BFH-Urteil zur Teilnehmerabsage bei Betriebsveranstaltungen

Bei Betriebsveranstaltungen hängt die individuelle Zuwendungshöhe von der Zahl der Teilnehmenden ab. Sagen Kolleginnen und Kollegen kurzfristig ihre Teilnahme ab, geht dies steuerlich zu Lasten der tatsächlich Feiernden. Das kann entscheidend dafür sein, ob der Freibetrag von 110 Euro überschritten ist. Aktuell hat der Bundesfinanzhof zudem betont, dass beim Vorsteuerabzug teilweise abweichende Regeln gelten.

Zuwendungen des Arbeitgebers anlässlich einer Betriebsveranstaltung bleiben bis zu einem Betrag von 110 Euro je Feier steuerfrei. Wird der Steuerfreibetrag von 110 Euro überschritten oder werden mehr als zwei Veranstaltungen pro Jahr durchgeführt, liegt insoweit steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.

Betriebsveranstaltung: Finanzamt berücksichtigt nur Anwesende

Zur Berechnung, ob sich die Zuwendungen des Arbeitgebers im Rahmen des Freibetrags bewegen oder darüber hinausgehen, sind die zu berücksichtigenden Aufwendungen des Arbeitgebers zunächst zu gleichen Teilen auf alle bei der Betriebs­veranstaltung anwesenden Teilnehmenden aufzuteilen. 

Auf die Anzahl der eingeladenen Personen kommt es demgegenüber nach Verwaltungsauffassung nicht an (vergleiche Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 14. Oktober 2015 zur lohnsteuerlichen Behandlung von Betriebsveranstaltungen).

Weihnachtsfeier: Teilnahme kurzfristig abgesagt

In einem Streitfall sah der Arbeitgeber das anders. Es ging um Durchführung eines gemeinsamen Kochkurses als Weihnachtsfeier. Nach dem Konzept des Veranstalters durfte jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin unbegrenzt Speisen und Getränke verzehren. Von den ursprünglich angemeldeten 27 Mitarbeitenden sagten zwei kurzfristig ab, ohne dass dies zu einer Reduzierung der bereits veranschlagten Kosten durch den Veranstalter führte.

Betriebsveranstaltung: So rechnete der Arbeitgeber

Der Arbeitgeber berechnete im Rahmen der Lohnversteuerung die Zuwendung an die einzelnen Arbeitnehmenden, indem er die ursprünglich angemeldeten 27 Personen berücksichtigte. Demgegenüber verlangte das Finanzamt, dass auf die tatsächlichen 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer abzustellen sei, sodass sich ein höherer zu versteuernder Betrag ergab.

Das Finanzgericht Köln hatte der dagegen erhobenen Klage im ersten Rechtsgang stattgegeben (FG Köln Urteil vom 27.06.2018 - 3 K 870/17). Nach seiner Auffassung war es nicht nachvollziehbar, weshalb den Feiernden die vergeblichen Aufwendungen des Arbeitgebers für sogenannte "No-Shows" zuzurechnen sind. 

Revision erfolgreich: BFH bestätigt Verwaltungsauffassung

Der Bundesfinanzhof (BFH Urteil vom 29. April 2021 - VI R 31/18) hat die Sache hingegen anders beurteilt und die Verwaltungsauffassung bestätigt: Maßgebend sind zunächst die tatsächlichen Gesamtkosten der Feier, im Urteilsfall über 3.000 Euro. Die gesetzliche Regelung zu den Betriebsveranstaltungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG) enthält eine eigenständige Bewertungsvorschrift. Zuwendungen anlässlich einer Betriebsveranstaltung sind alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer - unabhängig davon, ob sie einzelnen Mitarbeitenden individuell zurechenbar sind oder ob es sich um Kosten handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 2 EStG). Der geldwerte Vorteil ist mit den anteilig auf den Arbeitnehmenden und dessen Begleitperson entfallenden Aufwendungen anzusetzen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 5 EStG).

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Gesamtkosten sind auf anwesende Teilnehmenden aufzuteilen

Eine Kürzung der Gesamtkosten aufgrund der nicht erschienenen Teilnehmenden kam nach Auffassung der obersten Steuerrichter im Urteilsfall nicht in Betracht. Stattdessen entfielen die Gesamtkosten auf die kleinere Zahl der tatsächlichen Teilnehmenden (im Streitfall 25). Nach dem Urteil des BFH sind die zu berücksichtigenden Aufwendungen des Arbeitgebers zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmenden aufzuteilen. Eine Aufteilung der Gesamtkosten auf die angemeldeten beziehungsweise eingeladenen Teilnehmenden entspricht nach Auffassung des BFH nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG). Sie würde im Übrigen dazu führen, dass nicht alle Aufwendungen des Arbeitgebers als Arbeitslohn angesetzt würden. 

