Gesetzestext
(1) 1Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. 2Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständigkeit des Gerichts nach § 29 Abs. 2, § 38.
(2) Soweit es den Klageantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.
(3) 1Hat der Beklagte entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, so trifft auf Antrag des Klägers das Gericht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; dies gilt nicht, wenn die Erklärung des Beklagten noch eingeht, bevor das von den Richtern unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt ist. 2Der Antrag kann schon in der Klageschrift gestellt werden. 3Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist auch insoweit zulässig, als das Vorbringen des Klägers den Klageantrag in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt, sofern der Kläger vor der Entscheidung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
A. Normzweck.
Rn 1
Abs 1 S 1 fingiert ein Geständnis (entspr § 288 I 1) des säumigen Bekl zu den vom Kl zur Anspruchsbegründung vorgetragenen Tatsachen. Dieser muss sein Vorbringen nicht glaubhaft machen; das Versäumnisurteil soll auch ergehen, wenn der Richter Zweifel an der Wahrheit hat (Mot zur CPO, 230 = Hahn/Mugdan, Materialien, 294). Mit dem durch die Zivilprozessnovelle 1974 (BGBl I 753) eingefügten S 2 sind der Vortrag zur Vereinbarung eines Erfüllungsorts (§ 29 II) oder eines Gerichtsstands (§ 38) von der Geständnisfiktion ausgenommen und die die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts betreffenden Voraussetzungen dem Amtsprüfungsgrundsatz unterworfen worden (Vollkommer Rpfleger 74, 129, 138). Abs 2 schreibt dem Gericht eine Prüfung der Schlüssigkeit des tatsächlichen Vorbringens vor. Der mit der Vereinfachungsnovelle 1976 (BGBl I 3281) eingefügte Abs 3 ermöglicht ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren. Dieses Versäumnisurteil dient dazu, die nicht wirklich streitigen Verfahren mit einem für das Gericht möglichst geringen Arbeitsaufwand zu erledigen (BTDrs 7/2729, 70, 80).
B. Die Säumnis des Beklagten in einem Verhandlungstermin.
I. Die Voraussetzungen des Versäumnisurteils gegen den Beklagten.
1. Anwendungsbereich der Norm.
Rn 2
Die Vorschriften über das Versäumnisverfahren müssen allgemein anwendbar sein (s § 330 Rn 3 ff). In Ehesachen (§§ 121 ff FamFG) sind Versäumnisentscheidungen gegen den Antragsgegner nach § 130 II FamFG unzulässig. In den Verbundsachen (§§ 137 ff FamFG) ist nunmehr stets einheitlich durch Beschl zu entscheiden, auch soweit eine Versäumnisentscheidung zu treffen ist (§ 142 I FamFG). Der auf Säumnis beruhende Teil der Entscheidung ist – wie bisher (vgl BGH FamRZ 94, 1521; Zweibr FamRZ 96, 1483) – mit dem Einspruch anzufechten, über den nach § 143 FamFG ggf vorab zu verhandeln und zu entscheiden ist (zur Sperrwirkung für die bereits in der Beschwerdeinstanz befindliche Ehesache: BGH NJW 15, 2123 [BGH 29.04.2015 - XII ZB 590/13]).
2. Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen.
Rn 3
Die vAw zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen müssen vorliegen (s.o. § 330 Rn 6), was vom Kl darzulegen und zu beweisen ist (BGH NJW 61, 2207 [BGH 05.10.1961 - VII ZR 201/58]). Das gilt nach Abs 1 S 2 auch für den Vortrag zu den Voraussetzungen einer nach § 38 I, II zulässigen Gerichtsstandsvereinbarung. Zum Beweis zulässiger Prorogation (§ 38 I) bedarf es keines urkundlichen Nachweises der Kaufmannseigenschaft durch Registerauszug; dem Kl stehen – auch im Urkundenprozess – alle Beweismittel zur Verfügung (Frankf MDR 75, 232; ZIP 1981, 664; Karlsr MDR 02, 1269). Zweckmäßigerweise ist in solchen Fällen zumindest hilfsweise ein Antrag auf Verweisung nach § 281 I 1 stellen. Hat der Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs iSd § 17a III 2 GVG gerügt, muss das Gericht vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs entscheiden (vgl LG Köln NJW-RR 17, 767 [LG Köln 09.11.2016 - 13 S 37/16]).
Rn 4
Die Heilung behebbarer Mängel durch Einlassung zur Sache (§ 39) oder durch rügeloses Verhandeln (§ 295) scheidet bei Säumnis des Bekl aus. Das weitere Verfahren des Gerichts bestimmt sich danach, ob der Mangel noch behoben werden kann oder nicht (dazu Rn 23 ff).
3. Säumnis des Beklagten.
Rn 5
Der Bekl muss in dem Termin nicht erschienen sein oder nicht verhandeln (§ 333). Insoweit gilt dasselbe wie für die Säumnis des Kl (s § 330 Rn 7). Es darf kein Vertagungsgrund nach § 337 vorliegen, also insb keine Anhaltspunkte dafür geben, dass der Bekl ohne sein Verschulden am Erscheinen verhindert ist (s § 330 Rn 8, 9).
4. Antrag des Klägers.
Rn 6
Das Urt nach Abs 2 setzt den Prozessantrag des Klägers auf Erlass des Versäumnisurteils voraus. Dieser Antrag ist Grundlage dafür, dass ein Sachurteil gegen den Bekl ohne Berücksichtigung auch der dem Richter bekannten Einwendungen ergehen kann (RGZ 28, 393, 397). Ein Versäumnisurteil ist nicht zulässig, wenn der Kl nach einem Anerkenntnis des Bekl, das auch schriftsätzlich ggü dem Prozessgericht erklärt sein kann (HK-ZPO/Saenger § 307 Rz 4), ein Urt gem § 307 I beantragt (MüKoZPO/Prütting Rz 6). Der Prozessantrag ist vom Sachantrag zu unterscheiden...