Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Sachbearbeiter einer Hauptfürsorgestelle

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Sachbearbeiter in der Haupfürsorgestelle, der für die Bescheidung von Anträgen auf Zustimmung zur Kündigung zuständig ist, erfüllt im allgemeinen nicht die Voraussetzungen der VergGr. IVa Fallgr. 1.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; BAT 1975 VergGr. Vb Fallgr. 1a, VergGr. IVb Fallgr. 1a, VergGr. IVa Fallgr. 1a und 1b der Anlage 1a zum BAT/VKA

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 07.03.1995; Aktenzeichen 7 Sa 777/94)

ArbG Kassel (Urteil vom 05.04.1994; Aktenzeichen 3 Ca 521/93)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. März 1995 – 7 Sa 777/94 – aufgehoben.
  • Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 5. April 1994 – 3 Ca 521/93 – abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

  • Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers, der bei dem Beklagten als Sachbearbeiter in der Hauptfürsorgestelle tätig gewesen ist.

Der Kläger war seit 1977 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. Februar 1996 als Angestellter in der Hauptverwaltung des Beklagten beschäftigt. Laut § 2 des Arbeitsvertrages vom 25. April 1977 fanden auf das Arbeitsverhältnis die Regelungen des BAT sowie alle weiteren tariflichen Regelungen, die den betrieblichen Bereich des Beklagten erfassen, Anwendung.

Seit dem 1. Januar 1982 war der Kläger in die VergGr. IVb Fallgruppe 1b BAT eingruppiert, in die er im Wege des Bewährungsaufstieges aus der VergGr. Vb Fallgruppe 1b BAT gelangt ist. Im April 1994 betrug sein monatlicher Buttoverdienst 3.994,24 DM.

Der Kläger war von Beginn seiner Tätigkeit an im Dezernat 21 – Hauptfürsorgestelle – des Beklagten eingesetzt. Innerhalb dieses Dezernates war er dem Referat 212 zugeordnet, wobei ihm folgende Aufgaben zugewiesen waren:

  • Vertretung des Stelleninhabers der Organisationsnummer 212.0.01,
  • Bearbeitung von Einzelfällen im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes für den Bereich Kündigungsschutz/begleitende Hilfen im Arbeitsund Berufsleben, insbesondere,

    • Kündigungsschutz, erweiterter Beendigungsschutz,
    • Anhörung der Hauptfürsorgestelle bei Entlassung oder vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand von schwerbehinderten Beamten,
    • begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben zur Erhaltung des Arbeitsplatzes von Schwerbehinderten in Betrieben und Dienststellen (Betriebs- und Hausbesuche).

Ca. 70 % der Gesamtarbeitszeit nahm die Tätigkeit des Klägers bei der Bearbeitung von Einzelfällen im Bereich des Kündigungsschutzes in Anspruch. Im Laufe des Kündigungsverfahrens waren vom Kläger in der Regel folgende Arbeitsschritte durchzuführen:

“Nach Eingang des Antrags eines Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers holt der Kläger die Stellungnahme des Schwerbehinderten, des Betriebs- oder Personalrats und des Arbeitsamtes ein. Sobald die Stellungnahmen vorliegen, setzt dieser, soweit dies erforderlich ist, eine mündliche Verhandlung an. Im Rahmen dieser vom Kläger organisierten und geleiteten mündlichen Verhandlung erörtert der Kläger mit den Beteiligten nicht nur die rechtliche Einordnung des Einzelfalles im Hinblick auf Kündigungsschutz und Schwerbehindertenrecht, sondern wirkt u.a. auch durch Beratung über die Möglichkeiten der begleitenden Hilfe auf eine gütliche Einigung hin.

Soweit zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse und Fähigkeiten in arbeitspsychologischen, arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Gebieten benötigt werden, beteiligt der Kläger auch den psychologischen Fachdienst, die technischen Beratungsdienste oder arbeitsamtliche Arbeitsmediziner an dem Verfahren.