Hinweis: Rechnerische Selbstkosten des Arbeitgebers für den äußeren Rahmen (zum Beispiel Stromkosten für eine eigene Halle) und steuerfreie Leistungen für Reisekosten (Anreise zur Betriebsveranstaltung) sind hingegen nicht in die Gesamtkosten einer Betriebsveranstaltung einzubeziehen. Damit ist aber nicht die gemeinsame Bus-, Bahn- oder Schifffahrt zum Auftakt eines Betriebsausflugs gemeint.

Achtung: bei der Umsatzsteuer gibt es Abweichungen

Um die Ermittlung Teilnehmerzahl und die Frage, welche Kosten einzubeziehen sind, ging es auch in einem weiteren Streitfall. Der Kläger lud alle Arbeitnehmenden der Geschäftsführung zu einem gemeinsamen Kochen im Kochstudio ein. Es nahmen 31 Beschäftigte teil, nachdem sich 32 angemeldet hatten. Auf jeden angemeldeten Arbeitnehmenden entfielen Kosten in Höhe von 145 Euro.

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand allerdings nicht der Lohnsteuerabzug, sondern der angestrebte Vorsteuerabzug des Arbeitgebers. Hier gelten nach der Entscheidung des BFH teils die gleichen, teils aber auch abweichende Regelungen zur Lohnsteuer.

Bezieht ein Unternehmer Leistungen für Betriebsveranstaltungen (im Streitfall eine Weihnachtsfeier), ist er nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn diese nicht ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienen, sondern durch die besonderen Umstände seiner wirtschaftlichen Tätigkeit bedingt sind (BFH-Urteil vom 10. Mai 2023 - V R 16/21). Das ist aber regelmäßig nicht der Fall. Auch die Zuwendungen anlässlich der Weihnachtsfeier erfolgten nicht im Rahmen eines vorrangigen Unternehmensinteresses, hinter dem das Interesse der Beschäftigten an der Feier zurücktritt.

Für sog. Aufmerksamkeiten machen Rechtsprechung und Verwaltung jedoch eine Ausnahme und lassen den Vorsteuerabzug zu. Die Grenze dafür war jedoch im Urteilsfall überschritten. Der BFH hält zwar an dem aus der Lohnsteuer bekannten Betrag von 110 Euro für die Bemessung von Aufmerksamkeiten im Zusammenhang mit Betriebsveranstaltungen fest, hier allerdings als Freigrenze. Bis zu dieser Grenze ist ein Vorsteuerabzug möglich, darüber hinaus entfällt er – wie im Urteilsfall - vollumfänglich. Bei der Lohnsteuer sind die 110 Euro hingegen seit einigen Jahren ein Freibetrag, so dass bei Überschreiten nur der Differenzbetrag zu versteuern ist.

Wie oben beschrieben sind lohnsteuerlich anlässlich einer Betriebsveranstaltung alle mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Arbeitgebers anzusetzen, ungeachtet dessen, ob sie beim Arbeitnehmenden einen Vorteil begründen können. Eine Abspaltung der Kosten für den äußeren Rahmen war im Streitfall nach dem Urteil des BFH umsatzsteuerlich ebenfalls ausgeschlossen, da es sich bei der Veranstaltung (Kochevent) um eine einheitliche Leistung handelte.

Auch der Vorsteuerabzug für die Aufwendungen des "No-Show"-Anteils war nicht zulässig. Hier schließen sich die Umsatzsteuerrichter der vorstehenden Entscheidung ihrer Lohnsteuerkollegen (BFH-Urteil vom 29. April 2021 - VI R 31/18) vollumfänglich an: Die Gesamtkosten des Arbeitgebers sind auf die bei der Veranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen. Insoweit besteht also Gleichlauf zwischen beiden Steuerarten.


Ausblick: Mit dem „Wachstumschancengesetz“ plant der Gesetzgeber ab 2024 eine Anhebung des lohnsteuerlichen Freibetrags auf 150 Euro (vgl. unseren Beitrag zum Gesetzgebungsverfahren). Ob sich daraus auch positive Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug ergeben, erscheint nach der aktuellen Rechtsprechung mehr als fraglich.


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