Gesetzestext

 

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Durch die Regelung in § 167 sollen die Parteien bei der Zustellung vAw vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsablaufs bewahrt werden, weil sie auf diesen Geschäftsbetrieb keinen Einfluss haben (BGH NJW 10, 856 Rz 11; NJW 13, 1730 [BGH 15.11.2012 - I ZR 86/11] Rz 27; NJW 15, 3101 [BGH 03.09.2015 - III ZR 66/14] Rz 15). Die Wirkung einer Erklärung oder eines Antrags tritt daher grds bereits mit dem Eingang bei Gericht ein. Die Anwendung des § 167 setzt nicht voraus, dass zur Zeit der Zustellung die zu wahrende Frist bereits abgelaufen ist; die Hemmung der Verjährung tritt also auch dann bereits mit dem Eingang bei Gericht ein, wenn der Anspruch zum Zeitpunkt der demnächst erfolgten Zustellung noch nicht verjährt war (BGH NJW 10, 856 [BGH 17.12.2009 - IX ZR 4/08] Rz 7 ff). Um auch dem Interesse des Zustellungsadressaten, dass eine durch Fristablauf erlangte Rechtsposition fortbestehe, Rechnung zu tragen, ist die vorgeschriebene Rückwirkung auf die Fälle begrenzt, in denen die Zustellung ›demnächst‹ erfolgt (s dazu näher unten Rn 9 ff). Daneben kommt in Ausnahmefällen bei Ablauf der Verjährungsfrist ein Einredeverlust nach § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauchs in Betracht (vgl BGH NJW 02, 3110). Die Abtretung der Klageforderung an einen Dritten nach Eintritt der Hemmungswirkung gem § 204 I Nr 1 BGB, § 167 beendet die Hemmung nicht (BGH NJW 13, 1730 [BGH 15.11.2012 - I ZR 86/11] Rz 27).

B. Anwendungsbereich.

I. Zustellungsarten.

 

Rn 2

§ 167 erfasst alle Arten von Zustellungen, auch Auslandszustellungen und öffentliche Zustellungen (St/J/Roth Rz 3) sowie Parteizustellungen (§ 191) und gilt auch für die erst durch eine Heilung wirksam gewordene Zustellung (BGHZ 204, 268 Rz 19 mN = NJW 15, 1760)

II. Erfasste Fristen.

 

Rn 3

Verjährungsfrist (§ 204 BGB; auch beim Gütestelleverfahren, Abs 1 Nr 4: BGH WM 09, 2032 Rz 14), Klagefrist im Mieterhöhungsverfahren (§ 558b II 2 BGB), Anfechtungsfrist nach §§ 3, 4 AnfG (Frankf OLGR 94, 263), Frist für aktienrechtliche Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage (BGH NJW 89, 904 f; BGHZ 189, 32 Rz 11 = NJW-RR 11, 976; Dresd ZIP 17, 2003), Klagefristen nach § 12 III 1 VVG (BGH NJW 12, 612), § 46 WEG aF bzw § 45 WEG nF (BGH NJW 09, 999, 1000 [BGH 16.01.2009 - V ZR 74/08]; NZM 16, 53 [BGH 25.09.2015 - V ZR 203/14] Rz 8) und Art. 12 III 1 Nato-Truppenstatut AusfG (BGH VersR 79, 1709f), Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 EGBGB (BGH WM 01, 477; NJOZ 14, 1001 Rz 27), Frist für Kündigungsschutzklage nach § 4 S 1 KSchG, für Hauptsacheklage nach § 926 I (KG Urt v 23.10.09 – 8 U 121/09). Zur Vollziehungsfrist gem § 929s dort Rn 9. Die Regelung ist auch dann (entsprechend) anwendbar, wenn der Schuldner befristet auf die Verjährungseinrede verzichtet hat (BGH NJW 74, 1285; NJW 86, 1861). Zur Weitergeltung alten Rechts bei Änderung der Rechtslage zwischen Eingang und Zustellung s BGH NJW 08, 1674.

 

Rn 4

Kann eine materiell-rechtliche Frist sowohl durch gerichtliche als auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden, gilt § 167, wenn der Anspruchsteller die gerichtliche Form wählt (BGHZ 177, 319 Rz 20 ff = NJW 09, 765). Dies gilt für die Ausschlussfristen nach § 801 I 1 BGB und § 89b IV 2 (BGHZ 53, 332, 338 = NJW 70, 1002, 1003f), die Vorbehaltsfrist des § 16 Nr 3 Abs 2 VOB/B (BGHZ 75, 307, 313 = NJW 80, 455, 456), die Widerspruchsfrist nach 545 BGB (BGH NJW 14, 2568 Rz 25 ff), die Ausschlussfrist nach § 15 IV AGG (BAG NJW 14, 2893 [BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13] Rz 9 ff) und für die vereinbarte Frist zur Inanspruchnahme einer Bürgschaft (BGH NJW 82, 172, 173 [BGH 21.10.1981 - VIII ZR 212/80]). Obwohl eine andere Interessenlage insofern nicht erkennbar ist, soll etwas anderes für tarifvertragliche Ausschlussfristen (BAG NZA 16, 1154 [BAG 16.03.2016 - 4 AZR 421/15] Rz 20 ff mN) und die Vorbehaltsfrist des § 2 S 2 KSchG (BAGE 89, 149) gelten. Der Eingang des Antrags auf Zustellung einer Willenserklärung (zB für eine Anfechtung nach § 124 I, III BGB) dürfte gem § 167 grds fristwahrend wirken (vgl BGHZ 177, 319 Rz 23 ff; Zö/Greger Rz 3, 3a; MüKoZPO/Häublein/Müller Rz 5; aA St/J/Roth Rz 3). Für die Frist nach § 121 BGB soll § 167 BGB allerdings nicht anwendbar sein (s BGHZ 177, 319 Rz 26; BGH NJW 75, 39 [BGH 11.10.1974 - V ZR 25/73]; Zö/Greger aaO). § 167 ist in den Fällen unanwendbar, in denen die Rechtshängigkeit nicht nur rechtswahrend, sondern rechtsstärkend oder rechtsvermehrend wirkt, wie zB in § 286 I 2, §§ 291, 292, § 407 II, § 818 IV, §§ 987 ff, 996, 1002, 1384, 1613 I 1, § 2023 BGB. Wegen § 323 III s § 323 Rn 49.

C. Tatbestandsvoraussetzungen.

I. Eingang.

 

Rn 5

Der Zeitpunkt des Eingangs ist derjenige, zu dem das Schriftstück in die Verfügungsgewalt des in der Adresse angegebenen Gerichts gelangt ist. Die Mitwirkung des Gerichts (zB durch die Entgegennahme des Schriftstücks) ist nicht erforderlich (BVerfGE 52, ...

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