Gesetzestext
(1) 1Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. 2Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.
(2) 1Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. 2In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.
A. Ratio des Schutzantrags des Schuldners.
Rn 1
Die Interessen des Schuldners stehen in der Zwangsvollstreckung ggü denen des Gläubigers, der ja einen titulierten Anspruch erstritten hat, grds hintan. Ihnen wird allein dadurch Rechnung getragen, dass der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit zu leisten hat (§§ 709, 708, 711; Ddorf GRUR-RR 10, 122; MDR 87, 415; Celle OLGZ 93, 475f). Ein gewisses ›Korrektiv‹ für dieses gläubigerfreundliche Vollstreckungssystem (MüKoZPO/Götz § 712 Rz 1) bietet § 712 mit dem Institut des Schutzantrages des Schuldners. Die Regelung gestattet es dem Schuldner, die Vollstreckung mittels eigener Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden, nach Abs 1 S 2 auf eine Sicherungsvollstreckung nach § 720a zu beschränken oder gar zu erreichen, dass das Urt überhaupt nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt wird (Abs 1 S 2). All das setzt freilich voraus, dass die Vollstreckung für den Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt, und steht des Weiteren unter dem generellen Vorbehalt, dass ein überwiegendes Interesse des Gläubigers dem Schutzantrag des Schuldners nicht entgegensteht (Abs 2 S 1). Schließlich haben Schutzanträge dann keine Aussicht auf Erfolg, wenn das zu vollstreckende Urt mit Rechtsmitteln nach § 713 nicht angefochten werden kann. In diesem Fall gibt es keinen Grund, die Vollstreckung noch länger aufzuschieben.
B. Tatbestand.
I. Formeller.
Rn 2
Den besonderen Schutz des § 712 muss der Schuldner beantragen (Wintermeier/Langbehn ZJS 14, 30). Dabei handelt sich um einen Sachantrag nach § 714, der in der letzten mündlichen Verhandlung zu stellen ist (BGH Grundeigentum 09, 1041; BGH FamRZ 03, 598) und dessen tatsächliche Voraussetzungen der Glaubhaftmachung nach § 714 II bedürfen. Seinem Inhalt nach kann der Antrag auf eine bestimmte Schutzmaßnahme beschränkt oder deren Auswahl in das Ermessen des Gerichts gestellt werden. § 308 ist anwendbar. VAw werden dagegen die Interessen des Gläubigers nach Abs 2 abgewogen. Der Schuldner ist jedoch nicht gehindert, dazu Tatsachen vorzutragen und ggf glaubhaft zu machen. Wird der Antrag nicht gestellt, kann das die nachteiligen Folgen des § 719 II haben. Der Antrag ist zurückzuweisen, wenn der Schuldner nicht glaubhaft macht, dass er im Erkenntnisverfahren Vollstreckungsschutz beantragt hat (BGH JurBüro 09, 379). Er ist im Hinblick auf das Berufungsurteil auch in der 2. Instanz zulässig, so wenn das Berufungsgericht ankündigt, die Berufung nach § 522 II durch Beschluss zurückzuweisen (BGH NJW 12, 1292 [BGH 20.03.2012 - V ZR 275/11]). Dagegen kann der Schutzantrag in der Berufungsinstanz nicht für die 1. Instanz nachgeholt werden (BGH DGVZ 08, 12; NJW-RR 06, 1088; Naumbg BeckRS 14, 09224). Ebenso wenig kann ein in der 1. Instanz unterlassener Antrag nach § 712 noch in der 2. gestellt werden (Dresd MDR 15, 1226 [OLG Dresden 25.08.2015 - 5 U 1057/15]; Frankf MDR 09, 229 [BAG 22.10.2008 - 10 AZR 703/07]). Unterbleibt der Antrag in der Berufungsinstanz, obwohl es möglich und zumutbar war, ihn zu stellen, kann die Vollstreckung in der Revisionsinstanz wegen § 719 II grds nicht mehr eingestellt werden (BGH WM 19, 78; WuM 18, 221; 18, 726). Ausnahmen werden gemacht, wenn das Berufungsgericht zu Unrecht von der Anordnung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 abgesehen hat (BGH ZMR 09, 518) oder es dem Schuldner in der Berufungsinstanz aus besonderen Gründen nicht möglich oder zumutbar war, den Schutzantrag zu stellen (BGH WM 78, 46; NZM 14, 707 [BGH 02.07.2014 - XII ZR 65/14]; NJW-RR 11, 705 [BGH 24.11.2010 - XII ZR 31/10]; NJW-RR 08, 1038 [BGH 04.06.2008 - XII ZR 55/08]; s § 719 Rn 8).
II. Materieller.
1. Unersetzbarer Vollstreckungsnachteil.
Rn 3
Die Schutzbedürftigkeit des Schuldners muss sich aus dem Umstand ergeben, dass durch die Vollstreckung ein unersetzbarer Nachteil entsteht. Die Fälle kommen selten vor, weil der Ausgleich eines Vollstreckungsschadens idR monetär kompensiert werden kann und der Schuldner in diesem Fall durch § 717 schadlos gestellt ist. Zu unterscheiden ist der unersetzbare Vollstreckungsnachteil vom schwer ersetzbaren (der Schuldner befindet sich im Ausland), der nicht genügt, um einen Schutzantrag nach § 712 zu begründen. Unersetzbare Nachteile sind etwa die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners du...