Gesetzestext

 

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1. Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2. Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3. Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4. Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5. Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6. Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7. Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8. Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9. Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10. Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11. andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

A. Die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708.

I. Begriff und Zweck.

 

Rn 1

Die in der Vorschrift abschließend genannten Urteile müssen für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, damit die Vollstreckung aus ihnen stattfinden kann (§ 704). Denn sie werden mit ihrer Verkündung nicht formell rechtskräftig. Im Gegensatz zu den Urteilen des § 709 erfolgt die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit in den Fallgestaltungen des § 708 ohne Sicherheitsleistung, weil das Gesetz hier die Interessen des Gläubigers an einer möglichst raschen Befriedigung ggü denen des Schuldners als vorrangig ansieht (BGH NJW-RR 12, 633 [BGH 07.03.2012 - IV ZR 277/10] zum ausschließenden Verhältnis von §§ 708, 711 einer- und § 709 andererseits). Das hat seinen Grund entweder in der Art der Entscheidung (Anerkenntnis, Säumnis, einstweiliger Rechtsschutz) oder aber im Rechtscharakter des titulierten Anspruchs (Unterhalt, Besitzschutz). Der Schuldner wird demgegenüber auf die Befugnis zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nach § 711 verwiesen. Die Vorschrift ist freilich nicht in allen Fällen des § 708 anwendbar. Dass die Interessen des Gläubigers iRd § 708 ggü denen des Schuldners Vorrang haben, zeigt sich auch im Fall der Konkurrenz der in § 708 geregelten Fallgruppen. Sie richtet sich nämlich nach der Vollstreckbarkeit der für Gläubiger günstigeren von zwei Fallgruppen. So ist etwa das Vorbehaltsanerkenntnisurteil nicht nach Nr 4 vollstreckbar, sondern nach Nr 1, weil der Schuldner hier keine Abwendungsbefugnis hat (Kobl NJW-RR 91, 512 [OLG Koblenz 13.12.1990 - 2 U 1749/90]).

II. Eintritt, Umfang und Wirkung.

 

Rn 2

Der Eintritt der vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgt durch Anordnung, die keines besonderen Antrags bedarf, auf die aber nach den §§ 710, 711 S 3, 712 im Antragswege Einfluss genommen werden kann. Die vorläufige Vollstreckbarkeit bezieht sich auch auf die Kostenentscheidung, bei Feststellungs-, Gestaltungsurteilen und auf die Abgabe von Willenserklärungen gerichteten Titeln sogar nur darauf. Vorläufig vollstreckbar ist ein Urt ab Verkündung nach § 310 I, II oder aber ab Zustellung nach § 310 III. Ab diesem Zeitpunkt darf der Gläubiger aus dem Titel vollstrecken. Wird § 708 missachtet und das Urteil fehlerhaft für nicht vollstreckbar erklärt, handelt es sich um eine unrichtige Sachbehandlung und die Gerichtskosten werden niedergeschlagen (Frankf AGS 14. 285). Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist auflösend bedingt durch die Verkündung einer abändernden oder aufhebenden Entscheidung nach § 717 I. In diesem Fall entfällt sie, soweit nicht die Zwangsvollstreckung vorher nach § 707 eingestellt worden ist.

 

Rn 3

Die materiell-rechtlichen Wirkungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit sind umstr (MüKoZPO/Götz § 708 Rz 5, 6; St/J/Münzberg § 708 Rz 5 ff mwN). Das betrifft insb die Frage nach der Erfüllungswirkung der Leistung aufgrund der Vollstreckung bzw der Leistung zur Abwehr der Vollstreckung. Die hM verneint diese, weil die reale Leistungsbewirkung bei einem vorläufig vollstreckbaren Titel stets unter dem konkludenten Vorbehalt...

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