Rn 3

Der Idee nach werden die Sachanträge grds aus vorbereitenden Schriftsätzen (§§ 129, 130 Nr 2, 282, 496), ansonsten aus einer dem Protokoll als Anlage (§ 160 V) beizufügenden, dem Gegner zur Durchsicht vorzulegenden oder vorzulesenden, uU erst im Termin erstellten Schrift, deren Autor eindeutig sein muss, verlesen (Abs 1 S 1 und 2). Zudem kann der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen eine Erklärung zu Protokoll gestatten (Abs 1 Satz 3), zB nach richterlichem Hinweis neu gefasste Sachanträge (beachte § 261 II). In der Praxis kommt eine mündliche Antragstellung zu Protokoll häufiger bei anwaltlich nicht vertretenen Parteien vor. Ansonsten nehmen die Parteien regelmäßig auf die die Anträge enthaltenden Schriftsätze Bezug, wie es Abs 2 erlaubt (BGH 5.3.19 – VIII ZR 190/18, NJW 19, 1950 Rz 13). Nimmt eine Partei auf die Klageschrift Bezug, sind sämtliche darin angekündigten Anträge gestellt, wenn sich nicht unmissverständlich anderes aus dem Protokoll ergibt (BGH 5.3.19 – VIII ZR 190/18, NJW 19, 1950 Rz 14). Es ist dann nicht gem § 160 III Nr 2 der angekündigte Antrag, sondern die Bezugnahme zu protokollieren. IÜ muss der Bezugspunkt eindeutig sein (BAG NJW 03, 1548, 1549 [BAG 04.12.2002 - 5 AZR 556/01]). Aus Gründen der Rechtsklarheit und wegen der zentralen Bedeutung der Sachanträge ua für Streitgegenstand und Rechtskraft muss eindeutig sein, ob Anträge gestellt werden, was beantragt wird und was nicht. Daher kommt eine konkludente Bezugnahme der Anträge nur in Betracht, wenn der Gegenstand des Rechtsstreits fest umrissen und klar ist, dass die Bezugnahme auf die Schriftsätze zum Zwecke der Antragstellung und nicht nur zur Erörterung der Sach- und Rechtslage erfolgte (BAG NZA 09, 276, 277 [BAG 28.08.2008 - 2 AZR 63/07]). Unklarheiten, zB ob eine nur tw Verlesung eine Klagerücknahme bedeuten solle, hat das Gericht zu versuchen aufzuklären (§ 139). IÜ hat es nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Dazu können auch Prozesserklärungen ausgelegt werden, wobei der Grds gilt, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH NJW 14, 155 Rz 30; 11, 1455 Rz 9). Eine Berichtigung einer Prozesshandlung ist nicht ausgeschlossen, wenn es sich um einen offensichtlichen Irrtum handelt (BGH 1.8.13 – VII ZR 268/11 Rz 30). Im schriftlichen Verfahren (§ 128), bei einer Entscheidung nach Lage der Akten (§ 251a, 331a) und im Verfahren mit fakultativer mündlicher Verhandlung (zB §§ 921, 937 II) ist für § 297 kein Raum. Hier werden die Anträge mit der Einreichung des Schriftsatzes gestellt (BGH NJW 12, 1292 [BGH 20.03.2012 - V ZR 275/11]; 31.7.13 – XII ZR 114/13 Rz 7: je zum Schutzantrag nach § 712, wenn das Berufungsgericht ankündigt, die Berufung nach § 522 II durch Beschluss zurückzuweisen). Ein Hilfsantrag, der im ersten Rechtszug nicht beschieden wurde, weil der Hauptantrag zuerkannt wurde, fällt infolge der Einlegung des Rechtsmittels durch den Beklagten zur Entscheidung an (§ 528 Rn 19; BGH 18.7.13 – III ZR 208/12 Rz 9). Zur Widerklage beachte § 261 II (s dort). Wurde ein Antrag aufgrund eines falschen Hinweises nicht gestellt, ist die Verhandlung wiederzueröffnen oder ins schriftliche Verfahren (§ 128 II) überzugehen (BGH 3.2.22 – III ZR 242/20 Rz 13).

 

Rn 4

In das Protokoll (Beweiskraft: § 165) ist die Art der Antragstellung aufzunehmen (§ 160 III Nr 2; vgl BAG NJW 22, 1475 [BAG 09.02.2022 - 5 AZR 347/21] Rz 13), nur im Fall des Abs 1 Satz 3 auch der Antragsinhalt. Schweigt das Protokoll, ist zwar grds Beweis durch den Tatbestand (§ 314) möglich, doch gehen die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift dem Tatbestand vor (BGH 24.7.18 – VI ZR 294/17 Rz 11; 18.7.13 – III ZR 208/12 Rz 8; § 314 Rn 9), sodass, fehlt die Antragstellung im Protokoll, das Protokoll gilt (BAG NJW 22, 1475 [BAG 09.02.2022 - 5 AZR 347/21] Rz 15). Bei mündlich zu Protokoll gestellten Anträgen (Abs 1 Satz 3) ist auch deren Verlesung und Genehmigung zu protokollieren (§ 162 I).

 

Rn 5

Formmängel erfolgter Antragstellung sind, auch in der Rechtsmittelinstanz, nach § 295 heilbar (vgl Karlsr 2.11.03 – 19 U 35/03). Nicht nach § 295 heilbar ist, dass keine Anträge (§§ 253 II Nr 2, 308) gestellt wurden (Rn 1; BAG NZA 16, 1166 [BAG 07.06.2016 - 1 ABR 26/14] Rz 9). Wird zu Gunsten des Klägers/Widerklägers gegen § 308 I verstoßen, kann Heilung in der Berufungsinstanz durch seine entspr Klageänderung erfolgen (BGH NJW 93, 925, 928 [BGH 20.11.1992 - V ZR 82/91]; BAG NJW 06, 1798, 1799; § 308 Rn 11).

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