Gesetzestext

 

(1) 1Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. 2Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. 3Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. 4Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) 1Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1. die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4. eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

2Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 3Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. 4Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt zunächst eine Selbstverständlichkeit, nämlich die amtswegige Prüfung der Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Berufung durch das Berufungsgericht vor der Prüfung der Begründetheit. Sodann gibt sie dem Berufungsgericht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung die Möglichkeit, in einem vereinfachten und verkürzten Verfahren unzulässige und offensichtlich unbegründete Berufungen schnell zu verwerfen.

B. Zulässigkeitsprüfung (Abs 1).

I. Von Amts wegen.

 

Rn 2

Die Zulässigkeitsprüfung vAw steht unter dem verfassungsrechtlichen Postulat (Art 19 IV GG), den Parteien den Zugang zu der Berufungsinstanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht gebotener Weise zu erschweren (s nur BVerfGE 88, 118, 124 [BVerfG 02.03.1993 - 1 BvR 249/92]); hieraus folgt, dass die Anforderungen an die Zulässigkeit der Berufung nicht in einer mit dem Grundrecht aus Art 19 IV unvereinbaren Weise überspannt werden dürfen (BVerfG NJW-RR 07, 862, 863 [BVerfG 06.02.2007 - 1 BvR 191/06]).

 

Rn 3

Von Amts wegen heißt, dass das Berufungsgericht den gesamten Prozessstoff in Bezug auf die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels würdigen muss. Es ist jedoch weder berechtigt noch verpflichtet, im Wege der Amtsermittlung Tatsachen zu erforschen und in das Verfahren einzuführen; vielmehr ist es Sache des Berufungsklägers, das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen darzulegen und die notwendigen Nachweise vorzulegen (vgl BGH NJW-RR 00, 1156f [BGH 21.02.2000 - II ZR 231/98]).

II. Statthaftigkeit der Berufung.

 

Rn 4

Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt (§ 511 I). Zu den Voraussetzungen der Statthaftigkeit im Einzelnen kann hier auf die Erläuterungen in § 511 Rn 1–12 verwiesen werden.

III. Zulässigkeit der Berufung.

 

Rn 5

Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder das erstinstanzliche Gericht die Berufung in seinem Urt zugelassen hat (§ 511 II). Zum Vorliegen dieser Voraussetzungen kann hier auf die Erläuterungen in § 511 Rn 13–52 verwiesen werden. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist die Einlegung und Begründung der Berufung in der gesetzlichen Form und Frist. Zu diesen Voraussetzungen wird auf die Erläuterungen zu den §§ 517–520 verwiesen.

 

Rn 6

Zulässigkeitsvoraussetzung ist auch die Beschwer des Berufungsklägers aus dem erstinstanzlichen Urt (s dazu § 511 Rn 17 ff). Demnach erstreckt sich die Zulässigkeitsprüfung auch auf diesen Punkt.

 

Rn 7

Schließlich gehört auch die Beurteilung der Prozessfähigkeit des Berufungsklägers zu den Aufgaben des Berufungsgerichts iRd Zulässigkeitsprüfung. Bei Streit um die Prozessfähigkeit wird ein evtl prozessunfähiger Berufungskläger so behandelt, als sei er prozessfähig (BGH NJW 00, 289). Stellt sich heraus, dass die Prozessunfähigkeit bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung vorlag, ist nicht die Berufung als unzulässig zu verwerfen, sondern die Klage als unzulässig abzuweisen; dem liegt der Gedanke des umfassenden Rechtsschutzes auch für einen Prozessunfähigen zu Grunde (BGH NJW 00, 289, 291 [BGH 04.11.1999 - III ZR 306/98]).

IV. Verfahren.

 

Rn 8

Die Verwerfung der Berufung als unzulässig wegen Fehlens einer Zulässigkeitsvoraussetzung kann nach Abs 1 S 3 durch Beschl erfolgen. Darin muss der maßgebliche Sachverhalt, über den entschieden wurde, wiedergegeben werden; auch müssen der Streitgegenstand und die von den Parteien gestellten Anträge erkennbar sein (BGH MDR 19, 954). Eine mündliche Verhandlung über die Zulässigkeit der Berufung wird in das nicht nachprüfbare Ermessen des Berufungsgerichts gestellt. Sie ist in der Praxis...

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