Kommt eine Einigung nicht zustande, so trifft der Kläger im Wege eines schriftlichen Bescheides die Entscheidung über die Frage der Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung. Die vom Kläger entworfenen Bescheide, die dem Hauptsachbearbeiter und dem Referenten zur Mitzeichnung und dem Dezernenten zur Unterschrift vorzulegen sind, enthalten einerseits die Darstellung des Sachstandes, insbesondere die Wiedergabe der anläßlich der mündlichen Verhandlung abgegebenen Stellungnahmen der einzelnen Beteiligten, andererseits die Darlegung der Gründe für die getroffene Entscheidung. Im Falle des Widerspruchs gegen die Entscheidung erstellt der Kläger für den Widerspruchsausschuß einen Sachbericht.

Mit Schreiben vom 31. Juli 1991 forderte der Kläger ab 1. Januar 1991 Vergütung nach der VergGr. IVa BAT. Dies lehnte der Beklagte mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 15. Juni 1993, ab.

Mit seiner dem Beklagten am 24. August 1993 zugestellten Klage verfolgt der Kläger seinen geltend gemachten Anspruch weiter. Er hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit hebe sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus den nach VergGr. IVb BAT zu vergütenden Tätigkeiten heraus.

Hierzu hat er vorgetragen, für die Bearbeitung der Kündigungsfälle seien umfassende und detaillierte Kenntnisse auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts sowie zahlreicher arbeitsrechtlicher Gesetze erforderlich. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung über von den Arbeitgebern gestellte Anträge auf Kündigungszustimmung, die er in 95 % aller Fälle anordne, nehme er sogar richterähnliche Aufgaben wahr, indem er Sachverhalte feststelle und analysiere, gegensätzliche Standpunkte ordne und koordiniere sowie auf eine gütliche Einigung hinwirke. Gerade aus der Notwendigkeit der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor Ort im Betrieb ergebe sich die besondere Schwierigkeit seiner Tätigkeit, da er schnell betriebliche Situationen erfassen und über die Hinzuziehung von Fachdiensten entscheiden müsse, außerdem unter Zuhilfenahme seines Verhandlungsgeschicks und seiner Sachkenntnis die Erörterungen in die richtigen Bahnen zu lenken habe, um zu einem sachgerechten Ergebnis zu gelangen.

Die von ihm gefertigten Bescheide seien zwar sowohl von dem Hauptsachbearbeiter wie dem Referenten zur Mitzeichnung und dem Dezernenten zur Unterschrift vorzulegen. Dies spreche jedoch nicht gegen die Annahme, seine Tätigkeit sei besonders schwierig, weil diese Praxis nur Folge der Unterschriftenordnung beim Beklagten sei. So seien seine Bescheidsentwürfe in den letzten zehn Jahren ohne Ausnahme unverändert mit- und gegengezeichnet worden. Die in der VergGr. IVa BAT geforderte herausgehobene Bedeutung seiner Tätigkeit ergebe sich daraus, daß er über die Fortsetzung oder das Ende von Arbeitsverhältnissen Behinderter entscheide. Zwar sei eine behördliche oder gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung möglich, jedoch bleibe die Erstentscheidung der Hauptfürsorgestelle regelmäßig für die weitere Entwicklung des Falles prägend.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihn mit Wirkung vom 1. Februar 1991 nach der VergGr. IVa BAT zu vergüten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger erbrachte Tätigkeit habe sich nicht durch besondere Schwierigkeit aus den nach der VergGr. IVb Fallgruppe 1a BAT zu vergütenden Tätigkeiten herausgehoben. Der Kläger habe bei der Prüfung der Kündigungsanträge andere Fachdienste heranziehen müssen. Schon dies spreche gegen eine besondere Schwierigkeit seiner Tätigkeit, da sich daraus ergebe, daß er nicht selbständig habe entscheiden können. Darüber hinaus hätten die Entscheidungen des Klägers in mehrfacher Hinsicht sowohl behördlicher wie auch gerichtlicher Überprüfung unterlegen. Weiterhin habe der Kläger für seine Aufgaben nicht einmal umfassende Kenntnisse der einschlägigen Vorschriften, sondern nur “einschlägige” benötigt. Schließlich habe auch keine Heraushebung der Tätigkeiten durch die Bedeutung seines Aufgabengebietes vorgelegen, da der Kläger weder Vorgesetzter gewesen sei noch habe er Grundsatzentscheidungen mit Wirkungen für nachgeordnete Behörden oder für die Allgemeinheit zu treffen gehabt.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit dieser erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß der Feststellungsantrag auf den 31. Januar 1996 beschränkt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Tätigkeit des Klägers hat sich nicht durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus den nach VergGr. IVb BAT zu vergütenden Tätigkeiten herausgehoben.

