BeA-Schulungspflicht von Rechtsanwälten

Rechtsanwälte, die ihre Kanzleiangestellten mit der Versendung von Schriftsätzen per beA betrauen, müssen diese schulen. Dies betrifft u. a. die Überprüfung des Versandvorgangs sowie die Kontrolle des Eingangs bei Gericht.

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat sich der BGH ausführlich mit den Pflichten des Rechtsanwalts zur Schulung seiner Mitarbeiter im Umgang mit dem beA beschäftigt. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze über das beA gelten danach ausnahmslos auch für die mit der Versendung von Schriftsätzen betrauten Mitarbeiter des Anwalts.

Angestellte mit der Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift betraut

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Rechtsanwalt eine Berufungsbegründungsschrift innerhalb der (verlängerten) Begründungsfrist rechtzeitig gefertigt und qualifiziert elektronisch signiert. Anschließend hatte eine Kanzleiangestellte nach Darstellung des Anwalts die Übermittlung entsprechend seiner Anweisung veranlasst und die ordnungsgemäße Übermittlung kontrolliert. Später hat sich herausgestellt, dass der Schriftsatz bei Gericht nicht angekommen war.

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Für die hierdurch versäumte Berufungsbegründungsfrist hat der Anwalt für die von ihm vertretene Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung führte er aus, er habe seiner Angestellten die klare Arbeitsanweisung erteilt, nach Abschluss der Versendung des mit seiner elektronischen Signatur versehenen Schriftstücks den Versandvorgang auf seine Vollständigkeit hin zu überprüfen. Die Angestellte habe ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO richten sollen.

Gerichtliche Eingangsbestätigung falsch verstanden

Der Anwalt versicherte an Eides statt, dass seine ansonsten zuverlässige und sachkundige Angestellte eine unmittelbar nach der Versendung eingegangene gerichtliche Eingangsbestätigung des gleichen Gerichts für ein Fristverlängerungsersuchen versehentlich falsch gelesen und diese Eingangsbestätigung irrtümlich auf die Berufungsbegründungsschrift bezogen habe. In der Folge haben sie dem Anwalt den ordnungsgemäßen Eingang der Berufungsbegründungsschrift bei Gericht fälschlicherweise bestätigt.

Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen

Der Antrag auf Wiedereinsetzung der von dem Anwalt vertretene Prozesspartei hatte beim Berufungsgericht keinen Erfolg. Der BGH verwarf die gegen die Ablehnung eingelegte Rechtsbeschwerde als unzulässig. Der BGH stellte klar, dass gemäß § 233 ZPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zu gewähren ist, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung einer Frist gehindert war.

Sorgfältige Prüfung der erfolgreichen Übermittlung ist unabdingbar

Bereits mehrfach hat der BGH entschieden, dass Rechtsanwälte die Pflicht haben, bei der Versendung von Schriftsätzen per beA die erfolgreiche Übermittlung inklusive der Übermittlung jedes einzelnen Anhangs zu prüfen (BGH, Beschluss v. 20.9.2022, XI ZB 14/22). Andernfalls gehe ein Fristversäumnis zu Lasten der vertretenen Partei. Ein Rechtsanwalt habe durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht. (BGH, Beschluss v. 17.3.2022, VIZB 99/19).

Sorgfaltspflichten beim beA ähnlich wie bei Versendung per Telefax

Speziell im Hinblick auf die Versendung von Schriftsätzen durch Mitarbeiter stellte der BGH fest, dass die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs den Grundsätzen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen (BGH, Beschluss v. 30.11.2022, IV ZB 17/22). Wie bei einer Übersendung per Telefax sei auch bei einer Übersendung von Schriftsätzen per BeA die Kontrolle der Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO unerlässlich (BGH, Beschluss v. 24.5.2022, XI ZB 18/21).

Generelle Anweisung zur Prüfung der Eingangsbestätigung nicht ausreichend

Der BGH legte Wert auf die Feststellung, dass der Anwalt verpflichtet ist, sein Personal über die inhaltliche Tragweite dieser Grundsätze bis in die Einzelheiten durch eine intensive Schulung zu unterweisen. Diesen Anforderungen genüge eine generelle Weisung an die im Postversand tätigen Büromitarbeiter zur Prüfung der gerichtlichen Eingangsbestätigung nicht.

Schulung muss ins Detail gehen

Eine vorschriftsmäßige Anweisung des Personals muss laut BGH u. a. enthalten:

  • Eine Belehrung über den Unterschied zwischen einem Übermittlungsprotokoll und einer Eingangsbestätigung, um eine Verwechslung dieser Dokumente auszuschließen.
  • Eine klare Information darüber, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung zu finden ist und
  • welchen Inhalt sie haben muss.

Insgesamt erfordert dies nach dem Diktum des Senats eine ins Detail gehende Schulung der mit dem Versand über das beA betrauten Mitarbeiter. Die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers abgegebene Darstellung der Kanzleiorganisation enthält zu diesen Punkten nach der Bewertung des BGH keine ausreichenden Angaben und ist nicht geeignet, den Wiedereinsetzungsantrag ausreichend zu begründen.

OLG hat Hinweispflicht verletzt

Allerdings warf der Senat dem OLG in diesem Punkt eine Verletzung seiner Hinweispflicht vor. Das Berufungsgericht hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass die Schilderung der Kanzleiorganisation und die hierzu abgegebene eidesstattliche Versicherung unzureichend waren und dem Klägeranwalt die Gelegenheit geben müssen, die Lücken in seinem Vorbringen zu ergänzen (BGH, Beschluss v. 6.9.2022, VIII ZB 24/21). Eine solche Ergänzung sei auch noch nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO möglich. Die Verletzung dieser Hinweispflicht beinhalte eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (BGH, Beschluss v. 4.7.2002, V ZB 16/02).

Wiedereinsetzungsantrag trotz Verletzung der Hinweispflicht zurückgewiesen

Die Verletzung der Hinweispflicht war nach der Entscheidung des BGH allerdings nicht ursächlich für die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags. Dies folge aus der Rechtsbeschwerdebegründung des Klägeranwalts. Diese enthalte nach Zurückweisung seines Wiedereinsetzungsantrags und der in dem Zurückweisungsbeschluss enthaltenen Hinweise auf die vorausgegangenen Darlegungsmängel wiederum keine ausreichenden Darlegungen zur Kanzleiorganisation und zur Mitarbeiterschulung, die einen Wiedereinsetzungsantrag begründen könnten. Die Ausführungen in der Rechtsbeschwerdeschrift reichten nicht wesentlich über die Ausführungen in dem ursprünglichen Wiedereinsetzungsantrag hinaus.

Rechtsbeschwerde nicht zugelassen

Mit dieser Begründung ließ der BGH die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu.

(BGH, Beschluss v. 10.1.2023, VIII ZB 41/22)