Gesetzestext

 

(1) 1Das Urteil wird in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin verkündet. 2Dieser wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern.

(2) Wird das Urteil nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, so muss es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefasst sein.

(3) 1Bei einem Anerkenntnisurteil und einem Versäumnisurteil, die nach §§ 307, 331 Abs. 3 ohne mündliche Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt. 2Dasselbe gilt bei einem Urteil, das den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verwirft (§ 341 Abs. 2).

A. Normzweck und Grundlagen.

 

Rn 1

§ 310 regelt im Zusammenspiel mit § 311 und § 312 sowie §§ 136 IV, 160 III Nr 7 die Modalitäten der Urteilsverkündung. Erst die Urteilsverkündung, nicht schon oder erst die Unterschrift der Richter, macht aus einem Urteilsentwurf (BGHZ 14, 39, 44; NJW 04, 2019, 2020; Frankf 12.9.12 – 1 U 32/09, BeckRS 13, 02866; § 309 Rn 2) den rechtlich existenten, endgültigen und damit iSd § 318 bindenden Ausspruch (vgl BGH NJW 06, 1881, 1882 Rz 13). Grds kann das Urt erst nach seiner Verkündung zum Gegenstand von Einspruch und Rechtsmitteln gemacht werden (Ausnahmen Rn 8). Die Verkündung setzt die Fünf-Monats-Frist der §§ 517, 548 und die Drei-Monats-Frist des § 320 II 3 für die Tatbestandsberichtigung in Gang und bringt die Wirkungen einer im Urt enthaltenen Androhung (§ 890 II) zur Geltung. Zu Ausnahmen BGH NJW-RR 11, 5 [BGH 21.07.2010 - XII ZB 135/09] Rz 14 ff.

§ 310 bringt kollidierende Interessen zum Ausgleich. Die Möglichkeit der Urteilsverkündung im Termin (Abs 1 Var 1) trägt der Einsicht Rechnung, dass die Urteilsberatung und -verkündung am besten unter einem noch frischen Eindruck der Ergebnisse der Verhandlung erfolgen sollte. Um jedoch solchen Verfahren gerecht zu werden, in denen im Interesse einer sorgfältigen Entscheidung eine längere (Bedenk-)Zeit bis zur Urteilsverkündung erforderlich ist, lassen Abs 1 und Abs 2 auch die Terminierung eines gesonderten Verkündungstermins zu. Abs 3 ersetzt die Verkündung durch die Zustellung des Urteils, da die Urteile in den Fällen der §§ 307 S 2, 331 III ohne mündliche Verhandlung ergehen.

B. Voraussetzungen.

I. Urteilsverkündung.

 

Rn 2

Die gem § 173 GVG und wegen Art 6 EMRK stets öffentliche Verkündung steht nicht zur Disposition der Parteien (ThoPu/Reichold Rz 1). Der Anwesenheit der Parteien bei der Verkündung bedarf es aber nicht. Zur Wirkung ggü Abwesenden § 312. Ist keine Partei bei der Verkündung anwesend, so muss die Urteilsformel nicht verlesen werden; Bezugnahme auf die Formel reicht aus, § 311 IV 2. Der Verkündung bedarf es im schriftlichen Verfahren (§ 128 Rn 25, aber unten Rn 7) und bei einer Entscheidung nach Lage der Akten (§ 251a Rn 4), für Letztere gelten die Wartefristen in §§ 251a II 2, 331a S 2. Auch der Beschl ist nach mündlicher Verhandlung zu verkünden (§ 329 I). Das Urt und die Verkündung sind im Protokoll festzuhalten, § 160 III Nr 6 und 7 bzw die Urteilsformel als Anlage zum Protokoll hinzuzunehmen (§ 160 V); zur Beweiskraft vgl § 165. Der Verkündungsvermerk (§ 315 III) ersetzt nicht die Feststellung der Verkündung im Sitzungsprotokoll (BGH VersR 89, 604; Frankf 12.9.12 – 1 U 32/09, BeckRS 13, 02866). Die Verkündung ist vom Vorsitzenden vorzunehmen (§ 136 IV). Urteile des Einzelrichters sind durch diesen, nicht das Kollegium zu verkünden; ein Verstoß oder sonstiger Besetzungsfehler bei der Verkündung berührt die Wirksamkeit der Verkündung aber nicht (BAG NJW 15, 3181 [BAG 06.05.2015 - 2 AZN 984/14]; Ddorf MDR 77, 144; sogleich Rn 8). Zur Besetzung des Gerichts bei Richterwechsel § 309 Rn 2.

 

Rn 3

Das Datum der Verkündung ist für den Lauf der Höchstfrist für die Berufung und Revision gem §§ 517 S 2, 548 maßgeblich; die Frist beginnt auch bei fehlerhafter Verkündung unter Verstoß gegen Abs 1, solange sie mit Beweiskraft protokolliert ist (BGH NJW-RR 94, 127; NJW 99, 143, 144). Die Frist läuft unabhängig davon, ob eine Partei von Verkündungstermin und Urt unverschuldet keine Kenntnis erlangt hat.

Die Verkündung erfolgt durch Vorlesen der Urteilsformel oder ggf durch Bezugnahme (§ 311 II, dort Rn 3 f). Das ›Vorlesen‹ der Urteilsformel setzt deren schriftliche – ggf stenografische – Niederlegung vor der Verkündung voraus (BGH NJW 99, 794, vgl BGHZ 158, 37, 39 = NJW 04, 1666 f; NJW 15, 2342). Das Urteil muss allerdings im Zeitpunkt der Verkündung noch nicht in vollständiger Form abgefasst sein; Tatbestand und Entscheidungsgründe müssen zu diesem Zeitpunkt nicht vorliegen (BGH NJW-RR 15, 508, 509). Ein Urt ist wirksam verkündet, wenn im Protokoll die Verkündung des ›anliegenden Urteils‹ vermerkt ist, auch ohne dass die Form der Verkündung (Vorlesen der Urteilsformel oder Bezugnahme) genannt ist (BGH NJW 94, 3358; NJW-RR 15, 508, 509 [BGH 12.02.2015 - IX ZR 156/14]). Das Protokoll erbringt den Beweis dafür, dass das Urt auf der Grundlage einer schriftlich a...

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