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. BAG Urteil vom 25. September 1996 – 4 AZR 195/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m.w.N.).

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IVa BAT/VKA.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung Anwendung.

2. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob mindestens die Hälfte der die gesamte Arbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm beanspruchten Vergütung nach der VergGr. IVa des Tarifvertrages vom 24. Juni 1975 zur Änderung der Anlage 1a zum BAT entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT).

a) Damit ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1985 – 4 AZR 184/83 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 23. Februar 1983 – 4 AZR 222/80 – BAGE 42, 29 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die “Bearbeitung von Einzelfällen im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes für den Bereich Kündigungsschutz” stelle einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar, auf den unstreitig etwa 70 % der gesamten Arbeitszeit des Klägers entfielen. Jede weitere Aufspaltung in die damit verbundenen Einzelschritte wäre willkürlich und würde verkennen, daß die einzelnen Arbeitsschritte sämtlich auf die Erzielung eines bestimmten Arbeitsergebnisses gerichtet seien, das entweder in einer gütlichen Einigung der Arbeitsvertragsparteien oder einem schriftlichen Bescheid der Hauptfürsorgestelle bestehe.

c) Dem folgt der Senat. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich jedenfalls insoweit nicht um tatsächlich trennbare Einzeltätigkeiten, die unterschiedliche Anforderungen stellen. Alle Tätigkeiten des Klägers bei der Bearbeitung der Kündigungsschutzfälle im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes sind darauf gerichtet, den Sachverhalt zu ermitteln, auszuwerten und zur Entscheidung zu bringen. Eine Aufteilung dieser Einzeltätigkeiten nach tatsächlichen Gesichtspunkten würde zu einer tarifwidrigen “Atomisierung” führen. Zwar wäre es denkbar, einzelne dieser Aufgaben auszugliedern und anderen Mitarbeitern zuzuweisen. Solange der Kläger diese Tätigkeiten ausgeübt hat, kommt jedoch eine Aufteilung nicht in Betracht (BAG Urteil vom 14. August 1991 – 4 AZR 593/90 – AP Nr. 158 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die Zusammenfassung der Einzeltätigkeiten entspricht auch der tatsächlichen Übung des Beklagten, der die Einzeltätigkeiten nicht nach ihrem Schwierigkeitsgrad oder Umfang auf verschiedene Mitarbeiter aufteilt.

3. Für die Eingruppierung des Klägers kommen die folgenden aufeinander aufbauenden Tätigkeitsmerkmale aus der allgemeinen Vergütungsordnung für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände in Betracht:

“Vergütungsgruppe Vb

    • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

      (Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in der Fallgruppe 1b der Vergütungsgruppe VII und in den Fallgruppen 1a der Vergütungsgruppen VIb und Vc geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.)

    • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus Buchst. a) heraushebt, daß sie mindestens zu einem Drittel besonders verantwortungsvoll ist.

      (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

Vergütungsgruppe IVb

    • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a heraushebt, daß sie besonders verantwortungsvoll ist.
    • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der VergGr. Vb Fallgruppe 1a heraushebt, daß sie mindestens zu einem Drittel besonders verantwortungsvoll ist,

      nach vierjähriger Bewährung in der VergGr. Vb Fallgruppe 1b.

      (Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)

Vergütungsgruppe IVa

    • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 1a heraushebt.

    • Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 1a heraushebt

a) Die Tätigkeitsmerkmale der genannten Fallgruppen bauen auf einander auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei Aufbaufallgruppen zunächst zu prüfen, ob der Kläger die allgemeinen Anforderungen der VergGr. Vb Fallgruppe 1a bzw. IVb Fallgruppe 1a BAT/VKA erfüllt, und anschließend die weiteren Merkmale der darauf aufbauenden höheren VergGr. IVa Fallgruppe 1a oder 1b BAT/VKA (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Senatsurteil vom 24. September 1980 – 4 AZR 727/78 – BAGE 34, 158 = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Das Landesarbeitsgericht nimmt in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zutreffend an, daß eine pauschale Überprüfung ausreicht, soweit die Parteien die Tätigkeit des Klägers als unstreitig ansehen und der Beklagte selbst für die Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt erachtet (BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 4 AZR 203/82 – AP Nr. 91 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Eine summarische Prüfung muß erkennen lassen, aufgrund welcher konkreten Tatsachen die Erfordernisse einer bestimmten Fallgruppe bzw. Vergütungsgruppe als erfüllt angesehen werden und welche Tatumstände insbesondere für die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Vergütungsgruppe herangezogen worden sind.

Da die Tätigkeit des Klägers zwischen den Parteien unstreitig ist und der Beklagte selbst die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Vb Fallgruppe 1a BAT/VKA als erfüllt betrachtet, reichte diesbezüglich eine summarische Überprüfung durch die Vorinstanzen aus. Dabei ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die Tätigkeit des Klägers erfordere gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen. Der Kläger benötige für seine Sachbearbeitung in den Fällen, in denen die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer beabsichtigt ist, breite und tiefgehende Kenntnisse der einschlägigen Gesetze und sonstigen Normen sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung. In diesem Zusammenhang habe er gemäß § 20 Abs. 2 SGB X alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände nicht nur zu ermitteln, sondern bei seiner Entscheidung auch zu berücksichtigen.

Der Kläger müsse bei dieser Tätigkeit auch selbständige Leistungen erbringen. Mit einer Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung treffe er eine Ermessensentscheidung. Dabei habe er die schutzwürdigen Belange des Schwerbehinderten einerseits und des antragstellenden Arbeitgebers andererseits in differenzierter Weise gegeneinander abzuwägen. Die Selbständigkeit zeige sich insbesondere auch darin, daß der Kläger zu prüfen habe, ob eine beantragte Zustimmung zur Kündigung gemäß § 32 SGB X mit einer Nebenbestimmung, wie z.B. Befristung, Bedingung oder Auflage zu verbinden ist.

b) Nachdem auch der Beklagte insoweit keine Einwendungen erhebt, halten diese Ergebnisse zumindest in der summarischen Prüfung der Merkmale der VergGr. Vb Fallgruppe 1a BAT/VKA durch das Landesarbeitsgericht stand.

4.a) Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, bei dem Kläger lägen die qualifizierenden Merkmale der VergGr. IVb Fallgruppe 1a BAT/VKA vor, da die Tätigkeit des Klägers gegenüber der nach VergGr. Vb Fallgruppe 1a BAT/VKA vergüteten Tätigkeit besonders verantwortungsvoll sei. Dies ergebe sich zunächst daraus, daß in den einzelnen Kündigungsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gelte, der Kläger also den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln habe, wobei er Art und Umfang der Ermittlungen nach seinem Ermessen bestimme. Er habe dabei nach dem Gebot der Vollständigkeit der Ermittlungen alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen, er dürfe sich nicht mit einer Schlüssigkeitsprüfung der vom Arbeitgeber vorgelegten Kündigungsgründe begnügen. Ebensowenig könne er sich mit einer oberflächlichen Prüfung begnügen, wenn der Schwerbehinderte gegebenenfalls keine gegen die Kündigung sprechenden Gründe, z.B. hinsichtlich einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb, vortrage. Schließlich ergebe sich die besondere Verantwortung der Tätigkeit des Klägers aus dem Umstand, daß er mündliche Verhandlungen über beabsichtigte Kündigungen in den Betrieben zu leiten und dabei jederzeit auf eine gütliche Einigung hinzuwirken habe, sowie bei deren Ausbleiben einen das Verfahren abschließenden Bescheidsentwurf zu erarbeiten habe. Die Verantwortung des Klägers werde nicht dadurch kleiner, daß er gegebenenfalls lediglich einen Entscheidungsentwurf zu fertigen habe, der von dem Hauptsachbearbeiter abzuzeichnen und vom Referenten, vor 1992 sogar erst vom Dezernenten, unterschrieben werde. Diese trügen lediglich eine Mitverantwortung.

