erbfall entstanden sind und mit ihm im Zusammenhang stehen. Der Erbe haftet für diese Verbindlichkeiten zunächst (vorläufig) unbeschränkt, er hat aber die Möglichkeit, die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten auf das ererbte Vermögen zu beschränken, so dass der Nachlass als vom Eigenvermögen des Erben getrenntes Sondervermögen zu behandeln ist. Dies setzt jedoch die Beachtung bestimmter Erhaltungs- und Dokumentationspflichten voraus. Wird ein Erbe in Anspruch genommen, ist also zunächst zu prüfen, ob es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt; ist dies zu bejahen, ist der Frage nachzugehen, ob der Erbe für diese Nachlassverbindlichkeit beschränkt auf den Nachlass oder unbeschränkt haftet. Bei Vollstreckungsmaßnahmen ist darüber hinaus zu prüfen, ob der Gegenstand zum haftenden Vermögen gehört. Ist nach § 780 I ZPO der Vorbehalt der Beschränkung der Haftung auf den Nachlass festgestellt, hat dies präjudizielle Wirkung; die Behauptung, es handle sich um Eigenverbindlichkeiten des Erben, ist dann ausgeschlossen (BGH WM 20, 2348).

 

Rn 2

Die Unterscheidung zwischen Erblasserschulden und Erbfallschulden ist bei gestreckten Erwerbsvorgängen mitunter schwierig. Erblasserschulden liegen auch dort vor, wo der Erblasser bereits alle zur Vollendung des Rechtserwerbs erforderlichen Erklärungen abgegeben hat, die Vollendung jedoch erst nach dessen Tod eintritt. Dies ist insbesondere bei schwebenden Rechtsvorgängen der Fall. So ist beim Grabpflegevertrag zu unterscheiden, ob dieser noch vom Erblasser abgeschlossen wurde (dann Erblasserschulden) oder erst der Erbe den Grabpflegevertrag abschließt (dann Erbfallschulden) (Köln ZEV 15, 355; zur Berücksichtigung beim Pflichtteilsanspruch vgl § 2311 Rn 7 und BGH NJW 21, 2115 [BGH 26.05.2021 - IV ZR 174/20]). Mitunter kann der Erbe wegen des Erbfalls im Rahmen bestehender Rechtsbeziehungen Gestaltungsrechte ausüben, die dem Erblasser nicht zustehen. Dies kann etwa die vorzeitige Beendigung eines Darlehensverhältnisses nach § 490 II sein oder aber die Ausübung von Gestaltungsrechten im Mietvertrag nach §§ 563, 563a und 580 sein (§ 563a Rn 11). Wird das Sonderkündigungsrecht nach § 564 S 2 ausgeübt, handelt es sich einheitlich bis zur Beendigung um Erblasserschulden (BGH NJW 14, 389 [BGH 26.09.2013 - IX ZR 3/13]; Rn 6). Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten findet nach § 1586b eine Haftungsbeschränkung (§ 1586b Rn 1). Zu den Erblasserschulden (Nachlassverbindlichkeiten) gehört auch die nach dem Tod zu Unrecht dem Erblasser gewährte gesetzliche Rente (BSG SozR 4–2600, § 118 Nr 11; aA für die Betriebsrente AG Bad Segeberg FamRZ 11, 1092 – Eigenschulden des Erben). Es handelt sich idR jedoch um eine nach § 50 SGB X zurück zu fordende Leistung für die die Besonderheiten des § 118 SGB VI gelten (vgl BSG SorR 4–2600 – § 118 Nr 11). Keine Nachlassverbindlichkeiten sind Einkommenssteuerforderungen, die aufgrund von Einkünften des Erben aus dem Nachlassvermögen entstanden sind (BGH ZEV 98, 441; vgl auch § 1922 Rn 43), die von einem mit Testamentsvollstreckung beschwerten Erben begründeten Verbindlichkeiten (KG FamRZ 09, 2122) sowie Geldstrafen des Erblassers, da gem § 459c III StPO nicht in den Nachlass des Verurteilten vollstreckt werden darf; entspr gilt auch für Geldbußen nach § 101 OWiG. Der Nachlass haftet nach § 465 III StPO nicht für die Verfahrenskosten, wenn der Verurteilte vor Rechtskraft des Urt stirbt (Meyer-Großner § 465 StPO Rz 12).

 

Rn 3

Für Nachlassforderungen aus schuldhafter Nachlassverwaltung haftet der Erbe ohne Beschränkung.

 

Rn 4

Wird der Erbe wegen einer Nachlassverbindlichkeit in Anspruch genommen, ist dafür zu sorgen, dass der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung in den Urteilstenor aufgenommen wird (BGH NJW 92, 2694 [BGH 02.07.1992 - IX ZR 256/91]).

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