Gesetzestext

 

(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.

(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.

(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:

1. während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden;
2. die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Es soll eine doppelte Prozessführung ausgeschlossen werden, um Verzögerung und Verteuerung des Prozesses zu verhindern (Prozesswirtschaftlichkeit) und divergierende gerichtliche Entscheidungen über denselben Streitgegenstand und zwischen denselben Parteien zu vermeiden (Rechtssicherheit).

B. TB-Voraussetzungen.

I. Rechtshängigkeit durch Klage (Abs 1).

 

Rn 2

Von der Rechtshängigkeit zu unterscheiden ist die schon bei Einreichung der Klage bei Gericht eintretende Anhängigkeit, die das allg Befassen des Gerichts mit der Sache bezeichnet. Erst die Erhebung der Klage führt zur Rechtshängigkeit.

1. Klageerhebung.

 

Rn 3

Diese erfolgt durch Zustellung der Klageschrift an Gegner (§ 253 I), im einstw Rechtsschutzverfahren schon bei Antragseingang (München OLGR 93, 103). Die Klage muss zwar formell ordnungsgemäß sein, evtl rückwirkende Heilung oder Nachholung ex nunc (Frankf FamRZ 80, 710), aber unerheblich, ob sie sonst zulässig (BGHZ 25, 66) und begründet ist.

a) Mahnverfahren.

 

Rn 4

Im Mahnverfahren tritt die eine alsbaldige Abgabe der Streitsache an das Prozessgericht voraussetzende Rückwirkungsfiktion des § 696 III (vgl § 167) nur ein, wenn der Kl binnen zwei Wochen nach Zugang einer gerichtlichen Aufforderung die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt und den Gerichtskostenvorschuss einzahlt (Dresd OLGR 01, 395).

b) Ausländisches Gericht.

 

Rn 5

Erhebung der Klage vor einem ausl Gericht, wenn mit Anerkennung der ausl Entscheidung zu rechnen ist (BGH NJW 86, 2195 [BGH 10.10.1985 - I ZR 1/83]). Ob und wann Rechtshängigkeit im Ausland eingetreten ist, richtet sich nach der lex fori des ausl Gerichts (BGH NJW-RR 92, 642 [BGH 12.02.1992 - XII ZR 25/91]). Es verstößt gegen den deutschen ordre public, wenn das ausl Gericht die ihm bekannte deutsche Rechtshängigkeit nicht berücksichtigt. Die ausl Entscheidung eines Drittstaates in Ehesachen kann nur anerkannt werden, wenn dies auch der Heimatstaat tut (München NJW 64, 979 [OLG München 02.04.1964 - VA 1/64]).

2. Keine Rechtshängigkeit.

 

Rn 6

Durch Aufrechnung (BGH NJW 72, 450 [BGH 11.11.1971 - VII ZR 57/70]), Anmeldung im Insolvenzverfahren (§ 174 InsO), durch Schieds- (BGH NJW 58, 950) oder FamFG-Verfahren entsteht keine Rechtshängigkeit.

3. Streitsache.

 

Rn 7

Bei unbezifferter Leistungsklage der gesamte Anspruch (BGH NJW 74, 1551); bei Stufenklage auch der Hauptanspruch (Brandbg FamRZ 07, 55), jedoch nicht bei isolierter Auskunftsklage (Hambg FamRZ 83, 602). Bei Wechselklage wird der Anspruch aus dem Grundgeschäft nicht rechtshängig; bei Gesuch auf eVfg/Arrest ist Streitgegenstand nicht der Hauptanspruch, sondern die Zulässigkeit der zwangsweisen Sicherung des Hauptsacheanspruchs (LG Wiesbaden 19.3.15 1 O 39/15 juris); bei bloßem PKH-Antrag nicht die Hauptsache (Nürnbg FamRZ 00, 36), jedoch bei gleichzeitiger Einreichung, außer Abhängigkeit von PKH-Bewilligung wird eindeutig klargestellt (BGH FamRZ 96, 1142); bei einem Hilfsantrag ist die Rechtshängigkeit auflösend bedingt durch das Schicksal des Hauptantrags.

II. Rechtshängigkeit neben Klage (Abs 2).

 

Rn 8

Rechtshängigkeit tritt bei nachträglicher Klageerweiterung, Klageänderung, Widerklage etc ein mit Zustellung des Schriftsatzes an Gegner. Auch wenn im schriftlichen Verfahren der Schriftsatz noch vor dem (nach § 128 Abs 2 S 2 bestimmten) Zeitpunkt eingeht ist die Zustellung notwendig (LG Mannheim 16.3.10 – 2 O 212/09 juris). Zustellung von Anwalt zu Anwalt reicht nach § 195 aus (BGH NJW 92, 2235 [BGH 27.02.1992 - I ZR 35/90]), sonst mit Antragstellung in Verhandlung (§ 297). Da Sachanträge nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden können, sind danach weder Klageerweiterung (BGH NJW-RR 97, 1486) noch Widerklage (BGH NJW-RR 92, 1085 [BGH 12.05.1992 - XI ZR 251/91]) zulässig.

III. Ende der Rechtshängigkeit.

 

Rn 9

Durch formell rechtskräftiges Urt, Klagerücknahme, Erledigungserklärung oder Prozessvergleich wird die Rechtshängigkeit beendet. Die Rechtshängigkeit durch Prozessvergleich kann nur entfallen, wenn die prozessualen Formvorschriften (§§ 160 Abs 3 Nr 1, 162 Abs 1 Satz 1 und Satz 3, 163) eingehalten werden, wegen der Doppelnatur des Prozessvergleiches (einerseits materiell-rechtliches Rechtsgeschäft und andererseits Prozesshandlung) aber auch, wenn er unwirksam ist (BGH MDR 78, 1019). Der Rechtsstreit, in dem ein unwirksamer Prozessvergleich geschlossen wurde, ist nur dann fortzusetzen, wenn eine Partei die Wirksamkeit des Prozessvergleichs angreift. Deshalb ist eine neue Klage, die den Streitgegenstand des ursprünglichen Rechtsstreits umfasst, zulässig, wenn die Parteien die Beendigung des Ursprungsrechtsstreit...

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