b) Dem folgt der Senat. Wie bereits in der Entscheidung vom 19. März 1986 (BAGE 51, 282 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975) hervorgehoben, verlangen die Tarifvertragsparteien in der VergGr. IVb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT eine gewichtige, beträchtliche Heraushebung, indem sie in den Merkmalen ausdrücklich eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit verlangen (vgl. auch BAG Urteil vom 16. April 1986 – 4 AZR 595/84 – BAGE 51, 356 = AP Nr. 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Unter Verantwortung im Sinne dieses Tarifmerkmals ist dabei zu verstehen, das Einstehen müssen dafür, daß in dem dem Angestellten übertragenen Arbeitsbereich die dort zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden (BAG Urteil vom 15. Oktober 1986 – 4 AZR 548/85 – ZTR 1987, 93). Das Landesarbeitsgericht hat damit zutreffend darauf abgehoben, daß durch die Tätigkeit des Klägers die Grundlagen für die Entscheidung über die weiteren Lebensverhältnisse der betroffenen Schwerbehinderten geschaffen werden und er bei seinen Ermittlungen Art und Umfang nach seinem eigenen Ermessen bestimme. Wenn es daraus den Schluß gezogen hat, er habe im Rahmen seines Aufgabengebietes für die sachgerechte, pünktliche und vorschriftsgemäße Erledigung seiner Aufgaben einzustehen, so hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

5. Bedenken begegnen dagegen die vom Landesarbeitsgericht gemachten Ausführungen zum Vorliegen der Heraushebungsmerkmale “besondere Schwierigkeit und Bedeutung” in der VergGr. IVa Fallgruppe 1b BAT.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bezieht sich die tarifliche Anforderung der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit auf die fachliche Qualifikation des Angestellten, also sein fachliches Können und seine fachliche Erfahrung. In der VergGr. IVa Fallgruppen 1a und b BAT/VKA wird somit ein Wissen und Können verlangt, das die Anforderungen der VergGr. IVb Fallgruppe 1a BAT/VKA in gewichtiger Weise, d.h. beträchtlich übersteigt. Diese erhöhte Qualifikation kann sich im Einzelfall aus der Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, etwa besonderen Spezialkenntnissen. Dabei ist zu beachten, daß die Tarifvertragsparteien die Anforderungen der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit gegenständlich nicht beschränkt haben. Sie fordern lediglich, daß die Tätigkeit des Angestellten selbst die entsprechende Qualifikation verlangt. Demgemäß muß sich die Schwierigkeit unmittelbar aus der Tätigkeit ergeben, so daß eine Tätigkeit nicht etwa deswegen als besonders schwierig im tariflichen Sinne angesehen werden kann, weil sie unter belastenden oder in sonstiger Weise unangenehmen Bedingungen geleistet werden muß.

Bei dem Tarifbegriff der “besonderen Schwierigkeit” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Bei der Anwendung eines solchen Rechtsbegriffs durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht nur prüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff als solchen verkannt hat, ob es bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (BAGE 51, 282 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Selbst bei diesem eingeschränkten Prüfungsansatz sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht unbedenklich. Schon der Umfang der von dem Sachbearbeiter in einer Hauptfürsorgestelle zu beachtenden Vorschriften erfordert jedenfalls im Normalfall keine ungewöhnliche Breite des geforderten fachlichen Wissens. Rechtliche Probleme können nur in einem eng begrenzten Umfang auftreten, wie sich auch aus den vorgelegten beispielhaften Bearbeitungsakten zeigt. Der Kläger kann die besondere Schwierigkeit seiner Tätigkeit auch nicht aus dem Umstand herleiten, daß er “ähnlich wie ein Richter” mündliche Verhandlungen vorbereiten und leiten und jederzeit auf eine gütliche Einigung hinwirken muß. Diese Tätigkeiten muß z.B. auch ein Sachbearbeiter für private Vertragsangelegenheiten in einem Amt für Landschaftsplanung und Landschaftspflege, eine Sozialarbeiterin in einer Beratungsstelle für Familien, Kinder und Jugendliche, ein Behördenbetreuer nach dem Betreuungsgesetz, ein Sozialpädagoge in der Jugendgerichtshilfe, ein Bußgeldsachbearbeiter mit einem Bußgeldrahmen bis zu 100.000,-- DM oder schließlich ein Sachbearbeiter in Asylverfahren ausführen, für die der Senat bereits entschieden hat, daß sich ihre Tätigkeit in der Regel nicht durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung heraushebt (Urteile vom 25. September 1996 – 4 AZR 195/95 – BB 1996, 2696 = ZTR 1997, 76; vom 20. März 1996 – 4 AZR 1052/94 – AP Nr. 22 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter = ZTR 1996, 513; vom 14. Dezember 1994 – 4 AZR 950/93 – AP Nr. 10 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; vom 15. Oktober 1986 – 4 AZR 548/85 – ZTR 1987, 93 und vom 29. Januar 1992 – 4 AZR 285/91 –, n.v.).

Eine abschließende Entscheidung dieser Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, weil sich die Tätigkeit des Klägers jedenfalls nicht durch ihre Bedeutung heraushebt.

b) Die Tätigkeit des Klägers hebt sich nicht durch ihre Bedeutung deutlich wahrnehmbar aus der Summe der Anforderungen der VergGr. IVb Fallgruppe 1a BAT/VKA heraus. Mit dem Merkmal der “Bedeutung” sind die Auswirkungen der Tätigkeit angesprochen. Die gesteigerte Bedeutung kann sich aus der Art oder aus der Größe des Aufgabengebietes sowie aus der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit ergeben (BAGE 51, 59, 90 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; ständige Rechtsprechung des Senats).

Bei diesem Tatbestandsmerkmal handelt es sich ebenfalls um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dem dementsprechend eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht stand.

Das Landesarbeitsgericht hat dazu lediglich ausgeführt, die Tätigkeit des Klägers habe weitreichende Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, indem über den Fortbestand oder die Auflösung von Arbeitsverhältnissen entschieden werde. Diese Bedeutung werde nicht dadurch relativiert, daß etwaige Bescheide mittels Widerspruchs oder Anfechtungsklage behördlich bzw. gerichtlich überprüft werden könnten.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Abgesehen davon, daß das Landesarbeitsgericht die gleichen Erwägungen schon seiner Annahme zugrunde gelegt hat, die Tätigkeit des Klägers sei besonders verantwortungsvoll im Sinne der VergGr. IVb Fallgruppe 1a BAT/VKA, hat der Kläger jeweils nur Einzelfälle zu entscheiden. Zu berücksichtigen ist weiterhin, daß durch das Erfordernis der besonderen Verantwortung in der vorhergehenden VergGr. IVb die Anforderungen an die Bedeutung der Tätigkeit im Sinne der VergGr. IVa mitbestimmt werden. Besonders verantwortliche Tätigkeiten können daher nicht allein deshalb das Heraushebungsmerkmal der gesteigerten Bedeutung erfüllen. Auch in Asylsachen, in der Jugendgerichtshilfe und der Familienberatung sind ähnlich weitreichende und in die Lebensverhältnisse der Betroffenen eingreifende Entscheidungen zu treffen. Gleichwohl hat der Senat in diesen Fällen eine Heraushebung der Tätigkeit durch ihre Bedeutung im Sinne der VergGr. IVa BAT verneint (BAG, aaO). Im übrigen haben die Entscheidungen des Klägers nicht für sich allein für die jeweils Betroffenen Bedeutung, sondern bedürfen für ihre Wirksamkeit jeweils der Mitwirkung und Umsetzung durch Dritte und unterliegen sowohl behördlicher wie gerichtlicher Überprüfung.

Es ist auch nicht erkennbar, daß sich der Aufgabenkreis und die Tragweite der Tätigkeit des Klägers für den innerdienstlichen Bereich oder die Allgemeinheit deutlich wahrnehmbar aus der VergGr. IVb Fallgruppen 1a/1b BAT/VKA heraushebt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Friedrich, Schneider, Gotsche, Kiefer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI884905

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